Alltags-Helden aus Düsseldorf Zwei Düsseldorfer nähen Schutzmasken

Düsseldorf · Die neun Jahre alte Lina-Sophie aus Knittkuhl sitzt fast täglich an der Nähmaschine und produziert Mundschutze. Reinhard Dobner (75) nähte zuerst für eine Arztpraxis Masken, dann für die gesamte Nachbarschaft.

 Lina-Sophie näht am Schreibtisch in ihrem Kinderzimmer bunte Mundbedeckungen – auch für ihre Lehrer.

Lina-Sophie näht am Schreibtisch in ihrem Kinderzimmer bunte Mundbedeckungen – auch für ihre Lehrer.

Foto: Hans-Juergen Bauer (hjba)

Von Marc Ingel und Nicole Kampe

Als Lina-Sophie von Bülow sieben Jahre alt war, hat sie sich eine Nähmaschine gewünscht. Und musste ziemlich lang drauf warten. Weil Mama Claudia davon ausging, dass die Maschine nach drei Tagen in der Ecke verstaubt. Ein Monat verging und noch einer, Lina-Sophie hörte nicht auf, sich die Nähmaschine zu wünschen. Weil sie wie ihre Lieblingsfigur Ladybug aus der Serie Miraculous selber Kleider machen wollte. Irgendwann kam Weihnachten, und da stand sie unter dem Baum. Vorletztes Jahr ist das gewesen, in der Zwischenzeit hat die Neunjährige einen Nähkurs besucht, und Miraculous ist längst nicht mehr ihre Lieblingsserie. „Ich gucke jetzt My little Pony“, sagt das Mädchen aus Knittkuhl, und wie es der Zufall so will, kann ihr Lieblings-Pony mit dem Namen Rarity auch nähen.

Aus ihrem Hobby hat die Drittklässlerin jetzt ein kleines Geschäft gemacht. Als sie zu Beginn der Corona-Krise die ersten Menschen mit Gesichtsmaske sah, „fand ich die so langweilig“, sagt Lina-Sophie, die die Idee hatte, selber Mundschutze zu machen. Erst für sich, ihre Eltern und den kleinen Burder Linus-Jan. Weil die Neunjährige im Moment nicht in die Schule geht und ihre Freunde nicht treffen darf, hat sie jede Menge Zeit. Eine lange Bestelliste kramt sie raus mit den Aufträgen, die sie schon abgearbeitet und die sie noch vor sich hat. Einer der ersten, der zwei Bedeckungen bestellte, war ihr Klassenlehrer. Blau mit Punkten, rosafarbene mit pinken Tupfen oder geblümte Exemplare gibt es bei Lina-Sophie gegen eine kleine Spende, inzwischen ist die halbe Nachbarschaft mit den hübschen Masken versorgt.

Ein bisschen Hilfe bekommt sie von Mama Claudia, beim Zuschneiden des Stoffs, beim Einfädeln und beim Bügeln. Den Rest macht Lina-Sophie allein, sitzt stundenlang an ihrem Schreibtisch in ihrem Kinderzimmer, das voll ist mit My Little Pony. Wenn Lina-Sophie mal groß ist, will sie Modedesignerin werden, einen eigenen Laden haben und Kleider nähen. Vielleicht leistet sie sich dann auch ein oder zwei Angestellte, „aber nicht zu viele“, sagt sie. Das würde zu teuer werden.

60 Mundbedeckungen hat die Grundschülerin in den letzten Wochen genäht, „wir dachten am Anfang, dass wir zwei, drei machen“, sagt Claudia von Bülow, die einen kurzen Aufruf bei Facebook postete und viel Feedback bekam. Von den Spenden hat sich Lina-Sophie Playmobil gekauft und Ohrclips, ein paar Euro sind noch in ihrer Spardose, von denen sie neue Gummibänder für die Masken holen wird. „Die sind sehr gefragt“, sagt Claudia von Bülow, die wie Lina-Sophie hofft, dass das Leben bald wieder ein bisschen normaler wird. „Dann mache ich als erstes eine Übernachtungsparty mit meinen Freundinnen“, sagt die Neunjährige.

 Rund um die Uhr sitzt Reinhard Dobner inzwischen an seiner Nähmaschine und fertigt den begehrten Nasen- und Mundbehelfsschutz an.

Rund um die Uhr sitzt Reinhard Dobner inzwischen an seiner Nähmaschine und fertigt den begehrten Nasen- und Mundbehelfsschutz an.

Foto: Marc Ingel

Früher hat Reinhard Dobner für ein großes Unternehmen Schulen mit neuem Mobiliar ausgestattet, 35 Jahre lang. Von seinem Vater hat er aber zuvor das Handwerk des Raumausstatters gelernt, was bedeutet, er kann nähen und schneidern. Jedenfalls ist der Gerresheimer inzwischen 75 Jahre alt, hat sich zur Ruhe gesetzt, das Nichtstun ist ihm jedoch ein Gräuel. In der Basilika St. Margareta engagiert er sich als Kirchenwächter. Bei Bedarf unterstützt er auch das Pfarrbüro bei kirchlichen Presseveröffentlichungen. Ausgelastet ist der agile Senior deswegen aber noch lange nicht.

Mit dem Ausbruch der Corona-Pandemie und dem Mangel an Mundbedeckungen begann für Dobner eine neue Phase des ehrenamtlichen Engagements. Dem Hausarzt seiner Frau Mechtild fehlte es an ausreichendem Nasen- und Mundschutz in der Praxis. Eine der Arzthelferinnen wusste von dem Geschick Dobners und fragte, ob er als Notlösung nicht einige Masken nähen könnte. Der ließ sich nicht lange bitten. Nun ist es so, dass der 75-Jährige zudem ausgesprochen technikaffin ist. Er besorgte sich also Schnittmuster über das Internet, schaute bei YouTube nach, wie es gemacht wird und nähte ausreichend Masken, so dass der Bedarf in der Arztpraxis schnell gedeckt war.

Das wiederum machte in Gerresheim die Runde. Freunde, Nachbarn, Familie wollten auch so ein schickes Exemplar. „Also setzte ich mich wieder an meine Nähmaschine und nähte weitere Masken, aktuell bin bei gut 70“, erzählt Dobner. Die Verteilung erfolgt über das Fenster mit nötiger Distanz, per Einwurf in den Briefkästen oder auf dem Postweg, Ehefrau Mechthild hilft. „Als mir das Gummiband ausging, habe ich per WhatsApp einen Aufruf gestartet, ruckzuck hatte ich Nachschub“, berichtet Dobner. Als auch das nicht ausreichte, wurde im Internet bestellt. Dort orderte er außerdem ein winzig kleines Bügeleisen, um die Masken zu bügeln. „Der Bedarf ist groß, da muss man sich ja nur mal bei Facebook umschauen“, so der 75-Jährige.

Die Nachfrage im Bekanntenkreis stieg weiter, und so sitzt Opa Reinhard seit mehreren Wochen an seiner Nähmaschine und näht und näht und näht. „Und er macht das alles einfach so. Auch das Material zahlt er aus eigener Tasche. Hin und wieder bekommt er ein kleines Geschenk. Aber für ihn ist es die größte Freude, dass er den Menschen helfen kann“, erzählt Schwägerin Jutta Zelfel. Natürlich überlässt Reinhard Dobner nichts dem Zufall. Viele Nutzer hätten festgestellt, dass ein Gummi zur Befestigung der Maske hinter dem Kopf statt an den Ohren vorteilhaft sei, jetzt versucht er auch diese Wünsche zu befriedigen. „Ich teste das dann immer, wenn ich morgens mit meinem Hund eine Stunde im Wald spazieren gehe“, sagt Dobner.

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