Hinterhöfe in Düsseldorf Ein Ort mit ganz eigener Atmosphäre

Pempelfort · Im modernen Hinterhof des Handelsverbands NRW fand die 20. Hinterhoflesung vom Zack statt. Eine Mischung aus Revolutionsgedanken und Liebeskummer erwartete die Besucher. Und eine Location, die sonst nicht für Publikum geöffnet ist.

 Der Börsenverein des Deutschen Buchhandels hat für eine Lesung seinen Hinterhof geöffnet. 

Der Börsenverein des Deutschen Buchhandels hat für eine Lesung seinen Hinterhof geöffnet. 

Foto: Endermann, Andreas (end)

Große Bäume mit dichtem Blattwerk strecken sich zur Linken hinter einer Steinmauer in den Himmel, weiß verputzte Gebäude umrahmen den Hof von den anderen Seiten. In der Mitte ist sonst eine rechteckige Grünfläche zu erkennen, die aber an diesem Abend unter den eng aufgereihten Stühlen und Bänken verschwindet. Knapp 100 Leute sitzen mit Getränken in der Hand vor zwei aufgebauten Lautsprechern. Im lang gezogenen Hinterhof liegt ein erwartungsvolles Flüstern in der Luft. Normalerweise werden hier vom Handelsverband NRW Branchenveranstaltungen und Seminare ausgerichtet. An diesem Abend geht es jedoch zur Abwechslung nicht um Fachvorträge zu Wirtschaftsthemen oder Weiterbildungen für Handelsvertreter. Stattdessen stehen vielmehr philosophische Themen wie Revolution, Liebeskummer und Utopien im Zentrum, als der Platz zum ersten Mal für die Öffentlichkeit zugänglich ist.

Bei seiner 20. Hinterhoflesung hat das Zakk drei Autoren eingeladen, ihre Gedichte und Kurzgeschichten vorzutragen. Gastgeber ist dieses Mal der Börsenverein des Deutschen Buchhandels, der ebenfalls im Gebäude des Handelsverbandes seinen Sitz hat. „Wir sehen immer, wie die Leute bei Seminaren in diesem schönen Hinterhof sitzen und haben uns gedacht: Eigentlich müsste man hier einmal eine Lesung veranstalten“, erzählt die Regionaldirektorin des Börsenvereins, Anja Bergmann. „Manche Texte sollte man in Ruhe konsumieren, andere sind einfach wie dafür geschaffen, vom Autoren vorgetragen zu werden.“

Was Bergmann damit meint, sieht und hört das Publikum wenig später mit eigenen Augen und Ohren. Stimmgewaltig und mit viel Körpereinsatz eröffnet Freddy Erdmann den Abend. Der junge Poetry-Slammer spricht über den fehlenden Sinn des Lebens und sorgt mit einer frustgeladenen Ausführung über seine Sehnsucht nach Revolution für begeisterten Applaus bei den Anwesenden. Ihm nachfolgend stellt Philipp Herold einige Texte aus seinem neuen Buch vor. Locker, aber nicht minder tiefsinnig, verbindet er wichtige Ereignisse aus seiner eigenen Biografie mit parallelen geschichtlichen Geschehnissen und entwirft im Anschluss ein utopisches Land: einen Ort, wo der Pfeffer wächst und an dem alle Außenseiter und Ausgestoßenen willkommen sind.

Auch seine lyrische Abrechnung mit den typischen Männlichkeitsidealen der Gegenwart sorgt sowohl für grübelnde Gesichter als auch für herzliches Lachen bei den Gästen. „Ich finde es bisher großartig, vor allem, weil auch unbekanntere Autoren die Möglichkeit haben, ihre Texte vorzustellen“, sagt Maike Orlowski begeistert in der Pause der Lesung. Sie und ihre Freundin Alexandra Bürkel sind vor allem wegen des Veranstaltungskonzepts zur Lesung gekommen. „Orte wie dieser haben ihre ganz eigene Atmosphäre. Deswegen bin ich hier dreimal lieber als zum Beispiel im Biergarten.“ Auch die Moderatorin Pamela Granderath formuliert zwischen den Auftritten immer wieder kleine Liebeserklärungen an die städtischen Hinterhöfe: „Schon als Kind habe ich immer an Plätzen wie diesem hier meine Zeit verbracht. Es sind kleine, eigene Welten, die für die Öffentlichkeit normalerweise nicht zugänglich sind und deswegen irgendwie geheimnisvoll und fremd wirken.“

Fremd wirkt auch der erste Text der letzten Autorin Safiye Can. Sie rezitierte ein Gedicht des Lyrikers Nâzım Hikmet auf Türkisch, was zu einer ungewöhnlichen Situation führt. Kaum einer der Zuhörer versteht, worum es geht, aber dennoch lauschen alle konzentriert den Worten und spenden etwas verlegen Applaus. Auch die deutsche Übersetzung des Textes, der die Schrecken des Krieges thematisiert, trägt Can vor. In einem Moment wünscht ihr lyrisches Ich dem ehemaligen Partner den Tod, im nächsten beschreibt es die Gefühlswelt eines frisch Verliebten.

Seit 2013 gibt es die Hinterhoflesungen vom Zakk und nach wie vor kommt das Format gut an bei den Düsseldorfern. Um die Reihe auch weiterhin fortführen zu können, sind die Veranstalter immer auf der Suche nach neuen Plätzen. „Die einzigen Voraussetzungen sind, dass es eine Toilette und eine Regenalternative gibt. Ansonsten nehmen wir jede Art von Hinterhof, egal ob schön oder hässlich“, sagt Granderath. „Wir geben nicht auf, bis nicht auch der letzte Hinterhof in Düsseldorf von uns bespielt wurde.“

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