Kindheitstraum Ein Leben für die Carrerabahn

Gerresheim · Der Gerresheimer Tobias Cremer hat mit den Rennbahnen im Miniaturformat vor 25 Jahren ein florierendes Unternehmen gegründet.

 Tobias Cremer an der Carrerabahn, die er in seinem Haus am Poth in Gerresheim aufgebaut hat. Die können Interessierte mieten und Rennen fahren.

Tobias Cremer an der Carrerabahn, die er in seinem Haus am Poth in Gerresheim aufgebaut hat. Die können Interessierte mieten und Rennen fahren.

Foto: Marc Ingel

Rund 50 Carrerabahnen besitzt Tobias Cremer, dazu 2000 Mini-Autos. Es waren mal mehr, in der goldenen Zeit, als Schumi für einen Boom im Motorsport sorgte, und der Gerresheimer mit seiner Geschäftsidee, die er vor 25 Jahren entwickelte, richtig gutes Geld verdiente. Cremer packte seine Carrerabahn ein und baute sie bei Weihnachtfeiern und Firmenevents in ganz Deutschland und darüber hinaus von Mallorca bis Monaco auf. Er war bei Automobilmessen und richtigen Autorennen an der Boxengasse, bei der Berlinale und der Popkomm, an die 200 Veranstaltungen kamen so im Jahr zusammen.

Inzwischen ist es etwas ruhiger geworden, vielleicht noch fünfmal im Monat wird der 50-Jährige gebucht. Aber Cremer hat seine Schäfchen auch weitestgehend im Trockenen, am Poth in Gerresheim ein Haus gekauft, im Erdgeschoss sein eigenes Reich eingerichtet, natürlich mit einer Carrerabahn im Mittelpunkt und vielen kleinen Autos, die mehrere Vitrinen füllen. Auch hierhin lädt er gerne Carrera-Fans ein, die sich heiße Rennen liefern und unter Beweis stellen, dass in jedem Mann immer noch ein Kind schlummert, das diebischen Spaß an Spielzeug hat.

 An die 2000 Modellautos hat Tobias Cremer in seinen Vitrinen.

An die 2000 Modellautos hat Tobias Cremer in seinen Vitrinen.

Foto: Marc Ingel

Tobias Cremer war neun Jahre alt, als er von seinen Eltern zu Weihnachten die erste Carrerabahn geschenkt bekam. „114 Mark plus 39 Mark für den Trafo. Ich durfte sie mir selber aussuchen, wochenlang musste ich dann bis zur Bescherung auf den Karton auf dem Schlafzimmerschrank starren, ich weiß das noch, als wäre es gestern gewesen“, erzählt er. Es sollte ein Nachbau des Hockenheim-Rings sein, mit Steilkurve, „in Wirklichkeit war es natürlich nur eine kleine Acht, dazu zwei Autos“, so Cremer. Dann ging auch noch einer der Wagen kaputt, „ein Drama“. Der Neunjährige besorgte sich einen Lötkolben und reparierte das Gefährt. „Das mache ich bis heute, gebrauchte Autos kaufen und reparieren.“

 Jede Figur hat ihre Funktion: Die hilft beim Reifenwechsel.

Jede Figur hat ihre Funktion: Die hilft beim Reifenwechsel.

Foto: Marc Ingel

Wie besessen waren er und seine Freunde in der Folgezeit, führten 1000-Runden-Rennen durch, bauten Bahnen ab und neue wieder auf. Die Klammern, die die einzelnen Streckenteile zusammenhalten, verstopften den Staubsauger der Mutter, kistenweise stapelte sich Carrera-Zeugs auf dem Dachboden in Lintorf, „mein Vater bekam die Krise“. Dennoch entschied sich Cremer dazu, etwas „Vernünftiges“ zu lernen: „Duales Studium – Kfz-Lehre, Groß- und Einzelhandelskaufmann, BWL. Für einen Job im Autohaus. Ich wusste nur: Genau das wollte ich auf keinen Fall machen.“ Cremer schaffte die Abschlussprüfung mit Ach und Krach, kündigte und nahm sich ein halbes Jahr Auszeit.

 Das Salz in der Suppe von Carrera-Fans: die Zuschauer am Streckenrand.

Das Salz in der Suppe von Carrera-Fans: die Zuschauer am Streckenrand.

Foto: Marc Ingel

Durch Zufall kam er nach Düsseldorf, bezog eine Wohnung an der Hüttenstraße, 26 Quadratmeter klein. „Ich hatte kein Geld und keine sozialen Kontakte, nur so eine Art Idee“, blickt er zurück. In Menzels Lokschuppen, dem Paradies für Freunde von Modellautos und -bahnen in der Stadt, machte er, wieder so ein Zufall, die Bekanntschaft eines Carrera-Vertreters. Der vertraute Cremer an, dass es durchaus Anfragen nach „Carrera-Partys“ gebe, die würden aber alle bei dem Unternehmen in der Tonne landen. „Das war die Initialzündung.“

 Reminiszenz an Michael Schumacher: Auch der hat mal in einem Kart angefangen.

Reminiszenz an Michael Schumacher: Auch der hat mal in einem Kart angefangen.

Foto: Marc Ingel

Er mietete an der Bellscheidtstraße in Gerresheim einen ehemaligen Friseurladen mit Wohnung und Garten an, knüpfte, nachdem das Geschäft anfangs eher so dahinplätscherte, auf der Motorshow in Essen die richtigen Kontakte, „plötzlich standen die bei mir bis auf die Straße“, sagt Cremer. Durch Ebay und Amazon verlor der Handel zwar zunehmend an Bedeutung, „die Carrera-Events schossen dagegen durch die Decke“. Dennoch öffnete er jeden Tag von 15 bis 18 Uhr sein Geschäft, auch wenn er am Morgen noch in München eine Bahn aufgebaut hatte. „Das Leben rauschte nur so im Flug an mir vorbei“, sagte der 50-Jährige.

 Auf vier Spuren können die kleinen Flitzer Überholmanöver ansetzen.

Auf vier Spuren können die kleinen Flitzer Überholmanöver ansetzen.

Foto: Marc Ingel

2002 folgte der Umzug zu der Adresse Am Poth, Cremer gründete eine Familie, ist nun froh, dass alles ein Nummer ruhiger geworden ist. Auf seine Geschäftsidee ist er schon ein wenig stolz, weil er auch einen Nerv getroffen hat. „Bei den Rennen kann der kleine Angestellte dem Chef mal so richtig zeigen, was eine Harke ist.“ Und beide können für ein paar Stunden wieder zusammen Kind sein. So wie der neunjährige Tobias Cremer, als er 1977 seine erste Carrerabahn anstrahlte.

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