Stadtteilgeschichten 2500 Essen gehen täglich raus

Hassels · In der Werkstatt für angepasste Arbeit muss täglich ein Kompromiss zwischen Leistung und Rücksicht gefunden werden.

 Ulrich Knoben (rechts) und sein Mitarbeiter Martin Debell in der Großküche, wo täglich 2500 Mahlzeiten zubereitet werden.

Ulrich Knoben (rechts) und sein Mitarbeiter Martin Debell in der Großküche, wo täglich 2500 Mahlzeiten zubereitet werden.

Foto: RP/Dominik Schneider

Das Schnitzel schmeckt gut. Goldbraun ist es, wie es sich gehört, dazu gibt es Spätzle mit Soße. Das Schnitzel stammt aus einer Großküche in Hassels, wo täglich hunderte davon gebraten werden – aber nicht ausschließlich von ausgebildeten Köchen und Küchenangestellten, sondern von Menschen mit Behinderung. Die Großküche der Werkstatt für angepasste Arbeit (WfaA) ist für manche von ihnen eine dauerhafte Beschäftigung, für manche eine Vorbereitung auf den Schritt in den ersten Arbeitsmarkt.

Organisiert und geleitet wird die Großküche von Ulrich Knoben. Der 57-Jährige ist gelernter Koch und arbeitet seit sieben Jahren in der WfaA. Die Arbeit mit den 21 beschäftigten Menschen mit Behinderung stellt ihn vor organisatorische Herausforderungen: „Die Menschen leisten hier angepasste Arbeit“, sagt Knoben, „sie können und sollen nicht das leisten, was auf dem ersten Arbeitsmarkt verlangt wird.“ Dennoch haben Knoben und seine Küche ihr Soll zu erfüllen. 2500 Essen müssen täglich zubereitet werden, 1200 davon werden werkstattintern serviert, der Rest wird an Schulen, Kliniken und andere Einrichtungen geliefert. „Wir werden bezahlt und müssen liefern, wie jeder andere Catering-Service auch, das ist manchmal ein schwieriger Spagat“, macht Knoben klar.

Dennoch läuft vieles anders in der Großküche der WfaA. Ulrich Knoben hat deutlich mehr Personal zur Verfügung, als es ein regulärer Betrieb ähnlicher Ausmaße hätte. Die Menschen mit Behinderung arbeiten in Teams, die je von einem Gruppenleiter angeleitet werden. „Das sind Menschen mit und ohne Behinderung, ausgebildete und speziell geschulte Fachkräfte, bei uns in der Regel Köche“, erzählt Knoben. Auch in den anderen Zweigstellen der WfaA wird nach diesem Prinzip gearbeitet.

Die Menschen, die in der Küche tätig sind, haben Behinderungen unterschiedlicher Art und Schwere: körperlich, geistig, aber auch psychische Erkrankungen. „Die ganz schweren Fälle haben wir hier allerdings nicht“, sagt Knoben. Aus Sicherheitsgründen, denn immerhin wird in der Küche mit scharfen Messern und heißen Kochgeräten gearbeitet.

In der Großküche gibt es kein festes Arbeitspensum, jeder wird so eingesetzt, wie es ihm möglich ist. „Es ist immer von der Tagesform abhängig, was jemand leisten kann“, berichtet Knoben. Das stellt ihn als Organisator in der Praxis immer wieder vor Herausforderungen, denn am Ende muss die Arbeit trotzdem gemacht werden. „Aber die Rücksicht auf unsere Angestellten steht natürlich immer an erster Stelle“, sagt der Küchenleiter.

Seine Mitarbeiter kommen meist auf private Initiative oder den Vorschlag von Angehörigen in die WFAA – häufig nach einem Schulabschluss, manchmal auch aus dem Berufsleben. Zunächst werden sie angelernt. Knoben kategorisiert seine Angestellten: „Das sind Menschen, die gar nicht, noch nicht oder nicht mehr auf dem ersten Arbeitsmarkt zurecht kommen.“ In der Werkstatt wird mit jedem Mitarbeiter individuell ein Förderziel festgelegt: Das kann eine Produktivitätssteigerung sein, oder die Qualifikation für eine neue Arbeit. Gemeinsam mit ihren Betreuern arbeiten die Angestellten dann an ihren Zielen.

Auch Geld gibt es für die Tätigkeit in der Großküche, allerdings nicht viel. 350 Euro im Monat nennt der Leiter als Orientierung, allerdings hängt diese Bezahlung auch von der erbrachten Leistung ab. „So gut wie alle unserer Mitarbeiter leben von gesetzlicher Grundsicherung, und wenn sie über ein bestimmtes Lohn-Niveau kommen, fällt die weg. Das wäre für unsere Leute fatal“, erklärt Knoben.

Häufig wird der WfaA vorgeworfen, eine Sackgasse zu sein für die Menschen, die dort arbeiten. Knoben kennt diese Aussagen, weist sie jedoch entschieden von sich. „Im Gegenteil, wir helfen jedem, der versucht, außerhalb der Werkstatt Fuß zu fassen. Aber man muss auch realistisch sein: Einige unserer Angestellten werden es auf dem ersten Arbeitsmarkt nicht schaffen“, sagt er. Es hänge jeweils von Art und Schwere der Einschränkung ab, ob die WfaA eine Dauerlösung sei oder nicht. „Bei uns ist die Arbeit die selbe wie draußen, nur menschlich ist es anders“, sagt Ulrich Knoben. Diejenigen, für die Aussicht aus Gesundung besteht, können in der WfaA auch eine Berufsausbildung machen.

Personalmangel hat Ulrich Knoben dennoch nicht zu fürchten: Es gibt viele Interessenten für die Arbeit in der WfaA. „Die Kapazität ist eher durch die räumlichen Gegebenheiten begrenzt als durch die Zahl der Mitarbeiter“, sagt er. Vor kurzem hat seine Großküche neue Aufträge angenommen. 400 Essen mehr pro Tag, die nach Mettmann gehen. „Das war ein hartes Stück Organisation“, sagt Knoben. „Aber es hat sich jetzt eingespielt und läuft wunderbar.“

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