Benrath Fußball spielen ohne Durchblick

Benrath · Das Projekt "Neue Sporterfahrung" wird von der Deutschen Telekom durchgeführt. Gestern trainierten die Jugendmannschaften des VfL Benrath ohne Durchblick. Alle Spieler hatten verklebte Snowboardbrillen auf.

 Diplom-Sportwissenschaftler Gregor Kolewski (r.) hilft bei den ersten Schritten der jungen Fußballer im Dunkeln. Die Nachwuchskicker des VfL Benrath haben schwarz ausgeklebte Skibrillen aufgesetzt, um sich einmal zu fühlen wie ein blinder Mensch.

Diplom-Sportwissenschaftler Gregor Kolewski (r.) hilft bei den ersten Schritten der jungen Fußballer im Dunkeln. Die Nachwuchskicker des VfL Benrath haben schwarz ausgeklebte Skibrillen aufgesetzt, um sich einmal zu fühlen wie ein blinder Mensch.

Foto: Günter von Ameln

"Man sieht ja nichts mehr", ruft Moritz überrascht. Soeben hat der zwölfjährige Abwehrspieler aus der D-Jugend beim VfL Benrath eine Snowboardbrille aufgesetzt, deren Gläser mit schwarzer Folie beklebt sind. Keine Frage – Moritz ist jetzt blind. Die Brille mit den schwarzen Gläsern hat ihm Gregor verpasst, der als Diplom-Sportwissenschaftler das Projekt "Neue Sporterfahrung" betreut. Er ist mit seinem Team auf der Benrather Sportanlage zu Gast ist, um – wie Projektleiter Simon Fink erklärt – für Verständnis und Respekt im Umgang mit Sehbehinderten zu werben.

Moritz weiß nun, wie sich ein Blinder fühlt. "Wir wollen mit unserem Projekt junge Menschen für ein Miteinander mit Blinden im Sport und im Alltag sensibilisieren", sagt Fink. 18 VfL-Nachwuchskicker lauschen aufmerksam, wenn Gregor Krolewski erklärt, wie Blinde mit einem Akustikball-Fußball spielen können. "In den Ball sind Rasseln eingearbeitet, um zu hören, wo sich der Ball befindet", weiß Team-Mitglied Daniel aus eigener Erfahrung. Daniel ist "vollblind", wie es in der Fachsprache heißt. Sein Handicap hält den 26-Jährigen nicht davon ab, seinem liebsten Hobby "mit Feuer und Flamme", wie er betont, nachzugehen. Mit dem PSV Köln kickt Daniel in der Blinden-Bundesliga, die von der Sepp-Herberger-Stiftung eingerichtet wurde. Seine Schusskünste demonstriert er beim Torschussdurchgang. Für die Kids beginnen die "neuen Sporterfahrungen" zunächst mit einer Polonaise, die sie blind absolvieren. Lediglich der Letzte in der Reihe kann sehen und dirigiert seine Vorderleute mit Klopfen auf die Schulter.

Das Weiterleiten der Klopfsignale bereitet anfangs Probleme. "Mit der Brille zu gehen ist ein doofes Gefühl", ist Luca ehrlich. Die Angst vor dem Fallen kann er nicht ganz ausblenden. Dennoch: Daniel ist begeistert, wie die Kinder bei den Übungen mitmachen. Bei den Torschüssen ruft ein Mitspieler, der "Caller", der hinter dem Netz steht, zur Orientierung: "Hier! Hier!" Benraths Jugendfußball-Obmann Wolfgang Hilgers hat das von der Telekom gesponserte Projekt gern wahrgenommen, weil seine Nachwuchskicker mit dieser besonderen Art von Training ihren Horizont erweitern – sowohl sportlich als auch menschlich. Rund 60 000 Kinder und Jugendliche hat die von der Agentur "Do it!" seit 2009 bundesweit durchgeführte Aktion bereits erreicht. Axel Müller, der in seiner Funktion als Inklusionsbeauftragter der Sepp-Herberger-Stiftung als Beobachter in Benrath anwesend war, will Vereine ausdrücklich animieren, Handicap-Mannschaften einzurichten. "Der Blindenfußball ist allerdings noch im Aufbau", räumt er ein.

Zum Abschluss erzählt Daniel, der gegenwärtig bei MBE Coal+Minerals in Köln eine Ausbildung zum Industriekaufmann absolviert, aus seinem Alltagsleben. Anziehen. Weg zur Arbeit. Umgang mit Kollegen. Erneut lauschen die Kids aufmerksam. Das außergewöhnliche Training hat sich auf jeden Fall gelohnt.

(hel)
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