Ensemble Unterwegs Mit Wanderrucksack und Notenständer

Garath · Das Ensemble Unterwegs zieht durch Deutschland und tauscht Musik gegen Kost und Logis. Gestern spielten die vier Musikerinnen in Garath.

 Annette Walther, Barbara Schachtner, Anna Betzl-Reitmeier und Friederike Imhorst (v.l.) spielen klassische Musik in der Garather Fußgängerzone.

Annette Walther, Barbara Schachtner, Anna Betzl-Reitmeier und Friederike Imhorst (v.l.) spielen klassische Musik in der Garather Fußgängerzone.

Foto: Hans-Juergen Bauer (hjba)

Ein älteres Ehepaar sitzt dicht nebeneinander auf einer leicht verrosteten Bank in Garaths Fußgängerzone. Gedankenverloren beobachten sie die vier Musikerinnen, hören dem Spiel der Streicher zu. Barbara Schachtner singt mit kraftvoller Sopranstimme „Einmal am Rhein“. Das alte Paar schaut sich verschmitzt an, er singt leise mit. Im Anschluss bedanken sie sich bei der Vierer-Formation, wechseln ein paar Worte und gehen weiter. Auch die Musiker verstauen ihre Instrumente und suchen sich einen neuen Platz, und weiterzuspielen.

Es sind Begegnungen wie diese, für die das Quartett von Ensemble Unterwegs immer wieder auf Wanderschaft geht. Barbara Schachtner (Sopran), Annette Walther (Violine), Friederike Imhorst (Viola) und Anna Betzl-Reitmeier (Violoncello) sind professionelle Musikerinnen aus NRW. Für gewöhnlich treten sie auf verschiedenen Bühnen auf, spielen klassische Musik und alte Volkslieder. Seit elf Jahren arbeiten sie zusammen – und wandern gemeinsam. Regelmäßig verlassen sie die Konzertsääle, um eine bestimmte Region Deutschlands – oder auch im Ausland – zu erkunden. „Wir haben dann eine Woche, einen Start- und einen Endpunkt, aber der Rest ist komplett spontan“, erklärt Sängerin Schachtner.

Das Quartett verzichtet bei diesen Touren auf motorisierte Verkehrsmittel, Geld oder Handys. Sie ziehen von Ort zu Ort, spielen Musik im Tausch für Essen und Unterkunft. „Ich war zunächst kritisch, ob das auch klappt“, sagt Annette Walther, die erst vor zwei Jahren zur Gruppe gestoßen ist. Doch es funktioniert, und mehr: „Die Begegnungen mit den Menschen sind oft so intensiv, und auch die Menschen untereinander kommen durch uns ins Gespräch, gerade weil klassische, professionelle Musik nicht das ist, was man auf der Straße erwartet“, berichtet Schachtner. Dabei treffen sie immer wieder Menschen für kurze, intensive Momente. Und was die vier Frauen im Alter von Mitte 20 bis Mitte 40 gemeinsam erleben, lässt sie auch im beruflichen Alltag besser harmonieren. „Wir sehen diese Reisen auch als Inspiration, verarbeiten unsere Erlebnisse in Stücken“, berichtet Geigerin Friederike Imhorst.

Das Naturerlebnis, die Nächte in Schuppen und Garagen, die Ungewissheit, wo man morgen sein wird, das alles gehört dazu – normalerweise. Dann in diesem Jahr haben sie ihr Vorgehen wegen Corona ändern müssen. „Wir wollten das Risiko, bei fremden Menschen zu übernachten, nicht eingehen“, erklärt Anna Betzl-Reitmeier, „deswegen treten wir auf den Straßen unserer Heimatstädte auf und fahren abends wieder nach Hause.“ Nur deswegen erklang die Musik des Quartetts gestern in Garath, normalerweise meiden die Musikerinnen die Großstädte. „Wir spielen bewusst außerhalb der Zentren, wo unsere Musik Leute erreicht, die sonst wenig Kontakt zur Klassik haben“, so Schachtner. Am Mittwoch spielen die vier in der Kölner Südstadt, am Donnerstag im Duisburger Stadtteil Ruhrort. Alle Stopps und Termine können Interessierte im Internet herausfinden, unter www.ensemble-unterwegs.de. „Aber da wir unseren Standort immer wieder wechseln, muss man uns trotzdem erstmal finden“, sagt Annette Walther, lacht, und bereitet ihre Violine für das nächste Stück vor.

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