Garath Schüler wollen Abschiebung verhindern

Garath · Der 16-jährige Azim Teymouri besucht die 10. Klasse der Fritz-Henkel-Schule. Nun droht ihm und seiner Familie die Abschiebung nach Afghanistan. Mitschüler und Lehrer versuchen, das mit einer Petition aufzuhalten.

 Azim Teymouri (Mitte) droht die Abschiebung. Neneh Faal (r.) und Lehrerin Sonja Lausberg wollen das mit einer Petition verhindern.

Azim Teymouri (Mitte) droht die Abschiebung. Neneh Faal (r.) und Lehrerin Sonja Lausberg wollen das mit einer Petition verhindern.

Foto: Anne Orthen

Azim Teymouri hat Angst. Dem 16-Jährigen und seiner Familie droht die Abschiebung in sein Heimatland Afghanistan. Seit dem Erhalt des Bescheides kann die Familie nicht mehr ruhig schlafen. Sie hat Angst, dass die Polizei vor der Tür steht und sie abholt. "Jedes Mal, wenn es klopft, zucken wir zusammen", sagt Teymouri. Als seine Klassenlehrerin Sonja Lausberg davon erfährt, schlägt sie ihren Schülern vor, eine Petition zu starten. Seit Dienstag steht diese im Netz.

Für Neneh Faal war sofort klar, dass sie ihrem Mitschüler hilft. Im vergangenen Februar kam Teymouri in ihre Klasse, in die 10b. Die Schüler in dieser Klasse machen den Realschulabschluss an der Hauptschule. "Wir sind Freunde geworden", sagt die 16-Jährige. "Es ist traurig, dass er abgeschoben werden soll. Er hat sich so gut integriert, hat sehr gute Noten und will eine Ausbildung machen."

Lausberg erfuhr von der Situation der Familie beim Elternsprechtag. Teymouris Mutter erzählte ihr von dem Bescheid. "Dann habe ich überlegt, was man machen kann, und kam auf die Idee mit der Petition", sagt die 32-Jährige. Faal wollte sofort helfen. Zusammen mit Teymouri verfasste sie einen Text über sein Leben in Afghanistan, die Flucht nach Deutschland und die Gründe dafür. Seit Dienstag können Bürger aus Nordrhein-Westfalen die Petition auf einer Online-Seite unterzeichnen. Mehr als 1400 Unterschriften waren es gestern gegen 18.30 Uhr. "Wenn wir 5000 haben, dann wende ich mich mit einem Brief an NRW-Ministerpräsident Laschet oder vielleicht sogar an alle Parteien", sagt Lausberg. Sie ist von dem Engagement der Schüler begeistert. Sie teilen nicht nur den Link fleißig in den sozialen Medien, sondern gehen in ihrer freien Zeit in die Fußgängerzone und sammeln dort Unterschriften. "Ich bin beeindruckt, wie sehr sich die Schüler für Azim einsetzen. Alle ziehen an einem Strang", sagt Lausberg. "Auch die, die vorher Vorurteile gegenüber Flüchtlingen hatten, stehen jetzt auf seiner Seite und sammeln Unterschriften. Sie haben ihre Einstellung komplett geändert."

Teymouri ist überwältigt, dass sich seine Mitschüler so für ihn, seine Schwester Fatemeh, die die achte Klasse der Fritz-Henkel-Schule besucht, und seine Eltern einsetzen. Im Februar 2016 begab sich die Familie auf den Weg nach Deutschland. In Afghanistan konnten sie nicht mehr leben. Sie wurden von den Taliban verfolgt. "Meine Schwester durfte nicht zur Schule gehen. Ich wurde in der Schule sehr schlecht behandelt. So wollten sie es schaffen, dass ich zuhause bleibe", sagt Teymouri. Seine Familie gehört zu dem Stamm der Hazare. "Der wird in Afghanistan seit mehr als 100 Jahren diskriminiert", sagt Teymouri. Mehrere Male wurden er und sein Vater von den Taliban festgehalten und gefoltert. Die Taliban sind Sunniten, die Teymouris Schiiten. "Sie denken, dass sie ins Paradies kommen, wenn sie die Hazare vernichten", sagt Teymouri. "Die afghanische Regierung hat uns nicht geholfen, sie will uns nicht im Land haben."

Drei Monate dauerte die Flucht nach Deutschland, sieben Länder durchquerte die Familie. "Die meiste Zeit waren wir zu Fuß unterwegs", sagt Teymouri. Die Erlebnisse waren traumatisch: Teymouris Bruder wurde in Afghanistan von seinem Onkel umgebracht. Seine andere Schwester starb auf der Flucht. Auf die Familie wurde geschossen. Um zu überleben, musste sie Schnee essen. Die Schlepper hielten Teymouri und seine Familie einen Monat gefangen, raubten sie aus, misshandelten sie und bedrohten sie mit Waffen. Mit einem Boot setzten sie von der Türkei nach Griechenland über. Es war nur neun Meter lang, 80 Flüchtlinge waren darauf.

Im Mai 2016 kam die Familie dann in Deutschland an. Zunächst wurde sie in Moers in einer Flüchtlingsunterkunft untergebracht, dann in der Nähe des Düsseldorfer Hauptbahnhofes. Inzwischen leben Teymouri, sein Vater, seine schwerkranke Mutter und seine 13-jährige Schwester Fatemeh in einem Zimmer in einer Flüchtlingsunterkunft in Gerresheim.

Im März kam dann der Ausweisungsbescheid. Die Familie klagt dagegen. "Bis es zu einem Prozess kommt, kann ein Jahr vergehen", sagt die Anwältin der Familie, Assal Pezeshkian. "So lange wollen wir nicht warten", sagt Lausberg. "Die Familie hat Angst, nach Afghanistan zurückzumüssen. Sie glaubt, dass sie dort umgebracht wird." Außerdem will Teymouri sich für eine Ausbildungsstelle zum Chemielaboranten bewerben. Das ist schwierig, wenn sein Status nicht geklärt ist. "In Afghanistan habe ich mich fremd gefühlt. Hier in Deutschland nicht. Ich mag die Kultur und finde es gut, dass hier meine Religion keine Rolle spielt", sagt Teymouri.

(eler)
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