Stadtmitte Kinder sprechen über Obdachlosigkeit

Stadtmitte · Bei einer Lese-Stunde in der Streetwork-Einrichtung "Mobilé" sammelten Kinder Gedanken zu Wohnungslosen.

 In der Streetwork-Einrichtung "Mobilé" befassten sich Kinder mit dem Thema Obdachlosigkeit

In der Streetwork-Einrichtung "Mobilé" befassten sich Kinder mit dem Thema Obdachlosigkeit

Foto: Andreas Endermann

Penner, Landstreicher, Obdachlose. Wohnungslose Menschen gibt es überall: Sie sind auch Teil der kindlichen Lebenswelt. Doch was empfinden Kinder, wenn sie Obdachlose sehen, was denken sie und wie gehen sie mit der Situation um? Bei einer Lese-Stunde in der Streetwork-Einrichtung "Mobilé" las die Ehrenamtlerin Elisabeth Meisels aus einem Kinderbuch über Obdachlose vor und die Streetworker sprachen mit den Kindern über wohnungslose Menschen.

"Darauf gekommen bin ich durch meinen Sohn, der hat öfter mal gefragt, wieso denn da Menschen vor dem Supermarkt sitzen und Zeitungen verkaufen oder betteln", sagt Thomas Tackenberg, Fachbereichsleiter der Drogenhilfe. "Was für uns vielleicht zum alltäglichen Straßenbild dazugehört, wirft bei Kindern Fragen auf. Ein Thema über das gesprochen werden muss." Vorgelesen wurde das Buch "Ein mittelschönes Leben" von Kirsten Boje, welches am Beispiel eines Mannes davon erzählt, wie schnell man in die Wohnungslosigkeit abrutschen kann und wie sich das anfühlt.

Auch die sechsjährige Theresa hat schon öfter Menschen ohne festen Wohnsitz gesehen und sich darüber Gedanken gemacht. "Vor Aldi habe ich einmal einen Bettler gesehen. Ich habe gedacht, wenn der kein Geld hat, dann ist sein Bauch bestimmt ganz leer und er hat Hunger", sagt sie. "Das tat mir Leid. Ich kann ihm gerne etwas von meinem Essen abgeben." Der siebenjährige Matti macht sich ebenfalls Gedanken über Menschen, die auf der Straße leben. "Ich finde das traurig, denn manchmal können die Leute gar nichts dafür. Die armen Männer stehen oft ganz nah beieinander, weil ihnen kalt ist. Das ist mir dann ein bisschen unangenehm, weil ich ja ein Zimmer habe und die nicht."

Während der Lesestunde sollten die Kinder einen Einblick in das Leben wohnungsloser Menschen bekommen, aber auch Fragen stellen können. "Man muss Kindern erklären, dass es nicht allen Menschen gleich gutgeht und dass viele zum Beispiel Zeitungen wie ,fiftyfifty' verkaufen müssen, damit sie überleben können", sagt Tackenberg. "Vielleicht muss man ihnen auch Angst nehmen, Unwohlsein, dass da jemand sitzt, der arm ist, vielleicht auch ein bisschen ungepflegt und angetrunken."

Anfangs waren die anwesenden Kinder verhalten, nach und nach traute sich der Ein oder Andere etwas zu sagen. Matti setzt sich auch sonst mit Obdachlosen auseinander: "Manchmal, wenn ich abends im Bett liege, dann wünsche ich mir ganz fest, dass es keine armen Menschen mehr geben muss", sagt er. "Dafür würden wir Kinder bestimmt alle etwas abgeben."

Das Mobilé gehört zum gemeinnützigen Verein Flingern mobil und ist ein niedrigschwelliges Angebot mit offenen Sprechstunden, das sich an Drogen gebrauchende Menschen mit dem Lebensmittelpunkt Straße wendet. Es dient als Ruhe- und Rückzugsraum aus dem Lebensalltag "Straße", zur Unterstützung und Hilfe in Krisensituationen und bietet Beratung sowie die Möglichkeit der Vermittlung in weiterführende Hilfen. "Das war sicher nicht das letzte Mal, dass wir eine solche Lese-Stunde veranstalten", sagt Tackenberg. "Die Resonanz ist gut und es gibt genug Bedarf."

(KEN)
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