Berufsberatung in schwierigen Lebenslagen „Helfen kann man am besten auf Augenhöhe“

Garath · Beim I-Punkt finden Langzeitarbeitslose Beratung. Häufig ist im Vorfeld jedoch Hilfe in anderen Lebensbereichen nötig. Für die Vermittlung werden noch unternehmen und Arbeitgeber aus der Region gesucht.

 Josch Wieske versucht, Arbeitslosen zu helfen. Dazu kooperiert der I-Punkt mit anderen Projekten im Stadtteil.

Josch Wieske versucht, Arbeitslosen zu helfen. Dazu kooperiert der I-Punkt mit anderen Projekten im Stadtteil.

Foto: RP/Dominik Schneider

Es wird viel getan dafür, dass der Stadtteil Garath seinen schlechten Ruf verliert. Die Stadt nimmt im Rahmen des Projekts Garath 2.0 mehrere Millionen Euro in die Hand, um die Gegebenheiten vor Ort zu verbessern, und auch verschiedene soziale Träger, Vereine und Aktionsgruppen setzen sich für die Menschen vor Ort ein. Ein Baustein dieses Puzzles ist der I-Punkt, ein Beratungszentrum für Langzeitarbeitslose, das im September seinen Betrieb aufgenommen hat. Gemeinsam mit seiner Kollegin Anastasia Leonenko versucht Awo-Stadtteilagent Josch Wieske, zum Aufschwung des Viertels beizutragen.

Herr Wieske, ein Blick auf die Arbeitslosenzahlen in Garath alarmiert. Diese liegen fast überall merklich über dem Stadtdurchschnitt, in einzelnen Siedlungen sogar über 30 Prozent. Welche Menschen kommen auf der Suche nach Arbeit zu Ihnen?

Josch wieske Der I-Punkt richtet sich an erwachsene Langzeitarbeitslose, also über 25 Jahre alt und mindestens zwei Jahre ohne Arbeit. Aber wir schicken natürlich niemanden weg, der nicht in das Schema passt.

Sie sind jetzt seit rund zwei Monaten in Garath, wie läuft das Angebot an?

Wieske Ich bin zufrieden. Wir haben aktuell rund 35 Personen in der Beratung, trotz Corona. Ich gehe von einer Steigerung aus, da sich die Arbeit des I-Punktes erst herumsprechen muss. Mund-zu-Mund-Propaganda funktioniert in Garath sehr gut.

Warum finden diese Menschen keine Anstellung?

Wieske Die Gründe sind vielfältig. Es gibt zum Beispiel alleinerziehende Menschen, die keine Unterstützung haben und ihre Kinder tagsüber nicht alleine lassen können und wollen, um einem Beruf nachzugehen. Wir haben aber auch eine hohe Zahl an Menschen mit komplexen Problemlagen, wir sprechen da von Suchterkrankungen, von zerrütteten Familienverhältnissen, von Schulden, sozialer Isolation und psychischen Krankheiten.

Wie kann in einem solchen Fall die Vermittlung funktionieren?

Wieske Häufig muss in solchen Fällen erst einmal ein anderer sozialer Dienst, etwa die Schuldnerberatung oder Suchthilfe, vorgeschaltet werden. Dazu arbeiten wir mit anderen Einrichtungen in Garath zusammen, und das System funktioniert in beide Richtungen. Wir vermitteln neue Klienten in diese Angebote, bekommen aber auch von ihnen Menschen, die wieder in den Arbeitsmarkt einsteigen sollen.

Wie geht man als Berater mit solchen Menschen mit komplexen Problemlagen um?

Wieske Wir können Menschen am besten helfen, wenn wir ihnen auf Augenhöhe begegnen. Wir sind nicht das Jobcenter, wir stellen keine Ansprüche und verhängen keine Sanktionen. Wer zu uns kommt, kommt freiwillig, das erfordert eine gewisse Grundmotivation, auf der wir aufbauen können. Wichtig ist es auch, bei den Menschen Selbstbewusstsein aufzubauen, aber auch, ihre Selbsteinschätzung auf ein realistisches Niveau zu bringen. Wer lange weg vom Arbeitsmarkt war, hat häufig, selbst, wenn er eine Ausbildung hat, den Anschluss verpasst. Wir vermitteln auch Stellen für Minijobs und Praktika, um zum einen eine Tür zu öffnen und zum anderen die Klienten aus dem Teufelskreis der Strukturlosigkeit herauszuholen. Ganz wichtig ist auch, die Menschen in ihrem Lebensumfeld aufzusuchen: Wir nehmen sie – so gut es geht – bei der Hand, begleiten sie zu Terminen. So können wir Menschen erreichen, die sonst nur schwer zu erreichen sind.

Ein Blick auf die Arbeitgeber-Seite: Wie funktioniert die Vermittlung?

Wieske Langzeitarbeitslose haben häufig mit Vorurteilen zu kämpfen, wenn sie sich bewerben. Wir versuchen, individuelle Stärken und Qualifikationen herauszuarbeiten – etwa Engagement im Ehrenamt. Aber natürlich müssen die Arbeitgeber auch wissen, wer da zu ihnen kommt. Viele unserer Klienten sind nicht sehr belastbar, unterliegen dem sogenannten Drehtür-Effekt. Ich freue mich immer, wenn ein Arbeitgeber einen Bewerber von uns zum individuellen Gespräch einlädt. Auf diese Weise können beide Seiten am besten gemeinsam klären, wie ein solches Verhältnis funktionieren kann.

Welche Jobs vermitteln Sie?

Wieske Wir versuchen, Angebote möglichst im räumlichen Umfeld zu machen. Das sind oft einfache Tätigkeiten, etwa Aushilfen an der Kasse, Lagerarbeiten oder auch Spülarbeiten in einer Seniorenresidenz. Aber auf solchen Tätigkeiten kann man langfristig aufbauen. Wir würden uns wünschen, dass mehr Arbeitgeber bereit wären, unseren Klienten eine Chance zu geben.

Wie kommen Sie an neue Klienten?

Wieske Mund-zu-Mund-Propaganda spielt wie gesagt eine entscheidende Rolle. Ich suche aber auch die Einrichtungen auf, die Tafel, die Benrather Tüte, das Mehrgenerationenhaus. Außerdem arbeiten wir mit Kindergärten und Schulen zusammen, die kennen häufig auch die Problemlagen der Eltern ihrer Kinder. Und wir gehen auf Veranstaltungen wie Stadtteilfeste, sprechen Menschen auch ganz konkret an – natürlich ohne sie bloßzustellen. Der Bedarf nach dieser Form von Beratung ist auf jeden Fall gegeben – als ich begonnen habe, die Arbeit des I-Punkts vorzustellen, bin ich offene Türen eingerannt.

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