Ideen in Düsseldorf Schneewittchens Auferstehung

Düsseltal/Mörsenbroich · Der Düsseldorfer Spielentwickler Winning Moves hat ein Kartenspiel konzipiert, das Grimms Märchen in die Gegenwart versetzt. Das wird jetzt in den Unterricht der Carl-Sonnenschein-Grundschule integriert.

 Anne van Straelen (l.) und Mandy Henning haben ein Märchen-Kartenspiel entwickelt, das jetzt Teil des Unterrichts in der Carl-Sonnenschein-Grundschule ist.

Anne van Straelen (l.) und Mandy Henning haben ein Märchen-Kartenspiel entwickelt, das jetzt Teil des Unterrichts in der Carl-Sonnenschein-Grundschule ist.

Foto: Marc Ingel

Wenn Schneewittchen eine Rose auf dem Oberschenkel tätowiert hat, Rapunzel den ganzen Tag Netflix schaut und Frau Holle nicht nur afro-amerikanisch, sondern auch noch ausgesprochen jung und hübsch ist, gerät das Märchenland aus den Fugen. Der amerikanische Spieleverlag Winning Moves mit seinem Deutschland-Standort an der Münsterstraße ist bekannt für Brett- und Kartenspiele, die schon viele Preise gewonnen haben. „Top Trumps“ zählt zu den Dauerbrennern, hat aber nichts mit dem amerikanischen Präsidenten zu tun, sondern ist ein Quartettspiel, bei dem es den anderen zu übertrumpfen gilt.

Zusammen mit Markus Grimm, der tatsächlich ein Ururur-Neffe der Märchenbrüder ist, und der Illustratorin Maja Verfondern hat Anne van Straelen von Winning Moves mit eben jenem Kartenspiel die Märchenwelt in die Moderne versetzt. Jetzt hat sie sich einen Herzenswunsch erfüllt, „für den ich hartnäckig kämpfen musste“. „Top Trumps – Grimms Märchen“ wird in den Unterricht einer Grundschule integriert. In den dritten Klassen der Carl-Sonnenschein-Schule an der Graf-Recke-Straße wird aber nicht nur Karten gespielt, „die Kinder sollen in einer Unterrichtsreihe ihre eigenen Märchen schreiben, neue Figuren ersinnen oder alte mit einem neuen Charakter ausstatten“, erklärt die Spiele-Fachfrau.

 Rapunzel hat einen Happy-End-Faktor von 10.

Rapunzel hat einen Happy-End-Faktor von 10.

Foto: Marc Ingel
 Rotkäppchen hat sein Pfefferspray vergessen.

Rotkäppchen hat sein Pfefferspray vergessen.

Foto: Marc Ingel

Die Kooperation mit der Grundschule war naheliegend, „da ich selbst damals noch die Schule besucht habe“, erzählt Mandy Henning, Marketing-Managerin bei Winning Moves. „Die Lehrer haben freie Hand bei der Unterrichtsgestaltung. Die Schüler werden schnell herausfinden, dass Märchen keineswegs altbacken sein müssen, wenn man sie denn nur ein wenig aufpeppt und in die heutige Zeit transferiert“, sagt sie. Am 19. Dezember wird es dann eine Abschlusspräsentation geben, zu der auch Markus Grimm aus Moers kommen und mit den Kindern über Märchen im Allgemein und die Ergebnisse ihrer Projektarbeit im Besonderen sprechen wird.

 Schneewittchen quasselt ziemlich viel.

Schneewittchen quasselt ziemlich viel.

Foto: Marc Ingel
 Frau Holle ist Afroamerikanerin.

Frau Holle ist Afroamerikanerin.

Foto: Marc Ingel

Die Zeichnungen der Märchenfiguren lehnen sich bewusst an den Anime-Stil an, „weil das bei den Kindern gut ankommt“, sagt van Straelen. Ein flapsiger Jugendjargon für die kurzen Geschichten zu den jeweiligen Protagonisten auf den Karten wird vermieden, „dennoch haben wir versucht, eine klare Sprache zu wählen, die frisch wirkt und dem 21. Jahrhundert entspricht“, betont van Straelen. Übertrumpfen lassen sich die jeweiligen Karten durch Faktoren wie Heldenmut, Boshaftigkeit oder auch schlicht Wortlänge. „Natürlich wollen wir erreichen, dass Kinder sich wieder mit Märchen beschäftigen, dass sie in diese fremde Welt eintauchen, Werte wie Freundschaft und Durchhaltewillen erkennen, das hat dann auch den gewünschten edukativen Effekt. Und der ist auf spielerische Art besonders leicht zu bewerkstelligen“, ergänzt sie.

Dass die Grimm-Edition von „Top Trumps“ wegen der vielen weiblichen Heldinnen womöglich eher etwas für Mädchen ist, weist Mandy Henning zurück: „Wir haben auf den 30 Karten auch genug männliche Charaktere, von König Drosselbart bis zum tapferen Schneiderlein.“ Nur einen Prinzen, „den haben wir in der Tat vergessen“, sagt Anne van Straelen. Aber wer sieht, wie viel Selbstbewusstsein das tätowierte Schneewittchen ausstrahlt, fragt sich: Wer benötigt heutzutage schon noch einen Prinzen? Die Märchen-Heldinnen können sich schon ganz gut selbst retten.

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