Debatte um Hans-Günther-Sohl-Straße in Flingern "Mein Vater war kein Nazi"

Flingern · Hans-Günther Sohl war eine der wichtigsten Figuren der Nachkriegswirtschaft. Nun will die Bezirksvertretung 2 eine nach ihm benannte Straße umbenennen - wegen seiner Rolle in der NS-Zeit. Seine Tochter wehrt sich.

Debatte um Hans-Günther-Sohl-Straße in Flingern: "Mein Vater war kein Nazi"
Foto: Hans-Juergen Bauer

Wenn man Erika Riederer von Paar in ihrem Ludenberger Haus trifft, begegnet man einer sehr freundlichen und zurückhaltenden Frau. Sie will sich nirgendwo einmischen, erst recht nicht in irgendwelche politischen Verstrickungen. Aber natürlich hat Frau Riederer von Paar eine Meinung, zumal in den Dingen, die sie und ihre Familie betreffen.

Bisher hat sie nur noch niemand gefragt, niemand von der Stadt, keine Partei, kein Politiker, und auch keine Historiker der Mahn- und Gedenkstätte, was mindestens verwunderlich ist, denn heute schon soll der Stadtrat der Stadt Düsseldorf darüber entscheiden, ob ihr Vater entehrt wird oder nicht. "Ich finde, man hätte wenigstens mit der Familie reden können", sagt Frau Riederer von Paar. Oder mit Bekannten ihres Vaters, mit Weggefährten oder Historikern, die sich mit ihrem Vater beschäftigt haben, fügt sie hinzu. "All das ist nicht passiert, und das finde ich beschämend", sagt Erika Riederer von Paar.

Es gibt diese Straße in Flingern, die nach ihrem Vater benannt wurde: Hans-Günther Sohl war Vorstandsvorsitzender der Thyssen AG, er war BDI-Chef und einer der wichtigsten Figuren der deutschen Nachkriegswirtschaft. Vor ein paar Wochen nun hat die Bezirksvertretung 2 einen Vorschlag der Linken mit der Mehrheit von SPD und Grüne angenommen, die Straße umzubenennen.

Die Grundlage dieser Entscheidung soll Sohls Rolle in der NS-Zeit sein. Zuvor hatte die Mahn- und Gedenkstätte ein Gutachten erstellt, dass zu dem Schluss kommt, dass Hans-Günter-Sohl eine "besondere Rolle" beim Einsatz von Zwangsarbeitern bei den Vereinigten Stahlwerken gehabt habe. Er war "unmittelbar für den Zwangsarbeitereinsatz bei einem der größten deutschen Rüstungskonzerne verantwortlich", so das Gutachten. Ihn gerade hier mit einem Straßennamen zu ehren, "halten wir grundsätzlich für sehr unglücklich und unpassend", heißt es. Hintergrund ist, dass es in unmittelbarer Nachbarschaft auch ein Zwangsarbeiterlager gegeben hat. Allerdings betont auch das Gutachten, müsse die Politik eine Entscheidung treffen.

Nein, ihr Vater sei in der NS-Zeit bestimmt kein Held gewesen, sagt Erika Riederer von Paar. Aber ihm eine persönliche Schuld am Schicksal von Zwangsarbeitern vorzuwerfen, sei "eine boshafte Gemeinheit".

"Mein Vater war ein gänzlich unpolitischer Mensch", sagt Erika Riederer von Paar, auch wenn er wie Millionen anderer Mitglied der NSDAP gewesen sei. Außerdem sei er nie für Personal, sondern immer für die Rohstoffversorgung zuständig gewesen, ergänzt sie. Das hätten ihr Weggefährten und Historiker versichert. Stattdessen, meint Frau Riederer von Paar, sei die Entscheidung um die Umbenennung wohl eher ideologisch geprägt. Auf Kosten ihres mit dem Bundesverdienstkreuz geehrten Vaters, des Mannes, zu dessen Beerdigung der damalige Bundeskanzler Helmut Kohl redete.

Tatsächlich ist der Vorwurf der Tochter von Hans-Günther Sohl nicht von der Hand zu weisen. So kann man die Umbenennung der Straße auch als Retourkutsche dafür sehen, dass die CDU in der BV 2 sich bei der Benennung der Frank-Zappa-Straße in unmittelbarer Nachbarschaft quergestellt hatte. Damals hatten Stadtteilpolitiker aus dem linken Lager angekündigt, die Umbenennung der Hans-Günther-Sohl-Straße auf die Tagesordnung zu setzen, weil sie die Ablehnung der Zappa-Straße als "schlechten Stil" empfanden. Scheinbar gestärkt durch das - nach Ansicht der Familie von Sohl - zweifelhafte Gutachten der Mahn- und Gedenkstätte versuchen sie nun, die Umbenennung im Stadtrat durchzudrücken, und setzen sich zudem auch über die Bedenken der Anlieger hinweg, die Kosten monieren und ebenfalls rein ideologische Motive unterstellen.

Erika von Riederer Paar hofft auf eine faire Behandlung ihres Vaters, der sich unzweifelhaft nicht nur um die Wirtschaft der Bundesrepublik, sondern auch um die Stadt Düsseldorf verdient gemacht hat. "Wenigstens das wäre man ihm schuldig", sagt sie.

(RP)
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