Lesung im Gartensaal von Schloss Benrath Von Steuersündern und braven Steuerzahlern

Der ehemalige NRW-Finanzminister liest Mittwoch im Gartensaal des Schlosses aus seinem Buch „Steuern – Der große Bluff“.

Der frühere Finanzminister von Nordrhein-Westfalen, Norbert Walter-Borjans, hat ein Buch über Steuern geschrieben.

Der frühere Finanzminister von Nordrhein-Westfalen, Norbert Walter-Borjans, hat ein Buch über Steuern geschrieben.

Foto: dpa, skm tba

Norbert Walter-Borjans, geboren 1952, Mitglied der SPD, war unter anderem von 2010 bis 2017 Finanzminister des Landes Nordrhein-Westfalen. Jetzt ist er unter die Buchautoren gegangen.

Ihr Buch heißt „Steuern – Der große Bluff“. Letzterer ist auch der Titel eine bekannten Westerns mit James Stewart und Marlene Dietrich. Sind Sie Western-Fan?

Walter-Borjans Eigentlich gar nicht so. Es geht vielmehr darum, deutlich zu machen, dass in der Debatte über Steuern ziemlich viele Legenden kursieren und auch bewusst gepflegt werden. Ich will die Leser mitnehmen hinter die Kulissen der Steuerpolitik. Steuern gehen uns alle an – egal, ob es um die Einnahmen, um die Verwendung oder um Steuerflucht geht. Auch die trifft uns am Ende alle. Ich finde es wichtig, dass wir alle den Sinn von Steuern, aber eben auch das Machtspiel um Steuern besser verstehen.

Warum ist das wichtig?

Walter-Borjans Steuern sind für die allermeisten Menschen ein Buch mit sieben Siegeln. Dieser mangelnde Durchblick der Vielen ist die Grundlage für enorme Profite für Wenige zu Lasten der Allgemeinheit und des gesellschaftlichen Zusammenhalts. Nur wenn wir alle mehr Durchblick haben, können wir sachlich mitreden und vor allem Druck aufbauen gegen Steuerungerechtigkeiten.

Wie sind Sie dazu gekommen, dieses Buch zu schreiben?

Walter-Borjans Der Verlag ist auf mich zugekommen. Die fanden meine Erlebnisse in der siebenjährigen Zeit als Finanzminister von Nordrhein-Westfalen, wie den Ankauf der CDs mit Namen von Steuerbetrügern, die Bekämpfung von Steuerbetrug oder auch die Auseinandersetzung mit dem damaligen Bundesfinanzministers Wolfgang Schäuble über das Steuerabkommen mit der Schweiz spannend. Aber ich bekam auch Gelegenheit, über den steinigen Weg zu mehr Steuergerechtigkeit und mögliche Lösungen zu schreiben.

Die Veranstaltung am morgigen Mittwoch ist die Premierenlesung Ihres ganz frisch im Oktober erschienenen Buches. Worauf dürfen sich die Besucher gefasst machen?

Walter-Borjans Das Buch ist kein Roman, aus dem man eine halbe Stunde vorlesen kann. Aber es stecken ein paar ganz amüsante Geschichten aus dem wahren Leben drin. Davon werde ich ein paar Kostproben geben. Die sind dann der Aufhänger für ein sicher unterhaltsames Gespräch.

Das Gespräch moderiert der Politikchef der Rheinischen Post, Martin Kessler, und dann haben Sie ja noch einen Gast eingeladen, den Multimillionär Josef Rick. Woher kennen Sie Herrn Rick, der in Ratingen die Firma S&R Bauträger führt und nach eigenen Angaben 30 Millionen Euro alleine auf der hohen Kante hat?.

Walter-Borjans Wir sind uns schon in meiner Zeit als Finanzminister begegnet. Er kann sich herrlich darüber aufregen, dass Leute wie er...

...viel zu viel Steuern zahlen?

Walter-Borjans Eben nicht. Er sagte damals, dass er eine Menge Geld verdiene und sich darüber ärgere, dass er legal und mit Hilfe seiner Steuerberater am Ende seine Steuern deutlich geringer gestalten könne als seine Angestellten. Das fand er nicht in Ordnung. Ihm geht es darum, dass Menschen wie er in diesem Steuersystem gerechter eingestuft werden und dann auch mehr bezahlen, weil sie auch von diesem Staat profitieren.

Herr Rick sagt in Ihrem Buch klar und deutlich, dass er Steuern zahlen will, damit die Infrastruktur in diesem Land aufrecht erhalten bleiben kann...

Walter-Borjans Er sagt klar ja zu einem handlungsfähigen Staat. Das klingt für mich fast etwas skandinavisch. Da trifft man eine wesentlich positivere Grundhaltung der Menschen zu ihrem Gemeinwesen an als bei uns. Ich weiß nicht, woran das liegt. Vielleicht an unserer Historie, dass wir eine deutlich distanziertere Haltung zum Staat und damit auch zu Steuern haben. Ein Bundesfinanzminister hat mal gesagt, dass bei den Deutschen der Steuerspartrieb stärker ausgeprägt ist als der Fortpflanzungstrieb.

Könnte man nicht auch meinen, dass es sich bei uns um eine Art Sport handelt, weniger Steuern zu zahlen als andere?

Walter-Borjans Wir nennen Betrüger der Allgemeinheit immer noch Steuer-„Sünder“. Steuerflucht zu Lasten der Allgemeinheit galt lange als ein Kavaliersdelikt. Eine Steueranwältin hat mir mal von einem Mandaten berichtet, der erwischt worden war. Eine Einsicht in sein eigenes schuldhaftes Versagen hatte er nicht, weil er nach seiner Ansicht doch niemandem persönlich geschadet habe. Am liebsten, so erzählte mir die Anwältin später, hätte sie gesagt: „Doch. Zum Beispiel mir.“ Der Ausfall von Steuern, ob durch Trickserei oder Betrug trifft uns alle und beläuft sich auf Milliarden von Euro. Davon könnte man viele Straßen oder vor allem Schulen sanieren.

Meine Lohnsteuerdaten werden von meinem Arbeitgeber direkt ans Finanzamt geleitet. Ich bin also das typische Beispiel eines gläsernen Bürgers.

Walter-Borjans Wie die meisten. Um so ärgerlicher, dass andere fast unkontrolliert gesetzliche Schlupflöcher ausnutzen können, um sich ihre Steuern niedrig zu rechnen oder sich sogar Geld zurückerstatten zu lassen, das sie nie gezahlt haben.

Wir Otto-Normal-Steuerzahler haben diese Möglichkeit nicht. Der Bund der Steuerzahler meldet jeden Sommer Anfang Juli, dass die Bürger nun endlich ihr Geld für sich verdienen.

Walter-Borjans Dazu muss man wissen, dass der Bund für Steuerzahler vor allem eine Lobby für besonders gut Verdienende ist. Er setzt bewusst auf Empörung der Kleinen, um Lobby für die Großen zu machen. Hinweise auf wirkliche Misswirtschaft sind wichtig; Irreführung der Bürger mit dem Ziel, sie mit noch dazu falschen Berechnungen gegen ihre eigenen Interessen zu instrumentalisieren, ist inakzeptabel.

Wie meinen Sie das?

Walter-Borjans In die Berechnung der Steuerlast fließen zum Beispiel Steuern mit ein, die der Staat an sich selber zahlt, etwa Mehrwertsteuer. Oder die Beiträge für Kranken-, Arbeitslosen- und Rentenversicherung. Das heißt dann alles „Steuern“. So wird der Eindruck geweckt, dass die Mitte der Gesellschaft viel zu viel für Dinge zahlt, von denen sie rein gar nichts hat. Wenn die Menschen aber ihren Steuerbeitrag überschätzen, dann überschätzen sie auch, was eine Steuersenkung bringen würde. Die Lobby-Forderungen zielen in Wahrheit auf Steuersenkungen für einen sehr kleinen Teil sehr gut verdienender Leute ab. Was dann aber nicht mehr finanzierbar wäre, träfe wirklich die Mitte. Wir brauchen eine wirkliche Entlastung der kleinen und der wirklich mittleren Einkommen.

Machen Sie eigentlich Ihre Steuerklärung selber?

Walter-Borjans Ich könnte es, genieße aber, dass ein alter Freund aus Kindertagen Steuerberater geworden ist...

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