Oberbilk Oberbilk will auch mal hip sein

Oberbilk · Die dicken Autos in der Einfahrt und das kleine Stehpult vor der Tür, an dem zwei junge Frauen neonorangefarbene Armbändchen an Wartende ausgeben, sind der einzige Hinweis darauf, dass an der Ellerstraße 111 etwas vonstattengeht, das sich unterscheidet von dem, was sonst so in Oberbilk los ist.

 Oberbilker Tristesse trifft auf die schillernde Welt der Mode: Von außen ließen bei der Eröffnung des Showrooms von "Cavallo de Ferro" bloß die dicken Autos und der Andrang der Besucher auf die Party im Hinterhof schließen.

Oberbilker Tristesse trifft auf die schillernde Welt der Mode: Von außen ließen bei der Eröffnung des Showrooms von "Cavallo de Ferro" bloß die dicken Autos und der Andrang der Besucher auf die Party im Hinterhof schließen.

Foto: Schaller,Bernd (bs)

Neben Imbissbuden, Büdchen und einem Institut für Bestattungen nach islamischem Glauben wird dort ab sofort Mode gemacht - von den beiden Fußballern Felipe Santana und Douglas Franco Teixeira sowie der Moderatorin Daisy Dee Rollocks. Und um das zu feiern, haben sie nun zur großen Eröffnung mit Promibesuch geladen. Mit dabei: mehrere Fußballer, Miss Germany, ein Süßwaren-Fabrikant und andere Persönlichkeiten, die (noch) nicht berühmt sind.

"Wir hätten auch auf der Kö mit unserem Label einen Platz gefunden. Aber wir haben uns ganz bewusst für diesen Ort hier entschieden, weil unsere Mode etwas für alle Menschen ist, egal, wo sie herkommen. Wenn wir auf der Kö wären, würden einige unserer Kunden vielleicht gar nicht kommen", sagt Daisy Dee. Oberbilk dagegen sei perfekt: Schließlich sei das Viertel multikulti und nicht nur ein Ort der Schönen und Reichen. Er selbst komme auch aus einfachen Verhältnissen, sagt Felipe Santana, das vermeintliche Problemviertel sei ihm deshalb nicht fremd. Sein Heimatstadtteil beginnt auch mit "Ober". Allerdings wohnt der Schalke-Spieler nicht in Oberbilk, sondern in Oberkassel.

 Auch die amtierende Miss Germany, Olga Hoffmann, kam - deutlich erkennbar an ihrer Schärpe.

Auch die amtierende Miss Germany, Olga Hoffmann, kam - deutlich erkennbar an ihrer Schärpe.

Foto: Schaller,Bernd (bs)

Zusammen geben die Modemacher weiter Interviews auf dem Roten Teppich, den sie in dem Hinterhof, in dem der Showroom ihres Labels "Cavallo de Ferro" (dt. eisernes Pferd) liegt, ausgerollt haben. Hinter ihnen steht eine Wand mit dem Pferdekopf-Logo und dem Namen der Marke, neben einer Absperrung haben sich Fotografen und das Fernsehen - RTL und Promiflash sind gekommen - positioniert und warten auf die angekündigten Sternchen. Alltagsgeschäft bei Events mit Rotem Teppich. Neu ist allerdings das Umfeld: Die Gebäude ringsum sind normale Wohnhäuser, auf den Balkons trocknet Wäsche, stehen wacklige Sattelitenschüsseln und in den Fenstern hängen Spitzengardinen.

Oberbilk ist auf dem besten Weg ein angesagtes Trendviertel zu werden, so hört es sich zumindest an, wenn man den Gastgebern und Gästen lauscht. "Man kennt das ja aus Städten wie New York und London, da muss man auch oft erst durch schmuddelige Hinterhöfe hindurch und findet dann etwas ganz Großartiges darin. Das erwarte ich hier auch", sagt Hermann Bühlbecker. Der Geschäftsführer des Süßwarenkonzerns Lambertz ist einer der Gäste von "Cavallo de Ferro". Er arbeitet mit Daisy Dee zusammen. "Wenn man so ein Traditionsunternehmen führt wie ich, muss man ja immer schauen, dass man die junge Zielgruppe für sich gewinnt. Deswegen entwickeln wir einen Power-Cake zusammen", erklärt er. Was es genau damit auf sich hat, verrät er aber nicht. Bloß hip wird es sein, das ist ja klar, genau wie der Showroom hier an der Ellerstraße.

Daran glaubt offenbar auch die Frau in der engen weißen Hose. Mit ihrem Mops und ihrer Pelzjacke läuft sie aufgeregt zwischen Eingang und Rotem Teppich hin und her, scheint jeden zu kennen, begrüßt alle Gäste überschwänglich. Wer sie ist, vermag allerdings niemand so genau zu sagen. Auch der Jüngling fällt auf, Typ Unterwäsche-Model, der es im "Cavallo-de-Ferro"-Shirt kaum aushält und dieses deshalb lieber immer wieder auszieht, um auf dem Roten Teppich Liegestütze zu machen und seinen Waschbrettbauch zu zeigen. Und dann kommt sogar noch Miss Germany, nicht die vom letzten oder vorletzten oder vorvorletzten Jahr, sondern die amtierende. Olga Hoffmann heißt sie, und damit man sie auch erkennt, hat sie ihre Schärpe um. Fußballer Gerald Asamoah schaut ebenfalls vorbei, genau wie Sängerin Cassandra Steen. Rapper Akon und die Musiklegende Quincy Jones kommen nicht - und das, obwohl sie nach Angaben der Gastgeber telefonisch zugesagt hatten.

Der Hinterhof in Oberbilk, in dem früher an Autos herumgeschraubt wurde, ist nicht mehr nur ein Hinterhof, sondern Bühne für den Versuch, Glanz und Gloria an einen Ort zu bringen, der so glamourös ist wie ein japanischer Kleinwagen. Oberbilk will auch endlich einmal hip sein, will überraschen, wie es Kreuzberg und Neukölln in Berlin vor einigen Jahren bereits geschafft haben. Musik dröhnt aus dem Showroom, die Band spielt ein Cover von Justin Timberlake. Eine Nachbarin öffnet ihr Fenster zum Hinterhof und schaut auf das Geschehen unter sich hinab. Sie lacht. Aller Anfang ist schwer.

(lai)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort