Mörsenbroich Zum 100. Geburtstag in die Étoile Bar

Mörsenbroich · Belesen, beruflich erfolgreich, weltoffen: Ottilie Lehmann hat schon vieles erlebt.

 Ottilie Lehmann feierte gestern ihren besonderen Geburtstag mit Freunden im Steigenberger Parkhotel.

Ottilie Lehmann feierte gestern ihren besonderen Geburtstag mit Freunden im Steigenberger Parkhotel.

Foto: Anne Orthen

Wenn ein Mensch seinen 100. Geburtstag feiert, sind die eingeladenen Gäste in der Regel voll des Lobes, wenn es um die bisherige Lebensleistung des zu Beglückwünschenden geht. Das wirkt nicht immer aufrichtig, war es gestern aber ganz bestimmt, als Ottilie Lehmann ihr 100. Lebensjahr vollendete. Wer etwas über "Otti", wie sie jeder nennt, sagen wollte, bekam einen schimmernden Glanz in den Augen, die Anerkennung schwang in jedem Wort mit.

Otti Lehmann hat keine eigenen Kinder, dafür aber Freunde. Das hat viele Gründe, ihre Herzlichkeit und Toleranz natürlich, es hängt aber auch mit ihren diversen Aktivitäten zusammen. Die gebürtige Gelsenkirchenerin war lange Vorsitzende des Frauenrings, Sektion Düsseldorf, und hat in dieser Funktion Spuren hinterlassen. Sie ist eine Hundenärrin und bot sich später für die Nachbarn auch als Hundesitterin an. "Ich hatte immer Dackel. Wenn ich mir die Lippen rot anmalte, wussten sie, es geht nach draußen", erzählt sie. Und Otti Lehmann spielt für ihr Leben gerne Bridge. Ihre Gruppe trifft sich immer in der Étoile Bar im Steigenberger Parkhotel. Genau dort stürzte die Senioren vor zwei Wochen, musste ins Krankenhaus, die Folgen sah man ihr gestern noch an. Das ärgerte sie maßlos, gab es doch ein völlig falsches Bild von ihr wieder. Denn Otti Lehmann wohnt noch alleine an der Vinckestraße, kocht jeden Tag für sich, liest Zeitung, löst Kreuzworträtsel und kann sich sehr wohl noch auf ihren eigenen zwei Beinen fortbewegen. "Was soll's, ist halt passiert, ist ja nicht das Ende der Welt", sagt die seit gestern 100-Jährige, und zuckt mit den Achseln.

In Münster sei sie aufgewachsen, berichtet Stiefenkel Ralph Lehmann, vom Ersten Weltkrieg habe sie nicht viel mitbekommen. Auch vom Zweiten nicht, da habe sie in Italien gelebt, hingezogen aus beruflichen Gründen, die Liebe habe auch eine Rolle gespielt. Ralph Lehmanns Großvater hat Otti dann in Deutschland geheiratet, seit 1953 wohnt sie in Düsseldorf. "Sie war immer meine Omi", sagt der Stiefenkel, der sich nicht darum schert, dass keine direkte biologische familiäre Bindung zwischen beiden besteht. "Sie ist geistig voll auf der Höhe und sehr weltoffen. Mit 90 Jahren wollte Oma noch mit mir auf ein Rockkonzert gehen. Ich habe ihr dann vorsichtig zu verstehen gegeben, das sei zu aufregend für sie."

Und: Otti Lehmann war beruflich erfolgreich, hat als Handelsvertreterin in den 50er Jahren Saftfabriken nach Afrika verkauft. Bis 1976 arbeitete sie später als Fremdsprachenkorrespondentin. Dennoch hatte sie stets Zeit für ihre Arbeit im Frauenring, gründete Lesezirkel, setzte sich für Frauenrechte ein, organisierte Spendenaktionen. "Es war ein erfülltes Leben", sagt eine Mitstreiterin. "Und es muss ja noch lange nicht zu Ende sein."

(RP)
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