Mein Laden Vom Nagel bis zur Waschmaschine

Gerresheim · Das Hausgeräte-Fachgeschäft Mulder an der Heyestraße in Gerresheim hat 4000 Artikel im Sortiment.

 Petra Schertel (l.) und Mitarbeiterin Stephanie Henke. Im Geschäft dreht sich gerade viel um Weihnachtsdekoration.

Petra Schertel (l.) und Mitarbeiterin Stephanie Henke. Im Geschäft dreht sich gerade viel um Weihnachtsdekoration.

Foto: Anne Orthen (ort)

Petra Schertel kommt gerade aus Paris zurück. Nicht, dass sie sich dort einen Lenz gemacht hätte. Sie hat vielmehr einen Kunden begleitet, sterbenskrank, einmal wollte er noch den Eiffelturm sehen, morgens hin, abends wieder zurück. „Früher hat er sich um mich gekümmert, jetzt kümmere ich mich um ihn“, sagt Schertel. Das macht man so an der Heyestraße in Gerresheim. Und im Hausgeräte-Fachgeschäft Mulder sowieso. „Kunden sind meist Nachbarn, und Nachbarn sind Freunde“, erzählt die 53-Jährige und schlürft am Latte macchiato, den ihr der nette Kellner vom Café Venezia nebenan selbstverständlich ins Geschäft gebracht hat.

Seit 20 Jahren arbeitet sie bei Mulder, vor zwei Jahren hat Schertel den Betrieb übernommen. Rolf Mulder, der zuvor in dritter Generation in dem Familienbetrieb das Sagen hatte, ist jetzt bei ihr angestellt. „Wir haben als Team immer super funktioniert, und hier gibt’s ja noch genug zu tun, also habe ich einfach weitergemacht. Umsonst arbeiten wollte ich aber auch nicht. So haben wir das Angestelltenverhältnis schlichtweg umgedreht“, sagt der 68-Jährige.

 Im Hintergrund kommt gerade Rolf Mulders Vater Heinz ins Geschäft, vorne im Laden bedient die Oma.

Im Hintergrund kommt gerade Rolf Mulders Vater Heinz ins Geschäft, vorne im Laden bedient die Oma.

Foto: Marc Ingel

Hermann Mulder hat das Geschäft 1919 gegründet, dessen Sohn Heinz hat es 1964 übernommen, 1997 kam Rolf Mulder zum Zug. So viel hat sich in all der Zeit gar nicht geändert, sagt der, „wir haben schon immer Waschmaschinen verkauft, damals noch mit Wassermotor“. Die Propangasflaschen, die Mulder auch heute noch ausliefert, wurden damals noch mit Dreirädern transportiert. Und für Mitarbeiter der nahen Glashütte wurden die Fahrräder repariert. Zumindest von dieser Sparte hat sich das Fachgeschäft inzwischen verabschiedet. Geblieben ist die Vielfalt, rund 4000 Artikel umfasst das Sortiment – vom Kühlschrank über Bügeleisen, Einmachgläser und Tupperdosen, Streusalz und Holzkohle bis hin zu Schrauben und Nägeln, die fein säuberlich nach Größe in Schubladen verstaut sind. Ja, bei Mulder kann man zur Not auch nur einen einzigen Nagel kaufen, aber das ist längst nicht alles, was den Laden von großen Ketten unterscheidet. „Wir nehmen uns Zeit für die Beratung und auch für Probleme mit den Produkten. Und man kann mich abends um 21 Uhr noch anrufen, wenn der Staubsauger nicht funktioniert, dann komme ich raus“, versichert Petra Schertel. Es gibt einen Außendienst, Schreinermeister und Elektromeister helfen, damit alles passt und angeschlossen werden kann, und die Preisetiketten werden sowieso noch alle per Hand aufgeklebt. Außerdem hat das Geschäft von 9 bis 18.30 Uhr durchgehend geöffnet. „Mittagspause gibt es bei uns nicht, wir leben doch nicht in der Steinzeit“, sagt Schertel und fügt launig hinzu: „Wenn ich sonntags nicht arbeiten kann, laufe ich Amok.“

 Als wäre die Zeit stehengeblieben: Bei Mulder sind Schrauben und Nägel akkurat in Schubladen sortiert.

Als wäre die Zeit stehengeblieben: Bei Mulder sind Schrauben und Nägel akkurat in Schubladen sortiert.

Foto: Marc Ingel

Eigentlich hat die gebürtige Dinslakenerin Porzellanfachverkäuferin gelernt, über Umwege kam sie nach Gerresheim, arbeitete anfangs noch in einem Geschäft an der Benderstraße, wurde Mutter, half dann später bei Mulder aus – erst zwei, dann drei Tage, „und plötzlich war ich voll drin und wollte gar nicht mehr raus. Entweder man macht so einen Job mit Herzblut, oder man lässt es ganz sein“. Das verlangt sie auch von ihren Mitarbeitern, Angestellte Tracy Ems hat bei C&A gelernt, „eine  gute Schule. Ich hätte meine Ausbilderin früher ständig köpfen können, heute bin ich ihr dankbar“, sagt Petra Schertel.

 So sahen Waschmaschinen noch in den 1920er Jahren aus.

So sahen Waschmaschinen noch in den 1920er Jahren aus.

Foto: Marc Ingel

In einem separaten Eckgeschäft gibt es bei Mulder die größeren Gerätschaften, im Hauptgeschäft dominiert gerade die Weihnachtsdekoration, dann kommt die „Schraubenecke“, dahinter folgen Lager und Büro. „Das war früher noch die Wohnung der Eltern, in der heutigen Putzecke war die Toilette – kann man sich heute gar nicht mehr vorstellen, oder?“, fragt Rolf Mulder rhetorisch.

Im kommenden Jahr wird bei Mulder 100-Jähriges gefeiert, dann fährt die gesamte Belegschaft beim Veedelszug in Gerrresheim mit. „Zu so einem außergewöhnlichen Anlass muss es schon etwas Besonderes sein“, sagt Petra Schertel.

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