Stadtmitte Ein Künstler und seine Reisen im Bahnhofsviertel

Stadtmitte · Markus Ambach plant Führungen, Lesungen und später Kunst im öffentlichen Raum.

 Markus Ambach hat Großes mit dem Bahnhofsviertel vor. Er will Künstler in die Gegend holen, die ihr ein neues Image verpassen sollen.

Markus Ambach hat Großes mit dem Bahnhofsviertel vor. Er will Künstler in die Gegend holen, die ihr ein neues Image verpassen sollen.

Foto: Hans-Jürgen Bauer

Das Foto im Fenster der Bar "Klein-Paris" ist ein stummes Versprechen. Die beiden Damen, die darauf zu sehen sind, schauen verdammt lüstern aus der Reizwäsche. Markus Ambach weiß nicht, ob die Bilder halten, was sie versprechen. Im "Klein-Paris" ist er noch nie gewesen. Der 53-Jährige kennt lediglich die benachbarten Tabledance-Bars "Flamingo" und "Solid Gold" von innen. "Da war ich jeweils mit Freundinnen", sagt Ambach. Frauen seien an derartigen Orten immer interessiert, so seine Erfahrung.

Da sind sie bei Markus Ambach genau richtig. Nicht, weil er eine Vorliebe fürs Rotlicht-Milieu pflegt, sondern weil er gerne Grenzen überschreitet, gerne neue Welten entdeckt, gerne dorthin geht, wo sich andere nicht hintrauen. Das ist Teil seines Berufs. Ambach ist Künstler und Kurator. Seit vielen Jahren realisiert er Ausstellungen im öffentlichen Raum. Begonnen hat alles 2002 mit einem verwilderten Garten neben seinem Neusser Atelier. In den lud er damals regelmäßig Künstler ein. Später konzipierte Ambach "B1/A40, Die Schönheit der großen Straße", ein Ausstellungsprojekt im Stadtraum der A40 zwischen Duisburg und Dortmund. Für die kommenden beiden Jahre plant er nun gemeinsam mit Bettina Masuch (Tanzhaus NRW), Kathrin Tiedemann (FFT) und Jan Wagner (Filmwerkstatt) ein künstlerisches Projekt im Düsseldorfer Bahnhofsviertel. "Von fremden Ländern in eigenen Städten" verspricht Reisen in die Nähe.

Seit zwei Jahren hat Ambach sein Büro in einem Hinterhof an der Harkortstraße, sozusagen auf Tuchfühlung mit dem Bahndamm. Sein Forschungsfeld liegt also direkt vor der Tür. Wenn er im Bahnhofsviertel unterwegs ist, fallen ihm Kleinigkeiten auf. Die minimalistische Schaufensterdekoration von "Maghreb-Reisen". Die mutmaßlich gewollte Kombination aus Tisch und Rattenfalle vor einem Büdchen. Der Spruch "Mein Haus ist meine Burg" über dem Eingang des Hauses Mintropstraße 11. Ambach beobachtet seine Umgebung so aufmerksam und interessiert, wie es viele Menschen nur im Urlaub tun. "Das Bahnhofsviertel hat Potenziale", findet er. "Sie werden nur nicht gesehen. Und vor allem nicht choreografisch verknüpft." Genau das sei die Aufgabe des Projekts "Von fremden Ländern in eigenen Städten". Momentan läuft die Recherchephase. Ambach nimmt Kontakt mit Leuten auf, die in der Gegend bereits aktiv sind, Angebote etabliert haben. Mit Barbara Kempnich von der Bahnhofsmission. Mit dem Literaturbüro NRW. Mit der Diakonie, die am Mintropplatz das Café Pur, eine Anlaufstelle für Obdachlose, betreibt. Oder mit dem Schauspielhaus, dessen Übergangsspielstätte Central zwischen Hauptbahnhof und Worringer Platz angesiedelt ist. Ambach spricht aber auch mit den Anwohnern. "Das sind ja die eigentlichen Experten, die den Raum prägen", sagt er. Sie mit den Künstlern zusammenzubringen, sieht er als seine Aufgabe. "Künstler müssen an gesellschaftlichen Prozessen teilnehmen, mitreden, mitdiskutieren, Input liefern", so Ambach. Das ist ihm wichtig. Bei jedem seiner Projekte.

Für den Sommer 2017 ist zunächst mal ein sechswöchiges Veranstaltungsprogramm mit Führungen, Vorträgen und Lesungen geplant. In diesem Rahmen sollen auch zahlreiche Künstler die Gegend erkunden, zu der und in der sie ein Jahr später, im Sommer 2018, Arbeiten im öffentlichen Raum realisieren. Natürlich weiß Ambach, dass das Pflaster ein eher schwieriges ist, die Gegend rund um den Bahnhof keinen guten Ruf genießt. Abschrecken lässt er sich davon nicht. Im Gegenteil: Genau das sei es ja, was ihn als Künstler interessiere. Er spricht von "heterogenen Stadträumen, die noch offen sind, nicht durchorganisiert, weder stadtplanerisch noch sozial oder soziologisch". Er meint Plätze wie den Bertha-von-Suttner-Platz, die Gegend rund um das Bahndamm-Bordell an der Industriestraße, den Mintropplatz, Friedrich-Ebert- und Bismarckstraße, den Worringer Platz oder den Immermannhof. Letzterer ist ihm ein besonderer Dorn im Auge. "Den Immermannhof müsste man eigentlich abreißen. Der ist eine regelrechte Barrikade", findet Ambach. Ohne den Gebäudekomplex würde die Immermannstraße direkt am Konrad-Adenauer-Platz enden, eine Verbindung zwischen Hauptbahnhof und Innenstadt würde entstehen. Es sind derartige Probleme, die Ambach mit seinem Projekt letzten Endes auch aufzeigen möchte. Schließlich sind die Aufwertung der Bahnhofsgegend und insbesondere die Neugestaltung des Bahnhofs-Vorplatzes schon seit Jahren in der Diskussion. "Ich würde mir natürlich wünschen, dass die Rückschlüsse und Perspektiven, die im Rahmen unseres künstlerischen Projekts entwickelt werden, in der Folge auch den Planungsprozess beeinflussen", sagt Ambach. Das wäre das langfristige Ziel.

(RP)
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