BGH zu Anschlag in Düsseldorf Wehrhahn-Freispruch bleibt bestehen

Düsseldorf · Der Sprengstoffanschlag am Düsseldorfer S-Bahnhof Wehrhahn, bei dem ein ungeborenes Kind getötet und zehn Menschen teils schwer verletzt wurden, bleibt ungesühnt. Der Bundesgerichtshof fand im Freispruch für den einzigen Tatverdächtigen keine Fehler.

 Bei dem Anschlag am Nachmittag des 27. Juli 2000 wurden zehn überwiegend jüdische Sprachschüler aus den ehemaligen GUS-Staaten teils lebensgefährlich verletzt.

Bei dem Anschlag am Nachmittag des 27. Juli 2000 wurden zehn überwiegend jüdische Sprachschüler aus den ehemaligen GUS-Staaten teils lebensgefährlich verletzt.

Foto: dpa/Christian Ohlig

Der 54-jährige Ex-Soldat und selbsternannte Sicherheitsberater, den die Staatsanwaltschaft Düsseldorf 17 Jahre nach der Tat als den Sprengstoffattentäter vom Wehrhahn verhaftet hat, ist frei. Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs in Karlsruhe hat am Donnerstagvormittag die Revision der Staatsanwaltschaft verworfen und den Freispruch des Düsseldorfer Landgerichts bestätigt.

Im Sommer 2000 war der Mann. der in unmittelnarer Nähe des S-Bahnhofs wohnte und dort auch einen Militarialaden betrieb, wegen seiner ausländerfeindlichen Gesinnung und seiner Nähe zur damaligen Neonaziszene in der Landeshauptstadt bekannt. Er gerierte sich gern als „Sheriff von Flingern“, hatte seinen Hund auf das Kommando „Asylant“ abgerichtet, und die Sprachschule gegenüber von seinem Laden, in der Zuwanderer Deutsch lernten, war ihm ein Dorn im Auge.

Düsseldorf: Der Tag des Urteils im Wehrhahn-Prozess
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Der Tag des Urteils im Düsseldorfer Wehrhahn-Prozess

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Foto: Endermann, Andreas (end)

Das Düsseldorfer Landgericht hatte daran auch keinen Zweifel, konstatierte in der Begründung seines Freispruchs sogar, dass der Angeklagte „unentwegt gelogen“ habe. Aber das Schwurgericht hatte letztlich zu viele Zweifel an der Indizienkette, die Kripo und Staatsanwaltschaft zusammengetragen hatten.

14 Jahre nach der Tat hatte der nun rechtskräftig Freigesprochene eine Haftstrafe verbüßt, soll sich in der JVA gegenüber einem Mitgefangenen mit dem Sprengstoffanschlag in Düsseldorf gebrüstet haben. Der hatte sich bei der Polizei gemeldet und so die Ermittlungen neu in Gang gebracht. Diesem Zeugen aber glaubte das Gericht nicht, auch nicht, als er auf die Belohnung, die für die Klärung des Verbrechens ausgelobt ist, ausdrücklich verzichtete.

Einer der Nebenklage-Vertreter hatte den Freispruch als schwersten Fehler der Düsseldorfer Nachkriegsjustiz bezeichnet. Für die Opfer, die bis heute unter den Folgen des Verbrechens leiden, ist seine Bestätigung schwer zu ertragen. „Sie werden ihr Leben lang mit der Ungewissheit leben müssen. Das ist eine Wunde, die sich niemals schließen wird“, sagt Michael Rubinstein, Gemeindedirektor der Jüdischen Gemeinde Düsseldorf, der die meisten der Opfer angehören.

Während die Nebenkläger die Behörden auffordern, weiter nach den Verantwortlichen für den Anschlag zu suchen, rechnet Rubinstein nach so langer Zeit nicht mit einem neuen Ermittlungserfolg. Zumal er wie auch die Nebenklage überzeugt ist, dass „die Düsseldorfer Staatsanwaltschaft gute Gründe für ihre Anklage“ hatte. Die Entscheidung des BGH stehe am Ende einer langen Kette von Fehleinschätzungen. „Das ist kein Ruhmesblatt für die Justiz und die Polizei“, sagt Rubinstein. „Am Ende lässt uns das fassungslos und traurig zurück.“

Die mobile Beratung gegen Rechtsextremismus, die den Prozess in Düsseldorf begleitet hatte, fordert einen parlamentarischen Untersuchungsausschuss zum Wehrhahn-Fall. Ihr Sprecher Dominik Schumacher hat für den Freispruch kein Verständnis: „Fernab einer juristischen Kommentierung, sprechen die in den drei Dutzend Verhandlungstagen massenhaft präsentierten Indizien, Zeug:innenaussagen und Beweisen für uns eine andere Sprache“, erklärte er am Donnerstag. Weil nach dem Urteil, den vorangegangenen „teils groben Ermittlungspannen, die polizeiliche und politische Bagatellisierung der Neonazi-Szene in den Jahren rund um den Anschlag sowie eine fragwürdige Rolle des Verfassungsschutzes“ viele Fragen offen ließen, könne Klärung nur ein Parlamentarischer Untersuchungsausschuss herbeiführen“.

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