Oberkassel Düsseldorf als Karikatur

Oberkassel · Wer in der Stadt eine blonde Frau mit Zeichenblock sichtet, der hat vielleicht Kristin Dembny entdeckt. Denn die Künstlerin hat ihr Equipment immer dabei – man weiß schließlich nie, welch' lustige, absurde oder gar politische Situation sich einem als nächste bietet. "Kürzlich etwa kam ich zufällig am Stadtmuseum vorbei, als Oberbürgermeister Elbers den Leiter des Stadtplanungsamtes verabschiedete", berichtet sie. Sofort habe sie Block und Füllfederhalter gezückt, und jetzt ist das Bild Teil ihrer Serie "Düsseldorf – Home, Sweet Home". 60 der handtaschengroßen Werke sind zurzeit im Zentrum Plus Oberkassel ausgestellt.

Es sind die kleinen Kuriositäten des Alltags, die die Künstlerin inspirieren: ein Klo-Häuschen auf dem Dach des Nachbarhauses, Kinderwagen, die sich nebeneinander auf den Gehweg quetschen, so dass kein Passant mehr vorbei kommt, eine Frau im Café, die sich auch von strahlendem Sonnenscheinwetter nicht vom Schimpfen abbringen lässt – sie alle hat Dembny schon verewigt, mit dynamischem, karikaturhaftem Strich. "Es geht mir aber nicht um eine bestimmte Person, sondern um die Situation", erklärt sie. Die Energie des Stadtlebens wolle sie festhalten.

Zwar ist Dembny gebürtige Dresdnerin, lebt aber seit zwölf Jahren in Düsseldorf und hat die Landeshauptstadt in ihr Herz geschlossen. Manch einem ist sie vielleicht ein Begriff durch den Gerresheimer Kunstpreis von 2006 oder durch ihr Geschäft an der Ackerstraße, das bis vor rund einem Jahr bestand. Das Ladenlokal hat sie geschlossen, ihr Atelier ist aber geblieben. "Es zog mich wieder nach draußen", erklärt sie diesen Schritt. Schließlich müsse man in einem Geschäft auch immer präsent sein.

Jetzt ist Dembny lieber mit dem Fahrrad unterwegs, Block und Stift in der Handtasche verstaut. Trifft die Künstlerin auf eine zeichnungswürdige Situation, muss es schnell gehen. Aber eben das bringt besondere Dynamik in ihre Werke.

Zurück im Atelier wird die eine oder andere Tuschezeichnung dann koloriert, manche auch nur teilweise, wenn es zum Motiv passt. Wie bei einer Straßenkreuzung in Flingern: Nur die Ampel ist rot, der Rest schwarz-weiß. Oder eine Szene im Löricker Freibad: Rot sind der Badeanzug einer Frau, ihre Liege, und rot-weiß ist die Absperrung hinter ihr. "Oh Fortuna" hat Dembny darunter geschrieben, in Anlehnung an den Fußballverein. "Daran musste ich sofort denken."

Auch ihre anderen Werke tragen Kommentare. Die Formulierungen sind humorvoll, manchmal ironisch und wertend, aber nie herabwürdigend. Auch dann nicht, wenn das Motiv unansehnlich scheint. Zum Leben, das sie zeichnen möchte, gehören für sie eben auch die Schattenseiten.

Das zeigt sich auch in ihrem sechsteiligen Brecht-Zyklus, der ebenfalls im Zentrum Plus ausgestellt ist: Das insgesamt mehr als vier Meter breite Öl-Gemälde interpretiert die Dreigroschenoper von Brecht. Auch darin zeigt sich wieder der Dembny'sche Humor: Der Polizeichef reitet auf einem Steckenpferd. "Wenn einer so korrupt ist – das wäre ja eine Beleidigung für jedes richtige Pferd", sagt die Künstlerin.

(RP)
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