Eller Ausstellung hilft Auschwitz zu begreifen

Eller · Im Kulturforum an Schloss Eller zeigt das Lore-Lorentz-Berufskolleg die Wanderausstellung, die Schüler nach ihren Reisen nach Polen aktualisiert haben. Eine Wand ist dem Auschwitz-Überlebenden Wilhelm Brasse gewidmet.

 Die Lore-Lorentz-Schüler Jolina Niewiadomski und Skadi Urner (vorn) sowie Marvin Mählig und Nils Reiter (hinten) haben an der aktuellen Wanderausstellung mitgearbeitet.

Die Lore-Lorentz-Schüler Jolina Niewiadomski und Skadi Urner (vorn) sowie Marvin Mählig und Nils Reiter (hinten) haben an der aktuellen Wanderausstellung mitgearbeitet.

Foto: Christoph Göttert

Der sperrige Name täuscht. Hinter "Didaktische Zugänge zum Holocaust" verbirgt sich eine Ausstellung schmerzhafter Bilder und Geschichten, die angehende Erzieher der Lore-Lorentz-Schule von ihrer Reise zur Gedenkstätte Auschwitz mitgebracht haben.

"Es verändert einen, wenn man dort war", sagt Nils Reiter, einer aus der AG, die sich mit dem Nationalsozialismus beschäftigt und einmal im Jahr nach Polen fährt. Auschwitz ist dabei nicht nur eine Station. Sieben Tage bleiben die Schüler dort, besuchen das Stammlager und die Vernichtungsstätte Birkenau.

Seit 2005 gibt es die Arbeitsgruppe und die regelmäßigen Exkursionen. Frank Buschmann und der inzwischen pensionierte Uli Steller betreuen sie, bereiten die Schüler vor und mit ihnen gemeinsam die Eindrücke für die Wanderausstellung auf, die durch eine Spende von Henkel ermöglicht wurde.

Auch den Lehrern gehen die Reisen an den Ort des unbeschreiblichen Grauens immer wieder nahe. Manchmal sind es die eigenen Gedanken, die einen an der Rampe von Birkenau überwältigen, manchmal Begegnungen mit Zeitzeugen. Einer von denen war Wilhelm Brasse, der im vergangenen Jahr gestorben ist.

Brasse war ein junger polnischer Fotograf, als er inhaftiert wurde und im Konzentrationslager Auschwitz gezwungen war, zigtausende Häftliche zu fotografieren. Auch SS-Leute ließen sich von Brasse porträtieren und der mörderische KZ-Arzt Mengele führte die misshandelten Opfer seiner angeblich medzinischen Forschungen vor Brasses Kamera. Als die russische Armee näher rückte, hatte Brasse den Befehl erhalten, Bilder und Negative zu zerstören. Doch er konnte sie retten, einzigartige Bilddokumente des Grauens.

Unzählige Male hat Brasse seine Geschichte erzählt. Nach der Befreiung gab er seinen Beruf auf, weil ihm bei jedem Versuch, ein Foto zu machen, die Bilder der geschundenen jüdischen Kinder vor der Linse erschienen.

Die Düsseldorfer Schüler waren von Brasse so tief beeindruckt, dass sie ihm in ihrer Ausstellung eine eigene Tafel gewidmet haben.

Nicht alle an der Lore-Lorentz-Schule können nachvollziehen, warum man nach Auschwitz reist. Einige, weil sie sich vor dem fürchten, was sie dort erfahren werden. Andere, weil sie glauben, vom Holocaust genug gehört zu haben. Marvin Mählig dagegen hatte das Gefühl, unbedingt fahren zu müssen. "Man erfährt in der Schule zwar, was damals passiert ist.

Aber begreifen kann man es erst, wenn man da ist." Und Mitschülerin Skadi Urner glaubt, dass die Erkenntnis auch wichtig ist, "um dafür zu sorgen, dass es nie wieder passiert." Würde man die, die heutzutage Nazi-Parolen verbreiten, nach Auschwitz bringen — "sie würden aufhören, so zu denken", sagt sie.

Während viele ihre Mitschüler sich auch mit dem Thema deutscher Schuld auseinandersetzen, ist Paulina Niewiadomski mit gemischten Gefühlen mitgereist. Sie besitzt einen deutschen und einen polnischen Pass, ihr polnischer Großvater war selbst in einem Konzentrationslager interniert. In mancher Hinsicht, sagt Paulina, "macht das für mich den Besuch leichter."

Steller und Buschmann wissen, wie belastend ein Besuch in Auschwitz ist. Gerade deshalb bleiben sie länger dort als andere Gruppen. "Wir geben den Schülern neben den geführen Rundgängen Gelegenheit, nach eigenem Tempo und Empfinden diese Orte zu besuchen." Vor der Heimreise steht ein Tag in Krakau auf dem Programm, "das erdet uns dann wieder", sagt Uli Steller.

Zum Gepäck jeder Gruppe gehört immer auch ein Buch mit weißen Seiten. Wer mag, kann dort seine Gedanken und Gefühle niederschreiben, zur "Entlastung", wie Steller sagt. Diese Leerbücher füllen sich bei allen Reisen schnell. Es sind Gedichte, Zeichnungen, manchmal auch Briefe. Keine Reisetagebücher, sondern Dokumente frischer Trauer, die auch in der Ausstellung zu lesen sind. "Es fällt jeden Tag schwerer, hier zu sein", lautet einer der Zeilen in dem Buch.

(RP)
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