Eller Schluss nach 111 Jahren

Eller · Nach mehr als einem Jahrhundert hat das Schuhgeschäft Spies an der Gumbertstraße in Eller geschlossen.

 Manfred Henrich übernahm das Geschäft 1975.

Manfred Henrich übernahm das Geschäft 1975.

Foto: ""

Es ist selten, dass es Geschäfte gibt, die ihrem Namen und ihrem Verkaufsangebot über ein ganzes Jahrhundert treu geblieben sind. Umso trauriger ist es, wenn dann solch ein Geschäft zwar über dieses hohe Alter hinaus gekommen ist, aber dennoch im gleichen Atemzug seine Pforten schließt, weil die Leute heute "anders einkaufen" gehen. Für den 30. September 2015 wurde bei der Industrie- und Handelskammer Düsseldorf das Schuhfachgeschäft Spies von der Gumbertstraße in Eller als "inaktiv" eingetragen. Nach 111 Jahren wird auch kein Nachfolger in die Fußstapfen von Schuhmacher Joseph Spies treten, der am 1. Juni 1904 die Geschäftsgründung bei gleicher Kammer eintragen ließ.

 Das Schuhgeschäft in den 90er-Jahren.

Das Schuhgeschäft in den 90er-Jahren.

Foto: Manfred Henrich

Es muss wohl am Anfang noch nicht so gut gelaufen sein mit seinem Geschäft. Schließlich konnte man im Branchen- und Einwohnerverzeichnis zu Beginn des 20. Jahrhunderts eine Vielzahl von Schuhmachern und ihren Ladenlokalen finden - auch in Eller, aber der Name Spies tauchte vorerst noch nicht auf. Erst 1908 stand Schuhmacher Spies unter der Adresse Kaiserstraße 177, so hieß die Gumbertstraße vor der Eingemeindung, in den Adressbüchern. Im Jahr 1920, als Josef (jetzt mit "f") Spies an der Gumbertstraße eine "Schuhmacherei" als Eintrag führte, bot auch ein Schuhgeschäft der Firma Salamander weit weg auf der Schadowstraße feinste Schuhwaren an. Ein paar Jahrzehnte später war Manfred Henrich, der letzte Inhaber des Schuhhauses Spies, dort Geschäftsführer, ebenso in einem Salamander-Laden in Gelsenkirchen.

1925 trug das Geschäft von Josef Spies die Bezeichnung "Schuhwerkhandlung" und bürgte für hohe Schuhmacherkunst und Lederwaren-Qualität. Diese Firmenphilosophie wurde bei der Familie Spies immer groß geschrieben, bis der Schuhmacher starb und seine Frau das Geschäft zum Verkauf anbot. Beide hatten keine Kinder, und in diesem Moment tauchte Manfred Henrich auf, der nach einer Schuhmacherlehre seinen Schuhmachermeister gemacht und auch den Beruf des Kaufmanns auf der Handelsschule erlernt hatte. Er trug sich nach einigen Jahren als Geschäftsführer bei Salamander mit dem Gedanken, sich in den 1970ern selbstständig zu machen.

Per Zufall erfuhr er von einem Vertreter von der Witwe Spies und dem zum Verkauf stehenden Schuhhaus in Eller. 1975 übernahm er dann das gut besuchte und alteingesessene Schuhhaus und führte das qualitätsvolle Sortiment fort. Den Schwerpunkt legte Henrich auf sportliche und bequeme Damenschuhe. Die gepflegte Tradition und gute Qualität fand Anklang. "Wir hatten in den ersten Jahren eine hohe Kundenfrequenz. Es waren für uns sehr interessante und erfolgreiche Jahre. Samstags musste ich sogar immer zusätzlich zwei oder drei Aushilfen beschäftigen. Der Laden war oft rappelvoll", schwärmt der heute 70-jährige Manfred Henrich. Er eröffnete 1981 in der gleichen Straße das Schuhhaus Pix (heute Video Tümmers) und in Gerresheim das Geschäft "très bien" - eine Kombination aus hochwertigen Schuhen und exklusiver Damenmode. Nicht nur die Qualität der Waren lagen Henrich sehr am Herzen, auch die Qualität des Service musste immer "1a" sein. Seine MitarbeiterInnen schickte er deshalb auf entsprechende Weiterbildungsmaßnahmen.

15 Jahre später setzte das ein, was er als einen der Gründe für die Schwierigkeiten und auch den Niedergang des Einzelhandels - besonders in den Vorortlagen - verantwortlich macht: die neue Ladenschlussgesetzgebung. "Eineinhalb Stunden länger zu öffnen, hieß nicht gleich eineinhalb Stunden mehr Geschäfte zu machen. Veränderte Ladenschlusszeiten haben besonders dem Einzelhandel in Randlagen das Leben sehr schwer oder unmöglich gemacht." Rückblickend ergänzt der ehemalige Kassierer und das erweiterte Vorstandsmitglied der Werbegemeinschaft Eller noch, dass "Frequenzbringer" wie Aldi, Strauss oder Lidl, wenn sie wegen einer Vergrößerung ihrer Kapazitäten die Gumbertstraße verlassen hatten, dann auch einen gewissen Teil von Kundschaft mitgenommen hätten. Diese Kundschaft fehlte jetzt in den kleineren Geschäften der Gumbertstraße und auch anderen Vorortlagen. "Aldi hatte manchmal bis zu 4000 Kunden täglich, der Nachfolger in den ehemaligen Räumen, ein DM-Markt, hatte dann schon nur noch 1200 Kunden am Tag. Und fehlende Parkplätze taten ihr übriges, so dass die Kundschaft für manchen Einzelhändler ausblieb." Manfred Henrichs Fazit nach Schließung seines letzten Geschäfts an der Gumbertstraße im Sommer 2015: "Die Veränderungen der Kaufgewohnheiten haben mit der Zeit auch die Strukturen des Einzelhandels verändert. Neue Ideen sind dringend gefragt."

(RP)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort