Bilk Ein Brautkleid von Blaukraut

Bilk · Sophie Wilken und Rike Grützmacher verkaufen Secondhand-Brautkleider. In wenigen Monaten hatten sie die Idee ausgearbeitet.

 Sophie Wilken und Rike Grützmacher haben einen Secondhand-Laden für Brautkleider eröffnet.

Sophie Wilken und Rike Grützmacher haben einen Secondhand-Laden für Brautkleider eröffnet.

Foto: anne orthen

Unterschiedlicher könnten die Freundinnen Rike Grützmacher (25) und Sophie Wilken (28) nicht sein. Die eine ist sensibel und romantisch, oft gerührt. Die andere, ein bisschen kühler - "ich komme aus dem Norden", sagt Wilken -, mehr Geschäftsfrau, die mit Zahlen ganz gut umgehen kann und die schnell praktisch denkt. Ein gutes Paar, wie die beiden finden, "wir ergänzen uns", sagt Wilken. Nicht nur im Privatleben, seit ein paar Wochen auch beruflich. Vor einem Jahr standen sie da, die beiden Frauen - Wilken mit ihrem Friseur-Meister, Grützmacher mit ihrem Uniabschluss in Sprachwissenschaften. Beide Mütter, beide ein bisschen perspektivlos.

Inspiriert von der Fernsehsendung "Zwischen Tüll und Tränen" dachten sich Wilken und Grützmacher: "Brautkleider verkaufen können wir auch." Konnten sie nicht, weil die Finanzen nicht stimmten, und irgendwie wollten sie diese Kommerzialisierung von Hochzeiten nicht unterstützen. "So viel Geld für ein Kleid können wir einfach nicht verlangen", sagt Rike Grützmacher. Ein paar Tage gingen vorbei, aus Wochen wurden Monate. Bis Sophie Wilken eine Idee hatte: nämlich Secondhand-Brautkleider zu verkaufen. Zwischen Tür und Angel fasste sie ihre Gedanken in eine Kurznachricht, schickte sie an die beste Freundin. Irgendwie hat es Sophie Wilken geschafft, ihre zunächst mäßig begeisterte Freundin zu überzeugen.

Innerhalb von drei Tagen stellten die beiden einen Businessplan auf, obwohl sie so etwas noch nie gemacht hatten. Zeit, die Unterlagen noch mal durchzuarbeiten, hatten die Freundinnen nicht. Und trotzdem war die IHK begeistert. Sie fanden ein Ladenlokal, runtergekommen, mit schrecklichen Fliesen und Kacheln an Wänden und auf Böden, dicken Rohren, die durch den Raum verliefen. "Fünf Jahre stand es leer, davor waren verschiedene Imbisse drin", erzählt Rike Grützmacher. Niemand hat die Frauen in diesem Geschäft gesehen, Eltern und Freunde schüttelten bloß den Kopf. "Aber wir haben die Schönheit des Ladens erkannt", sagt Wilken, und schön ist er geworden mit den hellen Stuckdecken und dem Holzboden.

Schließlich fehlten nur noch ein Name und die Kleider, als Sprachwissenschaftlerin spielte Rike Grützmacher mit den Buchstaben, drehte Redewendungen und Sprichwörter. "Und dann kam sie auf Blaukraut", sagt die 28-Jährige. Vom Zungenbrecher, "und es passt so gut zu uns", findet Grützmacher. Weil Kraut durcheinander wächst, immer ein bisschen chaotisch, "so wie wir auch ein bisschen chaotisch sind". Damit der Laden bei der Eröffnung nicht leer steht, bestellten Wilken und Grützmacher im Internet ein paar Kleider. Als das erste Päckchen kam, war es vor allem für Rike Grützmacher, als würde sie ihr eigenes Kleid erwarten. Den ganzen Morgen nervte sie ihre Geschäftspartnerin mit Anrufen und SMS - so aufgeregt ist sie gewesen. Als Sophie Wilken endlich mit dem Paket bei ihr war, kullerten zumindest bei der 25-Jährigen die Tränen, "das Kleid war so schön", sagt sie.

Inzwischen hängen 35 Modelle an den Kleiderstangen - lange, kurze, mit Tüll oder Spitze. Wenn eine Braut ihr Kleid verkaufen will, bringt sie es in den Laden. "Voraussetzung ist, dass die Kleider einwandfrei sind", sagt Wilken. Kein Fleck darf auf dem Stoff sein, auch das kleinste Loch ist tabu. "Keine Braut will ein kaputtes Kleid tragen, auch wenn es secondhand ist", sagt Wilken. 600 bis 1000 Euro kosten die Kleider im Blaukraut, maximal 1200 Euro. "Das muss dann ungetragen sein."

Und nicht nur das Kleid gibt es bei den Freundinnen, die Friseur-Meisterin frisiert und schminkt die Bräute auch. "Meine Familie hat eine Gärtnerei", erzählt die 28-Jährige - Blumen für die Hochzeit können also auch organisiert werden. Inzwischen werden die beiden Frauen von weiteren Dienstleistern unterstützt - "sie alle sind Freunde", erzählt Rike Grützmacher. Den Kontakt zu einem Foto- und einem Videografen haben sie, und auch für die Hochzeitstorte gibt es den richtigen Ansprechpartner. "Obwohl wir eigentlich nicht viel mit Hochzeiten zu tun hatten bisher", sagt Grützmacher. Verheiratet ist nämlich noch keine der beiden. Sollten sie aber irgendwann unter die Haube kommen, dann freuen sie sich jetzt schon auf den Brief, den sie bekommen, von der früheren Besitzerin des Kleides. "Wir bitten die Verkäuferin, einen Wunsch zu hinterlassen für die neue Braut", erzählt Rike Grützmacher.

(RP)
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