Flingern Insel der Kultur auf der Sportmeile

Flingern · Am Flinger Broich hat Nils Schönerstedt die Musikschule iMusic übernommen. Mit seinem Team aus neun Pädagogen bietet er neben klassischem Repertoire auch Workshops für Songwriter oder Klavierunterricht für über 60-Jährige an.

 Der achtjährige Jan-Hinnerk lernt seit Herbst bei Nils Schönerstedt Gitarre.

Der achtjährige Jan-Hinnerk lernt seit Herbst bei Nils Schönerstedt Gitarre.

Foto: Hans-Jürgen Bauer

Nils Schönerstedt arbeitet als Pädagoge an städtischen Musikschulen in Bochum und Lohmar, in Iserlohn ist der Experte für Gitarre und Saxofon sogar Fachbereichsleiter. Dennoch hat der 42-Jährige im April sein Leben quasi komplett auf den Kopf gestellt und die private Schule iMusic von Irene Mukasa übernommen, die im Vorjahr mit ihrer Einrichtung von Gerresheim an den Flinger Broich zog, inzwischen aber im Ausland lebt.

"Ich hatte zuvor nie daran gedacht, einmal eine eigene Musikschule zu leiten. Es hat mich aber gereizt, mit diesen hervorragenden Lehrkräften zusammenzuarbeiten." Genau das habe wohl auch den Ausschlag dafür gegeben, dass seine Bewerbung (nur eine von vielen) Vorbesitzerin und Vermieter überzeugt haben. "Meine Mitbewerber wollten das Team offenbar nicht übernehmen. Was ich nicht nachvollziehen kann, denn auch die Schüler wären dann größtenteils weggewesen", sagt Schönerstedt. Man müsse schon sehr lange suchen, um praxiserfahrene Pädagogen dieser Güteklasse zu finden, "das ist mit einer städtischen Musikschule nicht zu vergleichen". Für 4000 Euro habe er zudem das gesamte Inventar kaufen können, "das ist fast geschenkt".

Dennoch "arbeiten wir hier keine Wartelisten ab, man muss um jeden Schüler kämpfen, und das schafft nur, wer auch individuell auf die Wünsche eingeht", erklärt der Jungunternehmer, der sich angesichts des enormen administrativen Aufwands plötzlich ganz neuen Aufgaben ausgesetzt sieht: "Auch im Urlaub muss ich schauen, dass die Einnahmen möglichst zeitnah eingehen, damit die Honorare rechtzeitig gezahlt werden können." Die Konsequenz: Nils Schönerstedt, der in der Innenstadt lebt, ist nicht mehr nur Pädagoge, sondern zwangsläufig auch Bürokrat, zudem Familienmensch (drei Kinder), "die Kunst habe ich da erst mal ganz hintenan gestellt", seufzt er.

Trotzdem könnte er sich vorstellen, eines Tages nur noch für iMusic da zu sein. Doch bis es soweit ist, dürfte noch eine Zeit lang vergehen, und Ausruhen auf den Lorbeeren (sprich vielen Preisen der Dozenten) könne man sich ohnehin nicht, sagt Schönerstedt, der in seiner Schule Unterricht in Klavier, Gitarre und Bass, Klarinette, Quer- und Blockflöte, Saxofon, Geige, Schlagzeug, Gesang und sogar Oboe ("ganz selten!") oder Cembalo anbietet. "Demnächst kommt noch die Kirchenorgel hinzu", erklärt der Musikschulleiter nicht ohne Stolz. Darüber hinaus versucht das Team, auch in Nischen vorzustoßen, etwa Klavierunterricht für Senioren anzubieten oder mit Songwriter-Workshops das jüngere Publikum anzusprechen. Auch will sich Schönerstedt stärker auf die Wettbewerbsvorbereitung konzentrieren und nicht zuletzt die musikalische Früherziehung ausbauen.

Ungewöhnlich ist zudem der Ort der kleinen Musikschule mit aktuell vier Unterrichtsräumen: Mitten am Flinger Broich gelegen, in Nachbarschaft von Fortunas Paul-Janes-Stadion, zwei weiteren Sportvereinen und dem Allwetterbad, fühlt sich Nils Schönerstedt "wie auf einer Insel der Kultur". Die sollen auch Nicht-Schüler kennenlernen, Schönerstedt plant, kleinere Konzerte für vielleicht zehn Zuhörer durchzuführen, "fällt das Interesse größer aus, gibt's einen zweiten oder dritten Termin". Nur eines treibt ihm die Sorgenfalten auf die Stirn: "Dass ich es nicht schaffe, meine tägliche To-do-Liste abzuarbeiten."

(RP)
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