Bilk Senioren brauchen den Dreivierteltakt

Bilk · Ausgelassene Party statt gediegener Nachmittag: Bei der Feier des Seniorenbeirats wird ausgelassen zu Rock- und Pop-Musik gefeiert.

 Girls just wanna have fun: Edelhard Heinmanns (l.) und Marianne Jaros

Girls just wanna have fun: Edelhard Heinmanns (l.) und Marianne Jaros

Foto: Endermann, Andreas (end)

Eine der angesagtesten Tanzpartys der Stadt beginnt schon um 15 Uhr und braucht kein schummriges Licht und Alkohol, um in Schwung zu kommen. Kaum hat Gustav Prochazka, der Alleinunterhalter von rund 90 Ü-60ern in den kommenden drei Stunden, "I can't get no satisfaction" von den Rolling Stones angestimmt, stürmen die Gäste auch schon die Tanzfläche.

 Drei Stunden mit Gustav Prochazka, das waren drei Stunden lang Rock, Schlager und Pop-Musik von den Rolling Stones, Tom Jones und Helene Fischer.

Drei Stunden mit Gustav Prochazka, das waren drei Stunden lang Rock, Schlager und Pop-Musik von den Rolling Stones, Tom Jones und Helene Fischer.

Foto: Endermann, Andreas (end)

Arm in Arm, Wange an Wange tanzen Marianne Jaros und Edelhard Heinmanns. "Bei mir bekommt heute niemand einen Korb", sagt die 74-jährige Marianne Jaros und lacht, "ich will tanzen und eine gute Zeit haben." Das meint auch Rosy Breidbach, die sich seit vielen Wochen auf den Senioren-Tanztee gefreut hatte. "Zu Hause auf Möbel aufpassen, das bin ich nicht", sagt die 74-Jährige, die seit 25 Jahren verwitwet ist und eine erwachsene Tochter hat: "Ich bin dort, wo getanzt wird."

Eigentlich ist die Feier im Bilker Stadtteil-Zentrum mit Senioren-Tanztee überschrieben. Doch das trifft das, was sich dort im Bürgersaal abspielt, nicht richtig. Denn eigentlich dreht sich in den drei Stunden alles um das Tanzen und Spaß haben, Kaffee und Kuchen und auch Konversation sind zweitrangig. Bei der Akustik müsste man vom Sprechen eh in das Schreien übergehen.

 Tanzen statt Kaffee und Kuchen: die 91-jährige Henriette Hendrix

Tanzen statt Kaffee und Kuchen: die 91-jährige Henriette Hendrix

Foto: Endermann, Andreas (end)

Noch vor ein paar Jahren war es für Marianne Jaros undenkbar, zu einer Tanzparty zu gehen. Seit zehn Jahren ist sie verwitwet und als jemand aus der Familie sie fragt, ob sie vielleicht mal mit anderen Gleichaltrigen tanzen gehen wolle, "da war mir bei dem Gedenken alles andere als wohl", sagt Jaros. Dass ein anderer Mann sie anfassen sollte: Das konnte und wollte sich die 74-Jährige nicht vorstellen. Doch als sie sich vor ein paar Jahren dann überwindet und zu einer Tanzveranstaltung geht, merkt sie, wie unbegründet ihr Vorbehalt ist. Denn alle wollen für ein paar Stunden einfach nur gemeinsam tanzen und Spaß haben, ganz unverfänglich und so unkompliziert. Die Männer brauchen die Frauen nicht lange um einen Tanz zu bitten, ein Blick genügt in der Regel. Und auch die Frauen sind selbstbewusst und bitten die Männer um einen Tanz. Abgewiesen wird niemand.

Oft sind es Frauen, die mit anderen Frauen tanzen, denn der Anteil der Männer ist in dieser Altersgruppe gering. "Das ist hier geballte Frauenpower", sagt Marianne Jaros, während sie mit Edelhard Heinmanns Foxtrott tanzt. Und einige Frauen tanzen am Liebsten sogar alleine, so wie Henriette "Henni" Hendrix. Die über 90-Jährige sieht man nur kurz zum Verschnaufen am Tisch, dann zieht es sie wieder hinaus auf das Parkett, wo sie sich langsam zur Musik bewegt und dabei glücklich aussieht.

Auf dem Parkett sind auch Gabi und Richard Wienand, und wenn man sie zu Tom Jones "Sex Bomb" Arm in Arm tanzen und lachen sieht, kann man sich vorstellen, wie sie sich 1988 im Haus Kolvenbach bei einer Tanzparty kennenlernten. "Das Tanzen hat uns immer verbunden", sagt die 70-Jährige aus Friedrichstadt, "und wir vermissen es sehr, dass es für Menschen in unserem Alter kaum noch Gelegenheit dazu gibt." Um etwas dagegen zu unternehmen, hat das Paar viele Jahre selber einen Seniorentanz auf die Beine gestellt. "Früher haben wir zum Beispiel in den Rheinterrassen, in der Kö-Passage und im Provinzial-Gebäude getanzt, doch inzwischen gibt es für Senioren-Veranstaltungen wie diese keinen Platz mehr oder es wird zu teuer", sagt Gabi Wienand.

Für die Party im Bilker Stadtteilzentrum zahlen die Gäste fünf Euro Eintritt, Kaffee und Kuchen inklusive. Möglich macht das der Seniorenrat aus dem Stadtbezirk 3, der das Fest ausrichtet und dafür von der Bezirkspolitik Unterstützung bekommt. "Es ist schade, dass Tanzveranstaltungen wie diese rar sind in Düsseldorf. Wir tanzen so gerne und brauchen eigentlich nur einen guten Rhythmus, am Liebsten den Dreivierteltakt, dann können wir Foxtrott tanzen", sagt Marianne Jaros. Und schon schieben sich die nächsten Gäste auf die Tanzfläche, während Gustav Prochazka jetzt zu deutschen Hits wie "Atemlos" von Helene Fischer übergeht. Und wie bei angesagten Partys üblich, stehlen sich immer wieder einige Menschen in die ausgelassene Party im Bilker Stadtteilzentrum hinein.

(RP)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort