Historie in Düsseldorf Die lange Geschichte der Heerdter Schützen

Düsseldorf · Der St. Sebastianus Schützenverein Heerdt feiert an diesem Wochenende sein Schützenfest – und das wird zum 450-jährigen Bestehen ein außergewöhnliches. Es ist eine fast 200 Seiten dicke Festschrift erschienen.

 1977: Uwe Wallbaum und Freddy Kadagies tragen den neuen Jungschützenkönig Robert Hansen

1977: Uwe Wallbaum und Freddy Kadagies tragen den neuen Jungschützenkönig Robert Hansen

Foto: Heerdter Schützen

Es gibt Vereine, die sind stolz darauf, wenn sie ihren 100. Geburtstag feiern dürfen – und das natürlich vollkommen zurecht. Dann aber wiederum weisen Vereine bisweilen eine Historie auf, die mehrere Jahrhunderte zurückreicht – wie der St. Sebastianus Schützenverein Heerdt, der an diesem Wochenende sein Schützenfest feiert – und das wird zum 450-jährigen Bestehen in der Tat ein außergewöhnliches.

Aus diesem Anlass ist eine Festschrift erschienen, fast 200 Seiten dick, mit vielen historischen und aktuellen Fotos, hochwertig produziert, denn wie der 1. Chef Andreas Bahners verrät, hat allein der Druck pro Exemplar (500 gibt es vorerst insgesamt) 19 Euro gekostet. „Wir haben bestimmt ein halbes Jahr dafür investiert, auch wenn es keine durchgängige, dafür aber voll umfänglich ehrenamtliche Arbeit war“, berichtet Bahners.

Jedenfalls haben sich die Schützen in Heerdt ihr Geburtsjahr nicht ausgedacht. Es ist verbürgt und findet sich in einer 1657 vom damaligen Heerdter Pfarrer Otto Alberti angelegten Handschrift, dem sogenannten Bruderschaftsbuch, wieder, in der über viele Jahrzehnte wichtige Informationen zur St. Sebastianus Bruderschaft notiert und somit festgehalten wurden. Das Buch gehört zu den Beständen des Stadtarchivs.

 Diese Aufnahme stammt aus dem Jahr 1951. Bei der Sonntagsparade steht in der vorderen Reihe der damalige Schützenchef Michael Bahners (2.v.r.).

Diese Aufnahme stammt aus dem Jahr 1951. Bei der Sonntagsparade steht in der vorderen Reihe der damalige Schützenchef Michael Bahners (2.v.r.).

Foto: Heerdter Schützen

Zwei Autoren haben sich die Arbeit an der aktuellen Chronik aufgeteilt. Den Blick ganz weit zurück warf Norbert Schloßmacher (bis zum Jahr 1838), die „neuere“ Geschichte ab 1910 (dazwischen klafft eine Lücke) übernahm Klaus Bahners, Vater des aktuellen Chefs. Außerdem hat sich das Frauen-Trio Katrin Bauer, Andrea Graf und Lisa Maubach ganz allgemein mit dem Schützenwesen beschäftigt – vom Schützenfest als Auszeit bis zum Schützenwesen als immaterielles Kulturerbe.

Natürlich lässt sich an dieser Stelle nicht fast ein halbes Jahrtausend in wenigen Sätzen zusammenfassen, daher ist der Fokus auf die Anfangsjahre womöglich besonders ergiebig. Und so erfährt der Leser zum Beispiel, dass die Wurzeln des Schützenwesens wohl gegen Ende des 13. Jahrhunderts in Flandern zu suchen sind – Verteidigung der Heimat, Nächstenliebe und Geselligkeit galten als die maßgeblichen Motive, zwei davon haben bis heute nicht an Gültigkeit verloren. Die Bewegung erreichte im 15. Jahrhundert das Rheinland, und der Blick nach Neuss verrät, dass damals noch von Belang war, ob man sich im Ernstfall wehrhaft zu verteidigen wusste. Denn aufgenommen wurden nur solche Männer, die eine Armbrust besaßen und zu bedienen wussten. In Düsseldorf wiederum besaß die 1435 gegründete Sebastianus-Bruderschaft (trotz Vogelschießen) einen vorwiegend religiösen Charakter.

 Bereit in Uniform fürs Gruppenfoto: die Schützenlust von 1913.

Bereit in Uniform fürs Gruppenfoto: die Schützenlust von 1913.

Foto: Heerdter Schützen

Aber wie war’s denn nun in Heerdt? Schloßmacher bezieht sich auf die Aufzeichnungen jenes Pfarrers Otto Alberti, der auch bei den Heerdter Sebastianern eine klare Hinwendung zur Kirche erkannt hat. Große Feste wurden schon deswegen nicht gefeiert, weil die Einwohnerzahl gering war. Erste verlässliche Zahlen stammen aus dem Jahr 1744 und weisen für das gesamte Kirchspiel (also die Pfarrei) Heerdt mit den Ortschaften Lörick sowie Nieder- und Oberkassel gerade einmal 711 Menschen auf, in Heerdt waren es nur 163, überwiegend Bauern. Geistliches wie kulturelles Zentrum war die Pfarrkirche – dort wo heute die Benediktuskirche steht. Stark beeinflusst war das Leben in diesen Jahren vom Truchsessischen Krieg in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts, der auch Heerdt tangierte und keine großen Feierlichkeiten zuließ.

 Uwe Wallbaum und Freddy Kadagies tragen 1977 den neuen Jungschützenkönig Robert Hansen.

Uwe Wallbaum und Freddy Kadagies tragen 1977 den neuen Jungschützenkönig Robert Hansen.

Foto: Heerdter Schützen

Das ist heute natürlich anders und davon kann auch Karl-Josef Keil ein Lied singen. Das Ehrenmitglied der Heerdter Schützen und ehemalige Ratsmitglied hat einige Anekdoten aus seiner Kindheit in der Nachkriegszeit niedergeschrieben, diese sind in einem separaten Büchlein erschienen, das jetzt beim Schützenfest sicher auch eine Rolle spielen wird. Dabei geht es nicht immer amüsant zu, aber eben doch immer wieder mal: Etwa, wenn Keil berichtet, wie er als neugieriger Messdiener mit seinen Freunden unbedingt in den Turm der im Krieg zerstörten Benediktuskirche klettern wollte – und Keil prompt abschmierte. Das gab am nächsten Tag von Fräulein Fuhrmann, der Rektorin in der Schule, eine Strafpredigt und zwei Backpfeifen – und später von der Mutter noch Ohrfeigen und Hausarrest dazu.

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