Gastbeitrag Stadtdechant Frank Heidkamp Corona bestimmt unser Leben

Düsseldorf · „Wenn mir Weihnachten jemand gesagt hätte, dass ostern auf der Kippe steht, hätte ich ihm nicht geglaubt“, sagt der kommissarische Stadtdechant Frank Heidkamp. Die Messe in einer gesperrten Kirche zu feiern, ist nicht leicht.

 Die Stadt hat in der City Reklametafeln mit Verhaltensregeln für die Corona-Pandemie ausgestattet.

Die Stadt hat in der City Reklametafeln mit Verhaltensregeln für die Corona-Pandemie ausgestattet.

Foto: dpa/Martin Gerten

In 62 Lebensjahren habe ich eine solche Situation noch nie erlebt: Kitas und Schulen geschlossen, Spielplätze werden zum Sperrbezirk, Versammlungsverbote werden ausgesprochen, Grenzen geschlossen, weltweite Reisewarnungen und, und, und. Wenn mir jemand an Weihnachten erzählt hätte, dass Ostern auf der Kippe steht, hätte ich ihn gefragt, ob er schlecht geträumt hätte. Ein Alptraum, erschreckend, schockierend, ängstigend. Als ich am Sonntag als Priester in einer leeren Kirche die Hl. Messe ohne Gemeinde gefeiert habe, kamen mir die Tränen. Das alles macht einfach nur traurig. Jeder Tag mit neuen Hiobsbotschaften.

Menschen fragen sich, was kommt noch alles? Wie sieht unsere Zukunft aus? Bricht alles zusammen? Eines ist klar, die getroffenen Entscheidungen sind wichtig und notwendig. Es gilt die Ausbreitung des Virus mit allen Mitteln zu verlangsamen, ältere Menschen und Menschen mit Vorerkrankungen zu schützen. Es ist eine Extrem-Situation.  NRW-Ministerpräsident Laschet hat vollkommen recht, wenn er sagt: „Es geht um Leben oder Tod“, und der französische Staatspräsident Macron bezeichnet die jetzige Situation mit den Worten: „Wir sind im Krieg.“

Was wir nicht brauchen, sind Panikreaktionen oder eine Verharmlosung. Corona-Partys, Großgruppen-Picknick, Hamsterkäufe sind unverantwortlich und egoistisch. Die Reduktion aller sozialen Kontakte muss an erster Stelle stehen. Geschockt war ich von einem Filmbericht aus einer Intensivstation in Italien. Eingeliefert wurden ein 80-  und ein 52-Jähriger und nur noch ein Intensivbett stand zur Verfügung, die Entscheidung fiel zugunsten des Jüngeren aus. Einen Tag später ist der 80-Jährige gestorben. Solche Vorsortierung in Notaufnahmestationen brauchen wir in Deutschland nicht, dazu darf es nicht kommen.

Aber Angst war noch nie ein guter Ratgeber. Nur mit Besonnenheit und Solidarität kommen wir weiter. Was heißt das konkret? Den Anweisungen der Experten im Bund und in den Ländern sollten wir auf alle Fälle folgen. Es ist wichtig, die Hygienevorschriften ernst zu nehmen. Menschen in Alten- und Pflegeheimen dürfen nicht allein gelassen werden. Wir dürfen sie im Moment nicht besuchen, aber wir können mit ihnen telefonieren, ihnen schreiben. Menschen, die Hilfe brauchen, z.B. beim Einkaufen, könnten hier gute Helfer sein. In diesem Zusammenhang ist es wichtig, all diejenigen zu unterstützen und denen Dank zu sagen, die schon jetzt Außergewöhnliches leisten in der Betreuung der bereits Infizierten, nämlich den Ärzten und dem Pflegepersonal in Krankenhäusern und Pflegeheimen.

Und die Kirchen? Zwar sind alle Hl. Messen für die nächste Zeit abgesagt, aber trotzdem sind wir weiter für die Menschen da. Seelsorgerinnen und Seelsorger stehen für Gespräche und für die Begleitung von Sterbenden zur Verfügung, die Kirchen sind für das Gebet, das Innehalten und das Entzünden von Kerzen geöffnet, die Hl. Messen u.a. aus dem Kölner Dom werden gestreamt. Jeden Abend werden ab sofort um 19.30 Uhr alle Glocken der Kirchen läuten, um sie zum Gebet einzuladen. In St. Maria Rosenkranz gibt es auch weiterhin die Lebensmittelausgabe, Sekretärinnen, Kirchenmusiker und Seelsorger sichern die Ausgabe ab. Viele Haupt- und Ehrenamtliche stehen für Hilfen und Botendienste zur Verfügung.

Nur gemeinsam bewältigen wir diese Notsituation. Es kommt auf jeden Einzelnen an. Lassen wir uns nicht von all dem Negativen runterziehen. In einem Sprichwort heißt es: „Was schimpfst du auf die Dunkelheit, zünde lieber ein Licht in der Dunkelheit an.“ Was haben wir nicht alles in Deutschland in den letzten Jahrzehnten geschafft und aufgebaut. Nach dem 2. Weltkrieg lag alles in Schutt und Asche. Und was ist Tolles daraus geworden! Die Stürme Kyrill und Ela haben vieles verwüstet. Und trotzdem ist alles wieder aufgeblüht! Für Keinen ist es einfach, aber gemeinsam und mit Gottvertrauen werden wir auch diese schwierige Situation überstehen. Der Theologe Dietrich Bonhoeffer hat kurz vor seinem Tod geschrieben: „Von guten Mächten wunderbar geborgen, erwarten wir getrost, was kommen mag. Gott ist mit uns am Abend und am Morgen und ganz gewiss an jedem neuen Tag.“ Nur ein solcher Optimismus hilft weiter.

Autor Frank Heidkamp ist Pfarrer der Gemeinde Düsseldorfer Rheinbogen und kommissarischer Stadtdechant

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