Stadtteil-Check Golzheim Der unterschätzte Stadtteil

Golzheim hat mehr zu bieten, als mancher denkt: Rheinpark und Golzheimer Friedhof, Synagoge und BV-04-Platz. Der Stadtteil ist aber vor allem ein ruhiges Wohnviertel, die Grenzen zu Pempelfort und Derendorf sind fließend.

 Nicole Kleffken und Carsten Meurer mit Tochter Marsha im Garten ihres Wohnhauses an der Seydlitzstraße. Auch so ein Hinterhof-Idyll, das man so nicht vermutet.

Nicole Kleffken und Carsten Meurer mit Tochter Marsha im Garten ihres Wohnhauses an der Seydlitzstraße. Auch so ein Hinterhof-Idyll, das man so nicht vermutet.

Foto: Marc Ingel

Der erste Eindruck von Golzheim ist positiv: In der Erwartung, auf der Suche nach einem Parkplatz mehrere Runden um den Block fahren zu müssen, verlässt auf der Seydlitzstraße plötzlich ein Auto eine der heiß begehrten Parklücken und löst für einen kurzen Moment ein Gefühl der Euphorie aus. Mit so wenig kann man in einem Stadtteil, in dem der Parkdruck enorm hoch ist, den Besucher schon glücklich machen.

Nicole Kleffken und Carsten Meurer haben kein Auto, noch nie gehabt, obwohl beide einen Führerschein besitzen. „Wofür?“, fragt Meurer. „Alles ist fußläufig, mit dem Rad oder auch mit öffentlichen Verkehrsmitteln erreichbar“, sagt er. Seit 25 Jahren wohnt er mit Lebensgefährtin Nicole Kleffken an der Seydlitzstraße, vor 19 Jahren kam Tochter Marsha hinzu. „Mein Gott, 25 Jahre, ein Vierteljahrhundert“, muss Meurer kurz Luft holen, beide sind inzwischen 50 – das sind beeindruckende Zahlen, die auch von Bodenständigkeit zeugen. „Obwohl ich ja eigentlich ein Flinger Mädchen bin und nicht gedacht hätte, dass man mich von dort weglassen würde“, blickt Nicole Kleffken zurück. „Da musste der Umzug natürlich sitzen“, fügt Meurer hinzu. Vielleicht, weil der erste auch der letzte Umzug gewesen sein könnte? „Vielleicht“, überlegt der 50-Jährige laut.

Jedenfalls fühlt sich die kleine Familie in Golzheim wohl. Obwohl der Stadtteil zusammen mit Pempelfort und Derendorf eher eine Einheit bilde, die Grenzen zwar auf dem Stadtplan exakt festgelegt seien, man sich gefühlt aber frei zwischen ihnen bewege, ohne sich dessen wirklich bewusst zu sein. Die Stammkneipe, das Mutt’s, liegt ebenso in Pempelfort wie zum Einkaufen die Nordstraße, auch die Münsterstraße in Derendorf gehört zum Einzugsgebiet. Das wahre Dreieck sei übrigens nicht das geografische, offiziell sogenannte Dreieck an der Nord­straße, sondern die Ecke, wo Roß-, Klever- und Collenbachstraße und damit alle drei Stadtteile aufeinandertreffen. Dort gibt es ein Büdchen, „die haben einfach alles. Außer einen nervenden Paketdienst“, weiß Nicole Kleffken.

 Prinzipiell ist und bleibt Golzheim aber ein reines Wohnviertel. Gastronomisch ging es in den letzten Jahren bergab. Em Krönche, Anker, Laternchen – hat alles dichtgemacht. Wenn das Paar innerhalb von Golzheim weggeht, dann allenfalls zum Türken ins Lezzet an der Roßstraße. Aber Golzheim muss doch noch mehr zu bieten haben, der Name taucht immer wieder auf: der Club Golzheim an der Theodor-Heuss-Brücke, der Golzheimer Friedhof, das Golzheim Festival. Na klar: Letzteres findet im Rheinpark statt, der gehört ebenso zu Golzheim wie der Friedhof, auf dem Friedrich Wilhelm von Schadow oder Maximilian Friedrich Weyhe begraben sind. Die jüdische Sy­nagoge oder der Platz des BV 04, auf dem jedes Jahr das große Osterturnier für Fußball-Junioren stattfindet – alles Golzheim. Na geht doch.

Apropos Fußball. Der spielt im Leben von Nicole Kleffken und Carsten Meurer eine ganz besondere Rolle. Beide sind glühende Fortuna-Fans, fahren zu jedem Heimspiel (mit dem Rad am Rhein entlang durch Golzheim). Meurer lässt sich auch kein Auswärtsspiel entgehen, und damit nicht genug: Seit 1990 war er bei jeder Fußball-WM oder -EM mit nur einer Ausnahme: dem Turnier in den USA 2002. Am Wochenende ist er im weißrussischen Borisov, wenn die deutsche Nationalmannschaft dort ihr EM-Qualifikationsspiel bestreitet. Das ist wahre Fußballleidenschaft.

Während Nicole Kleffken als Kostümschneiderin bei der Oper arbeitet, muss Carsten Meurer für den Job bei der Telekom in Bonn mit Rad, Intercity und U-Bahn täglich zweimal eine Stunde und 40 Minuten aufbringen. „Ich lese Zeitung, arbeite auf dem Laptop, mit dem Auto wäre ich auch nicht schneller“, sagt der Gemütsmensch. Wie gesagt: Das Parkplatzproblem im Stadtteil interessiert die beiden nicht die Bohne. Nicole Kleffken freut sich dagegen, dass die Klever Straße endlich einen Radweg erhalten soll, „der fehlt absolut“, sagt sie.

Ansonsten sind sie aber sehr zufrieden mit ihrem Stadtteil, dem ganzen Umfeld, dem Kolpingplatz, der Nähe zum Rhein und zur Innenstadt. Und dann birgt Golzheim auch noch ein Geheimnis, direkt auf der Seydlitzstraße, quasi vor der Haustür von Kleffken und Meurer. Denn dort folgt auf die Hausnummer 27 direkt die 39. Wo sind die fünf Häuser geblieben? Die Antwort da­rauf muss jedoch leider eine andere Geschichte liefern. Marc Ingel

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