Niederkassel Jungs lieben klassischen Balletttanz

Niederkassel · Die Ballettschule "la danse" hat vor zwei Jahren eine Jungenklasse aufgebaut. Doch der Erfolg lässt auf sich warten, weil das Vorurteil "Ballett für Mädchen, Fußball für Jungen" in der Gesellschaft noch tief verankert ist.

 Jonah, Emilio, Julius und Joshua (von vorn nach hinten) im Spiegel des klassischen Tanzes mit Tanzlehrer Csaba Kvasz

Jonah, Emilio, Julius und Joshua (von vorn nach hinten) im Spiegel des klassischen Tanzes mit Tanzlehrer Csaba Kvasz

Foto: Hans-Jürgen Bauer

Wenn Jungen den Wunsch äußern: "Ich will zum Ballett", reagieren Eltern oft erschrocken, ja ängstlich. Viele versuchen, ihren Jungs eher das Fußballspielen schmackhaft zu machen oder ein ähnlich geartetes Hobby, das ihrer Meinung nach zu einem Jungen viel besser passt.

Julius, Emilio, Joshua und Jonah, alle zwischen sieben und neun Jahre alt, haben Glück. Ihre Eltern erlauben den Ballettunterricht nicht nur, sondern sind auch noch stolz darauf, wie ihre Jungs sich durch den disziplinierten Tanz bisher entwickelt haben. "Unser Kinderarzt hat festgestellt, dass Jonah sehr muskulös geworden ist", sagt seine Mutter, die ihn zur Ballettschule "la danse" von Julia und Adri Groenendyk regelmäßig begleitet. "Mein Mann", so erzählt sie weiter, "schaut stolz wie Bolle bei den Aufführungen der Jungenklasse zu".

Jonah ist mit seinen sieben Jahren der jüngste und quirligste der Jungenklasse und mag vor allem Sprünge. "Manchmal machen wir auch Quatsch und springen durcheinander", sagt er mit offensichtlicher Begeisterung. Er verstehe alle französischen Begriffe wie "Plié" (Kniebeuge) oder "Sauté (Springen) "Demi plié (Grundposition) oder "Pirouetten" (auf den Zehen stehen und drehen), erläutert er stolz. Und Mädels in die Luft schmeißen sei auch nicht schlecht, ergänzt Julius und alle nicken zustimmend.

Ebenfalls schon lange dabei ist Joshua. "Ich wollte das", sagt er mit knappen Worten. Seine Mutter ergänzt: "Seit er laufen kann, liebt er Tanz und Musik." Er habe eine Tanzperformance von Michael Jackson gesehen und sofort alles nachgemacht." Musik liebt auch Emilio, der seit drei Monaten mittwochs nach Alt Niederkassel zum Ballettunterricht kommt. "Meine Eltern haben entschieden, dass ich das machen soll", sagt er und zählt seine anderen Hobbys auf: Klavierspielen, Judo und schauspielern beim Jungen Schauspielhaus. Emilio spricht mit seinen neun Jahren schon drei Sprachen: Seine Muttersprache Spanisch, Vatersprache Japanisch und Deutsch, die Sprache der gemeinsamen Wahlheimat.

Auch die Eltern von Julius fördern die Tanzfreude ihres Sohnes, der ebenfalls Klavier wie auch Querflöte spielt und im Chor der Clara-Schumann Musikschule mitsingt. Aber, sagt er resolut: "Bloß keine Tüllkleider für uns."

Die Vier sind vielseitige Persönlichkeiten, haben aber eins gemeinsam: Alle sind musisch begabt, spielen wenigstens ein Instrument: Schlagzeug Geige, Gitarre, Klavier - und sie spielen Fußball. Und noch etwas eint sie: Sie tanzen einfach über Vorurteile hinweg, die sich gegen Jungs mit Liebe zum klassischen Ballett richten. Trotzdem hält sich ihre Begeisterung in Grenzen. "Ich sage nicht in der Schule, dass ich da mitmache", sagen zwei von ihnen. Damit riskieren sie nicht, ausgelacht oder gar beschimpft zu werden, was ihrer Meinung nach schon vorgekommen sei. Adri Groenendyk, künstlerischer Leiter des Ballettstudios "la danse", ärgert das. "Das Klischee, Tänzer sind zwangsläufig schwul, ist auch in heutiger Zeit noch tief verankert." Dabei sei die schwierige Technik des klassischen Tanzes einst von Männern gelegt worden. "Beim Ballett ist man, anders als beim Mannschaftssport, nur mit sich selbst beschäftigt." Es gehe um Disziplin, ästhetische Bewegungen, Eleganz und nicht darum, wer gewinne. "Es dauert lange, bis man etwas kann, wobei die Freude am Tanz Basis aller Anstrengungen ist."

(RP)
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