Oberkassel 100 Jahre Krieg und Frieden

Oberkassel · Margarete Schauf feiert am 24. September ihren 100. Geburtstag. Im Elsass geboren, wohnte sie in Golzheim und Lörick, bevor sie im Oberkasseler Dorothee-Sölle-Haus heimisch wurde. Ein Besuch.

 Margarete Schauf in ihrem Appartement, umgeben von Familienbildern und Erinnerungsstücken. Im Dezember wird sie Urgroßmutter.

Margarete Schauf in ihrem Appartement, umgeben von Familienbildern und Erinnerungsstücken. Im Dezember wird sie Urgroßmutter.

Foto: Andreas Bretz

Margarete Schauf freut sich. Zwei Ereignisse bringen Schwung in ihren Alltag, den sie im Dorothee-Sölle-Haus lebt. "Ich werde am 24. September 100", sagt sie und kann es kaum fassen, schon so lange auf der Welt zu sein. "Meine Kinder kommen und wir werden meinen Geburtstag gemeinsam feiern." Das zweite fröhliche Ereignis kündigt sich im Dezember an und macht aus der 100-Jährigen eine Uroma.

Gut gelaunt sitzt sie in ihrem kleinen Appartement und macht es sich in ihrem Sessel bequem. "Ich hatte immer Glück", stellt sie schlicht fest. Obwohl sie in eine Zeit geboren wurde, die alles andere als glücklich war. Im Elsass geboren ("mein Vater arbeitete im Bergbau") musste die Familie auf Druck der Franzosen die Heimat verlassen. "Ich war damals drei Jahre alt." Die nächste Station war Düsseldorf. 1921 bezog die Familie eine geräumige Wohnung an der Johannstraße in Golzheim. "Wir hatten Toiletten in der Wohnung, was damals hochmodern war."

Golzheim - ein geschichtsträchtiger Stadtteil, in dem Margarete Schauf aufwuchs und bis 1956 lebte. Nicht weit von der Wohnung gab es ein Flugfeld, wo sie den populären Schweizer Ballonfahrer Auguste Piccard erlebte. "Meine Mutter sprach ja gut französisch." Nicht weit entfernt befand sich das Golzheimer Heinefeld mit seinen Notunterkünften für Sinti und Roma, für Arbeits- und Obdachlose. Und von ihrem Fenster aus erlebte sie den Totenkult der Nazis. Sie erinnert sich an die Aufmärsche zum 1931 eingeweihten hünenhaften Denkmal für Albert Leo Schlageter, Soldat im Ersten Weltkrieg, der 1923 von den Franzosen wegen Spionage und Sabotage, etwa 50 Meter vom Mahnmal entfernt, erschossen worden war. "Es war unheimlich, alles trat in Lack und Wichs (Schick) auf." Trotzdem kam die Freude nicht zu kurz. Mit dem Vater besuchte sie die Ausstellung Gesolei. "Vor dem Eingang saß ein Mann mit einer singenden Säge." Sie sei sehr beeindruckt gewesen. Auch in der Gaststätte der "Künstlermutter" Ey sei sie eingekehrt. "Überall war Kunst." Erlebt habe sie auch die Rennfahrer Caracciola und Stuck, die mit ihren Rennwagen durch Düseldorf düsten.

Der Zweite Weltkrieg war für die inzwischen verheiratete Margarete eine Zäsur. Nicht nur, weil sie als Rote-Kreuz-Schwester mit viel Elend konfrontiert wurde. Vielmehr musste sie das Schicksal vieler Frauen teilen. "Mein Mann kam aus dem Krieg nicht zurück." So musste sie, ihre 1944 geborene Tochter allein großziehen. Eine Herausforderung in der Nachkriegszeit. "Ich habe mich durchgewurschtelt", sagt sie trocken. "Hoffentlich passiert das alles nicht noch einmal."

Und dann kam der Moment, als Margarete Schauf feststellte: "Ich möchte schöner wohnen". So zog sie nach Lörick, denn dort lebte ihre Schwester. Das Glück wurde perfekt, als die Tochter aus dem Gröbsten heraus war und sie einen neuen Lebenspartner fand, mit dem sie durch Deutschland reiste. Geflogen sei sie auch zwei Mal. Einmal nach Madeira, "mein schönster Urlaub, auch wenn ich vier Stunden in dem ,Kasten' sitzen musste". Glück hatte Margarete Schauf auch, weil ihre Tochter den Unternehmer Dieter Lensing (UCIM Unternehmensconsulting GmbH & Co.) heiratete. Denn er ebnete ihr den Weg ins Dorothee-Sölle-Haus, an dessen Realisierung er maßgeblich mitgewirkt hatte.

Auf die Frage, wie sie denn ihr Leben trotz aller Verwerfungen so erfolgreich bewältigt, antwortet sie: "Ich bin ein zufriedener Mensch und habe aus jeder Situation das Beste gemacht." Bei Laune halte sie sich mit Lektüre. "Ich lese gern historische Bücher."

(RP)
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