Grafenberg Bilder eines fast vergessenen Künstlers

Grafenberg · Eine Ausstellung im Uhrenturm präsentiert selten gezeigte Zeichnungen und Collagen von Franz Witte. Der Düsseldorfer Künstler starb 1971 im Alter von nur 43 Jahren. Eine weitere Schau soll im Herbst dieses Jahres folgen.

Friedrich Huppertz dachte, er kenne die wichtigsten Fakten von Franz Witte. Denn Galerist Huppertz und Künstler Witte kannten sich gut. Huppertz führte um 1970 eine Galerie, in der er die letzte Ausstellung des Zeichners und Malers präsentierte. Bei der Vorbereitung für die zurzeit im Uhrenturm stattfindende Ausstellung wurden Huppertz und sein Kollege Klaus Lehmann aber überrascht. Sie fanden heraus, dass Witte zwei Brüder hatte, von dem einer noch viele unbekannte Bilder archiviert hatte.

Franz Witte wurde 1927 in Düsseldorf geboren und war als junger Mann Meisterschüler Otto Pankoks an der Kunstakademie Düsseldorf. Anfang der 1950er-Jahre war Witte als Maler auf dem Höhepunkt seiner Karriere, schuf zahlreiche Bilder und Zeichnungen. "Er wirkte sensibel, arbeitete emotional, nicht intellektuell", sagt Lehmann. Etwa 1952 änderte Witte seinen Stil. "Er begann, intellektuell-abstrakt zu malen und verlor seine malerische Spontaneität", so Lehmann. Das kam nicht gut an. Erfolg und Anerkennung ließen nach, und in einem Anfall von Wut und Depression vernichtete Witte fast alle seine Werke. Nach einigen persönlichen Schicksalsschlägen verlor er jeden Halt und begann zu trinken. Hilfe bekam er von Schriftsteller Günter Grass, der seinen ehemaligen Studienkollegen von Berlin aus unterstützte. Wittes Niedergang konnte Grass jedoch nicht aufhalten. Während Grass mit seinem Buch "Die Blechtrommel" 1959 weltbekannt wurde, irrte Witte durch die Düsseldorfer Altstadt und arbeitete als Nachtwächter. Später zettelte er sogar einen Streit mit dem Autor an. "Witte empfand sich und eines seiner Werke in einigen Passagen des Buches als unrühmlich dargestellt", sagt Huppertz. "Witte war verletzt. Das war sicher nicht die Absicht von Grass."

Witte mobilisierte seine Kreativität, als er von Huppertz' Galerie am Carlsplatz hörte. "Ich überredete ihn, wieder zu malen", sagt der ehemalige Kunsthändler. Ölbilder, Zeichnungen und Gouachen stammen aus dieser Zeit. Huppertz und Lehmann erinnern sich: "Es war eine in sich versunkene, fast farblose Bildwelt in Schwarz-Weiß und Hellblau. Die Motive gaben den Blick frei auf eine trostlose menschliche Situation." Huppertz präsentierte diese Werke 1967 in einer erfolgreichen Ausstellung. Damals rechnete er noch mit einem Comeback Wittes, der wieder viel malte und zeichnete — eben diese Werke, die nun im Uhrenturm zu sehen sind. Richtig auf die Beine kam Witte aber nicht mehr. "Ich musste ihn mehrmals in die Klinik Grafenberg bringen", sagt Huppertz. Wittes Aufenthalte waren freiwillig, er konnte die Klinik jederzeit verlassen. In der Nacht des 9. Februar 1971 tauchte er verletzt im Rheinischen Landeskrankenhaus auf und fiel kurze Zeit später ins Koma. Am 12. Februar starb er. Ob Witte gestürzt oder in einer Schlägerei verwickelt war, ist unbekannt.

Friedrich Huppertz und Klaus Lehmann sind froh, mit der Ausstellung im Uhrenturm an den Künstler erinnern zu können. "Seit mehr als 40 Jahren habe ich diese Bilder in meinem Besitz", sagt Huppertz.

Die 81 neu entdeckten Bilder, die bei einem Neffe Wittes lagern, haben Huppertz und Lehmann noch nicht im Original gesehen. Als Fotostrecke auf DVD sind die Bilder dennoch ein Teil der Ausstellung. Wegen der Neuentdeckungen haben sie das Ausstellungsprogramm im Uhrenturm geändert. Die aktuelle Witte-Schau endet am 29. Juli. Ab Oktober soll es eine separate Ausstellung geben. "Witte ist nun nicht mehr ein vergessener Düsseldorfer Künstler", sagt Huppertz.

(lod)
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