Gerresheim Die alte Flasche

Gerresheim · Peter Schulenberg hat bei einem Antiquitätenhändler eine Rarität erstanden. Die Glasflasche wurde vor 1880 produziert und ist damit das wohl älteste noch erhaltene Exemplar aus der Gerresheimer Glashütte.

Im Internet findet sich vieles: Schnäppchen, Raritäten, Kuriositäten, ziemlich Nutzloses, aber auch durchaus Wertvolles - wenn man denn gezielt danach sucht. Gaby und Peter Schulenberg vom Förderkreis Industriepfad Düsseldorf-Gerresheim (FKI) tun das hin und wieder gerne, wenn es um die Aufarbeitung der Geschichte des Stadtteils geht. Vor allem die 2005 geschlossene Glashütte hat es dem Paar angetan. Erst recht, nachdem im Dezember 2014 bei den Sanierungsarbeiten für das neue Glasmacherviertel in einem ehemaligen Luftschutzbunker 8000 alte Flaschen aus der Produktion der Glashütte gefunden wurden - mehr oder weniger zufällig.

Zufall sei es letztendlich auch gewesen, dass Peter Schulenberg bei seinen Recherchen in entsprechenden Foren bereits Anfang des vergangenen Jahres bei einem Antiquitätenhändler auf eine Flasche stieß, die ihn sofort faszinierte, denn sie schien offensichtlich aus einer sehr frühen Produktionsperiode der Glashütte zwischen 1870 und 1880 zu stammen. Schulenberg erstand das Exemplar, ließ sich aber ein Jahr Zeit, um zusammen mit dem Experten Otfried Reichmann die Flasche intensiv zu untersuchen und erst jetzt mit dem Fund an die Öffentlichkeit zu gehen. "Da muss man sich schon absolut sicher sein, sonst kann der Schuss schnell nach hinten losgehen", sagt Schulenberg, der sich mittlerweile aber traut, zu sagen: "Es ist sehr wahrscheinlich, dass es sich um die älteste noch existierende Flasche aus der Produktion der Glashütte handelt."

Die dunkelgrüne Glasflasche hat eine Höhe von 28,3 Zentimeter und einen Durchmesser von 9,3 Zentimeter. Ihre handwerkliche Herstellung lässt sich noch sehr gut erkennen. Ihr schlanker Hals ist leicht gebaucht, die Mündung mittels eines Glastropfens und einer sogenannten Mündungszange separat aufgesetzt. Der Flaschenkörper ist mit der Glasmacherpfeife in einer Holzform geblasen und dabei leicht gedreht worden, so dass sich auf dem bis zu drei Millimeter dicken Glas leichte Querriefen gebildet haben. "Die chemischen Verunreinigungen und Verfärbungen deuten darauf hin, dass die Flasche nicht irgendwo in einem Schrank gestanden hat, sondern zum Beispiel in einem Keller gelagert wurde", so Schulenberg.

Eine Besonderheit der Flasche: Auf ihrer Schulter befindet sich ein Glassiegel mit der Aufschrift "Glasfabrik Gerresheim 1/1 Litre". Das war für Schulenberg und Reichmann ein Indiz dafür, dass dieses Exemplar sehr frühen Ursprungs ist. "Nur bis kurz nach 1900 hieß es Glasfabrik, danach dann Glashütte", erklärt Schulenberg.

Die Flasche ergänzt jetzt die bereits gesicherte Mustersammlung der Gerresheimer Glashütte, die 2014 durch den FKI bei Sanierungsarbeiten auf dem Gelände des Neubaugebiets gerettet werden konnte. Diese Sammlung umfasst mehr als 8000 Musterflaschen und Behälter unterschiedlicher Größe. Vermutlich ab 1956 bis in die 70er Jahre hinein wurden in dem ehemaligen Luftschutzkeller sämtliche Flaschentypen, die in der Glashütte produziert wurden, gut sortiert in Regalen archiviert. Von Hand beschriftete Etiketten kennzeichnen die Produktionsmuster.

An den Glasbehältern selbst lässt sich zum Beispiel ablesen, dass die Glashütte die großen Getränkemarken jener Zeit beliefert hat. Auch Coca Cola war über Jahrzehnte Abnehmer der Flaschen aus Gerresheim. Allein für Granini wurde mehr als eine Milliarde Flaschen gefertigt. In der vergessenen Schatzkammer befanden sich darüber hinaus Muster für Marken wie Maggi oder Underberg, Sinalco oder Puschkin-Wodka. Die klassischen Bier-Bügelflaschen wurden ebenfalls an der Heyestraße produziert. Auch Wein und Essigessenz kam in Flaschen aus Gerresheim ins Geschäft. Nicht zuletzt wurden in dem Kellergewölbe eine breite Palette von Labor- und Arzneimittelflaschen sowie die klassischen Einmachgläser gefunden.

Diese Schätze aus Glas werden noch immer auf einem Hof durch den FKI sorgfältig erfasst und katalogisiert. Der Fund von Gaby und Peter Schulenberg soll jetzt beim Neujahrsempfang des Vereins am 21. Februar der Öffentlichkeit präsentiert werden. Und natürlich träumt das Paar davon, eines Tages den Schatz in einem Museum - vorzugsweise auf dem Gelände der ehemaligen Glashütte - ausstellen und einer breiten Öffentlichkeit zeigen zu können.

(RP)
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