Heerdt Schüler erinnern an Jugend in der Nazi-Zeit

Heerdt · Wie sah der Alltag von Jugendlichen während des Dritten Reiches aus? Diese Frage stellten sich jetzt die Schüler des Rather Modells Süd und präsentieren die Ergebnisse ihrer Arbeit in einer Ausstellung in der Bunkerkirche.

 Schüler des Rather Modells Süd, darunter Scarlett Burkowski, Maren Keiser und Kai Wilhelmi (v.l.), haben sich mit der Zeit des Nationalsozialismus auseinandergesetzt und für die Bunkerkirche eine Ausstellung entwickelt.

Schüler des Rather Modells Süd, darunter Scarlett Burkowski, Maren Keiser und Kai Wilhelmi (v.l.), haben sich mit der Zeit des Nationalsozialismus auseinandergesetzt und für die Bunkerkirche eine Ausstellung entwickelt.

Foto: Andreas Endermann

Dunkel und kalt ist es in den engen Gängen und Zellen im Keller der Bunkerkirche. Die Luft ist ein bisschen modrig. Während über den alten Zellen heute Gottesdienst und Eucharistie gefeiert werden, ist hier unten noch die Atmosphäre spürbar, als das Gotteshaus ein Luftschutzbunker im Zweiten Weltkrieg war.

Doch wer dieser Tage den Keller der Kirche besucht, wird noch aus einem anderen Grund eine Gänsehaut bekommen: Das Dritte Reich scheint in die Zellen zurückgekehrt zu sein. Unter dem Titel "Kinder- und Jugendzeit in Düsseldorf 1933-1945" präsentieren dort Schüler des Rather Modells Süd, einem Schulverweigerer-Projekt, die Ergebnisse ihrer Auseinandersetzung mit dem dunkelsten Kapitel Deutscher Geschichte.

"Der Nationalsozialismus ist noch immer ein Problem in unserer Gesellschaft. Es gibt immer noch Rechtsradikale, die Geschichte wurde noch nicht verarbeitet. Deshalb war es uns wichtig, uns mit dem Thema auseinanderzusetzen", sagt Roland Kühler, Projektleiter vom Rather Modell. Als vor etwa einem Jahr ein Neo-Nazi zur Schülergruppe des Projektes Süd dazustieß, beschlossen Schüler und Lehrer, sich mit der Jugendzeit im NS-Regime zu beschäftigen. Seither wälzten die 18 Teilnehmer im Alter von 15 bis 17 Jahren Geschichtsbücher, besuchten ehemalige Konzentrationslager, interviewten Zeitzeugen, suchten nach Ausstellungsstücken und bastelten am Aufbau der Schau.

Mit Erfolg: Jede Zelle im Keller der Bunkerkirche erzählt vom Alltag junger Menschen während des Zweiten Weltkriegs. Ein Kellerraum etwa zeigt, wie Schule im NS-Regime aussah. Statt Mathe und Deutsch stand Rassenlehre auf dem Stundenplan. In einer anderen Zelle sind Tonaufnahmen von Bombenangriffen zu hören. Und der letzte große Ausstellungsraum schließlich zeigt den Transport jüdischer Bürger in das Konzentrationslager Auschwitz-Birkenau.

Den Schülern des Rather Modells war es ein persönliches Anliegen, sich mit dem Thema auseinanderzusetzen — das wird bei der Ausstellung deutlich, die bis ins kleinste Detail versucht, so authentisch wie möglich zu wirken. "Meine Oma hat mit mir schon öfter über den Krieg gesprochen und wie schlimm alles war. Deshalb wollte ich mich auch einmal selbst damit befassen", sagt Scarlett Burkowski.

Die 19-Jährige gehört zu den Teilnehmern der Ausstellung und hat vor allem Zeitzeugen befragt. "Besonders erschreckt hat mich im Laufe unserer Arbeit die Masse an Menschen, die ausgegrenzt wurde, und die Masse, die dabei wiederum mitgemacht hat. Dieses Ausmaß hatte ich so noch nicht gekannt", sagt sie. Auch dem 17-jährigen Kai Wilhelmi war es wichtig, am Projekt teilzunehmen: "Ich bin politisch eher links orientiert. Aber wir haben eine Vergangenheit mit der wir uns auseinandersetzen müssen", sagt er.

So schien auch kaum ein Ort für die Ausstellung der Schüler besser geeignet zu sein als die Bunkerkirche als Überbleibsel aus der Nazi-Zeit. Das findet auch Bruno Kammann vom Freundeskreis Friedensort Bunkerkirche, der den alten Bunker als Kunst- und Kulturort fördert: "Für mich ist diese Ausstellung auch eine Reise in meine eigene Jugend. Ich habe den Krieg in Düsseldorf miterlebt, und als ich durch die Zellen gegangen bin, habe ich einiges wiedererkannt. Das hat mich beeindruckt", sagt er.

Die Ausstellung der Schüler des Rather Modells will die Deutsche Geschichte darstellen und gegen das Vergessen wirken. Und sie will vor allem jungen Menschen zeigen, was es bedeutet, Kind zu sein inmitten von Bomben und Fremdenhass.

(lai)
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