Derendorf Die Eckkneipe lebt

Derendorf · Anni und Gert Steege betreiben seit 40 Jahren die Gaststätte "Euler 3" in Derendorf.

 Es ist etwas ruhiger im "Euler 3" geworden. Doch noch immer kann Gert Steege auf seine Stammgäste zählen.

Es ist etwas ruhiger im "Euler 3" geworden. Doch noch immer kann Gert Steege auf seine Stammgäste zählen.

Foto: Hans-Jürgen Bauer

Eine Eckkneipe im eigentlichen Sinne ist das "Euler 3" nicht, liegt vor der Ecke von Münster- und Eulerstraße doch noch ein Lottogeschäft. Die Gaststätte erfüllt aber sämtliche Kriterien, die man gemeinhin für ein solches Lokal glaubt, benennen zu können: sie ist klein, nur knapp 35 Quadratmeter, sie wird vorwiegend von Menschen besucht, die in unmittelbarer Nachbarschaft wohnen. Und sie atmet Geschichten - und zwar so viele, wie nur wenige andere Stadtteil-Kneipen in Düsseldorf, denn sie existiert seit 40 Jahren und wird von ein- und demselben Betreiberpaar geleitet: Anni und Gert Steege, die passenderweise im Vorjahr Goldene Hochzeit feiern durften.

Eine dieser Geschichten, die Jahrzehnte überdauern, empfängt den Gast gleich am Eingang: Auf einem Plakat wird der Mittelgewichts-Boxkampf von Gert Steege um die Niederrheinmeisterschaft in der Flurschule Flingern 1965 angekündigt. Natürlich habe er den gewonnen, sagt Steege, "zwar nur nach Punkten, aber es war auch mein erster Seniorenkampf. Der andere sah danach jedenfalls nicht mehr so gut aus". An Gastronomie hat er zu diesem Zeitpunkt nicht gedacht, war unter anderem Fernfahrer für Zement, als der Wirt seiner damaligen Stammkneipe, der Eulerstube, einen Nachfolger suchte. Steege griff zu, es war der 14. Januar 1977.

Mit seiner Frau Anni und den beiden Söhnen zog er von der Kölner zur Eulerstraße 3, die Wohnung im Haus, in der das Paar heute noch lebt, gehörte zur Kneipe. Die Euler, wie man abgekürzt sagen durfte, wurde zum zweiten Wohnzimmer, die Stammgäste wurden zu Freunden. Das Hannen Alt vom Fass floss in Strömen, an Pils war damals noch nicht zu denken. Rauschende Partys wurden gefeiert, "die Gäste standen in Dreierreihen vor dem Tresen", erinnert sich Steege, und die Fußball-Thekenmannschaft zählte zu den besten in der Stadt. Steege kann viele Anekdoten aus dieser Zeit erzählen, nicht alle wären an dieser Stelle druckreif. Denn es herrschte bisweilen ein rauer Ton in der Euler, und außerhalb der Kneipe war es jedem Fremden angeraten, sich nicht mit einem der Stammgäste anzulegen. Das Zusammengehörigkeitsgefühl war groß.

Wirtschaftlich waren die Steeges schon bald nicht mehr unbedingt auf die Eulerstube angewiesen, der Gastronom übernahm in Kaiserswerth das Restaurant Zum Einhorn (dieses Jahr 30-Jähriges!), später kamen weitere Läden wie das Steege's am Deutschen Eck in Meerbusch-Büderich hinzu. 1990 wurde die Eulerstube komplett umgebaut und neu eingerichtet. Statt Hannen Alt gab es nun Gatzweiler, später dann Schlüssel Alt - und sogar Pils. Aus Eulerstube wurde "Euler 3", fortan war nicht mehr so ganz klar, ob man nun in "die" oder in "das" "Euler 3" geht. Jeder hielt es halt so, wie er es für richtig befand.

Bald wird Gert Steege 72 Jahre alt, und immer mehr seiner Stammkunden und Freunde haben inzwischen das Zeitliche gesegnet. "So ist da Leben, da kann man nichts machen. Von denjenigen, die seit dem ersten Tag kamen, sind vielleicht noch eine Handvoll übrig", sagt er. Spätestens mit dem Rauchverbot in Gaststätten wurde es auch in der Euler ruhiger, Jüngere verirren sich eher selten in eine Kneipe wie diese. Noch immer wird Karten gespielt und gewürfelt, fahren Frauen wie Männer auf Tour, ganz wie früher, so lange es eben geht. Noch lebt die kleine Eckkneipe in Derendorf, während viele andere dieser Art längst tot sind. "2020 läuft der Pachtvertrag in Kaiserswerth aus, so lange will ich auf jeden Fall noch weitermachen - wenn es die Gesundheit zulässt", sagt Steege. Von der Euler würde er sich womöglich schon früher trennen, "wenn denn jemand kommt, bei dem ich das Gefühl habe, es passt. Ich will auf jeden Fall, dass der Laden in gute Hände gerät."

Seit zehn Jahren haben die Steeges in Sizilien ein Häuschen, die Zeit in Deutschland wird weniger. Gert Steege hat seine Liebe zu Oldtimern entdeckt, tritt beruflich ohnehin bewusst kürzer. Die Gastronomie macht ihm auch nicht mehr so viel Spaß wie früher, "zu viel Bürokratie, die Auflagen der Behörden werden immer größer. Das war vor 40 Jahren doch alles einfacher und angenehmer". Dass er es im Gegensatz zu vielen anderen in der Branche geschafft hat, führt er nicht zuletzt darauf zurück, dass er sich mit Finanzen auskennt. "Und das ist in der Gastronomie nicht so einfach: Du hast immer Geld in der Kasse. Aber es ist eben nicht alles deins."

(RP)
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