Mit Franz Lamprecht "Chorleiter muss guter Entertainer sein"

Düsseldorf · Der Oratorienchor Hilden feiert in diesem Jahr sein 40-jähriges Bestehen. Gegründet hat den Chor Franz Lamprecht.

 Die Besucher des Festivals bringen Tische, Stühle, Essen und Getränke mit.

Die Besucher des Festivals bringen Tische, Stühle, Essen und Getränke mit.

Foto: Christoph göttert

Mit 22 Jahren, als Student, haben sie den Oratorienchor Hilden gegründet. Heute zählt er 105 Sänger. Daneben haben Sie Chöre in Wuppertal und Düsseldorf gegründet. Wenn alle zusammen auftreten, stehen über 200 Personen auf der Bühne. Andere Chöre klagen über Nachwuchsmangel. Was ist Ihr Geheimnis?

Lamprecht Erfreulicherweise haben wir in allen Chören "Nachwuchs" aus der Generation 40+. Ganz wichtig hierfür ist eine gute Präsenz im Internet; fast alle Zugänge der letzten Jahre kamen hierüber zu uns. Und dabei ist es natürlich wichtig, ein attraktives Programm anzubieten. Der Oratorienchor zum Beispiel singt in seinem Jubiläumsjahr sechs verschiedene Konzerte und macht eine Konzertreise.

Was zeichnet einen guten Chorleiter aus?

Lamprecht Er muss ein guter Musiker und ein guter Entertainer sein — für die Sänger und das Publikum. Und zusätzlich noch ein guter Manager.

Warum singt der Oratorienchor nicht mehr in der Hildener Stadthalle?

Lamprecht Diese Kostenentwicklung war ein schleichender Prozess über etliche Jahre hinweg. Irgendwann mussten wir nach 38 Jahren leider sagen: Es geht einfach nicht mehr. Unsere Veranstaltungskosten waren bei einem Konzert für 500 Personen in der Hildener Stadthalle die gleichen wie in der Historischen Stadthalle Wuppertal für fast 1500 Besucher.

Der Oratorienchor tritt am 23. März in der historischen Stadthalle Wuppertal auf. Folgt Ihnen das Hildener Publikum dorthin?

Lamprecht Wir konnten durch die Verlegung des Frühlingskonzerts nach Wuppertal (das dort bisher immer ausverkauft war) unser Defizit halbieren. Dem Hildener Publikum bieten wir nach Wuppertal wie auch nach Neviges und zum Jubiläumskonzert in Balve einen preiswerten Bustransfer ab Lindenplatz an, der sehr gerne genutzt wird. Nach Balve haben wir bereits drei Busse gefüllt.

Ihr Konzert in der Balver Höhle am 24. August ist bereits ausverkauft. Ist das ein neuer Trend: Musik an spektakulären, ungewöhnlichen Orten?

Lamprecht Ein derartiges Konzert hat es dort noch nicht gegeben. Für uns war dies eine ähnliche Herausforderung wie unsere Open Air Konzerte im Sommer, und nur durch diese Erfahrungen konnten wir das Groß-Projekt in Balve umsetzen. In der Tat liebt das heutige Publikum Konzerte an besonderen Orten (siehe auch das Konzert bei Kerzenschein im Mariendom von Neviges) und nimmt dafür auch gerne eine längere Anfahrt in Kauf. Für Balve gibt es ebenfalls Zubringerbusse vom Düsseldorf und Wuppertal. Ob wir etwas derartiges dann nochmals machen werden, hängt von den Erfahrungen bei diesem Konzert ab.

Müssen Sie bei der Gestaltung des Programms mehr Rücksicht auf den Geschmack des Publikums nehmen?

Lamprecht In der Tat müssen wir viel mehr als früher aus Kostengründen Rücksicht auf den Geschmack des Publikums nehmen und singen vielfach andere Literatur (Oper, Operette) als damals.

Sie haben auch das Schloss-Benrath-Musikfestival erfunden. Wegen des aufwendigen Sicherheitskonzepts findet nur noch ein Schlosskonzert im Jahr statt. Stehen die beliebten Konzerte mit Feuerwerk vor dem Aus?

Lamprecht Selbstverständlich werden unsere Open-Air-Konzerte im Benrather Schlosspark weiter stattfinden, in diesem Jahr am 28. Juni. Zur Zeit arbeiten wir zusammen mit der neuen Leitung der Stiftung "Schloss und Park Benrath" an einem gemeinsamen Konzept für die Zukunft. In der Tat haben uns, ähnlich wie bei den Schützen und Karnevalisten, die ständig steigenden Sicherheitsauflagen sehr zu schaffen gemacht - und das bis heute. Ob es in der Zukunft noch einmal wieder ein zweites Konzert geben kann, werden die nächsten Monate entscheiden.

Sie planen eine Chor- und Konzertreise nach Transsilvanien. Wie kam die zustande?

Lamprecht Bei unserer fünften Chorreise nach Transsilvanien treten wir dort mit 90 Choristen auf. Da ich dort seit über zwanzig Jahren regelmäßig dirigiere, werden wir sicherlich auch bestens gefüllte Konzertsäle haben. Diesmal sollen die Mitreisenden noch mehr als bei vergangenen Reisen die Schönheiten Siebenbürgens (=Transsilvanien) kennenlernen — bis hin zur typischen Weinprobe. Und mit meinen beiden Orchestern dort verbinden viele Chormitglieder langjährige persönliche Freundschaften.

Was ist für Sie der aufregendste Konzertort in der Region und warum?

Lamprecht Zum Glück gibt es in unserer Region verschiedene wunderbare Konzertorte: Neben dem Nevigeser Dom natürlich auch die Düsseldorfer Tonhalle und die herrliche Historische Stadthalle Wuppertal. Ich freue mich sehr darüber, dass wir mit dem Oratorien-Chor dort überall musizieren können.

Welcher Auftritt wäre für Sie die Krönung ihrer musikalischen Karriere und warum?

Lamprecht Darüber habe ich noch nie nachgedacht.

Was war das schönste Kompliment, das Sie als Dirigent erhalten haben?

Lamprecht An einzelne Komplimente kann ich mich beim besten Willen nicht mehr erinnern. Aber man hat mir oft gesagt, dass ich bei der Musik nicht störe - darüber habe ich mich immer gefreut.

Sie sind ein vielbeschäftigter Dirigent, ständig auf Reisen. Wie sieht für Sie der perfekte Tag aus, wenn Sie frei haben?

Lamprecht Freie Tage habe ich nur, wenn ich im Urlaub verreist bin. Ansonsten arbeite ich sieben Tage in der Woche. Und im Urlaub erhole ich mich dann am besten, wenn die wichtigste Entscheidung des Tages ist: Gehen wir heute rechts oder links den Strand entlang?

Sie sind jetzt 62 Jahre alt. Wie lange wollen Sie noch am Pult stehen? Haben Sie persönliche Pläne?

Lamprecht Eine Lebensplanung habe ich nie gehabt - und so wird es auch bleiben. Dirigenten stehen bekanntlich so lange am Pult, wie es ihre Gesundheit zulässt und es immer noch genügend Publikum gibt, das einen hören will. So wird es auch bei mir sein.

Was soll man später einmal über Sie sagen?

Lamprecht Dass ich mich bemüht habe, für möglichst viele Menschen Musik zu machen.

CHRISTOPH SCHMIDT FÜHRTE DAS INTERVIEW.

(RP)
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