So Klingt Düsseldorf "Trommeln ist pure Energie"
Düsseldorf · Musik ist unberechenbar: Manchmal geht sie direkt in die Beine und lässt sie nicht mehr still stehen. Manchmal nistet sie sich im Gehör ein und wird zum "Ohrwurm". Und dann gibt es Musik, die ist so gewaltig, dass sie die Luft vibrieren und den Magen erzittern lässt. Das passiert regelmäßig, wenn eine Gruppe von 40 Trommlern mal so richtig drauf haut. Dieses Klangerlebnis hat einen Namen: "Tahougan" - sprechende Trommeln.
Als Edit Graf ein junges Mädchen war, hatte sie zwei Träume: Sie wollte Straßenbahnfahrerin werden und mit ihren Freundinnen eine Band gründen, um Schlagzeug zu spielen. Das mit der Straßenbahn wurde erst mal nichts, das mit der Band auch nicht. Aber nachdem die gebürtige Ungarin 1996 nach Düsseldorf gekommen war, sah sie einen Nachbarn mit einer Trommel aus dem Haus gehen und wurde neugierig. So traf sie Nico Touglo, Elektrotechniker und gebürtiger Togolese, der seit über 20 Jahren in Düsseldorf lebt und die Musik seiner westafrikanischen Heimat an den Rhein transportiert hat. Die Lebensfreude gleich mit dazu.
Er ist für seine Trommler alles auf einmal: Lehrer, Antreiber und Inspiration. "In Togo wird eigentlich immer getrommelt, es gehört zu den Ritualen des Lebens dazu, ob Hochzeit gefeiert wird, jemand gestorben ist, oder die Regenzeit beginnt." Das Ritual in Düsseldorf heißt: Jeden Dienstag, unabhängig von Wetter und Jahreszeit, wird getrommelt. Da schleppen 40 Männer und Frauen zwischen 18 und 70 Jahren abends ihre Djembe, die traditionellen afrikanischen Trommeln, in eine Schulaula - "weil dort ihre Lautstärke niemanden stört." Jedes Stück ist handgefertigt, aus speziellem Klangholz geschnitzt und mit Ziegen- oder Kuhfell bespannt. Die Djembe werden ergänzt von Basstrommeln (Djun-Djun), Metall-Glocken (Ghanabell) und Rasseln (Shekere), die aus einem trockenen, harten Kürbis entstehen und von einem Netz aus Kaurimuscheln und Perlen geschmückt werden.
"Trommeln ist pure Energie", sagt Edit Graf. Und offenbar ein Entspannungstraining gleichzeitig. Denn sobald diese Gruppe in ihren Rhythmus findet, sind reihum lächelnde Gesichter zu sehen. "Wenn ich trommele, bin ich ganz bei mir", ergänzt ihre Nachbarin Silke Cremer, manchmal fühle sie sich wie in Trance. Neben diesen langjährigen Trommlerinnen sitzen Anfänger, denen die afrikanischen Rhythmen noch nicht so leicht aus den Fingern fließen. Das scheint die Spielfreude nicht zu schmälern. "Die werden von der Gruppe getragen", meint Nico, der Chef, der mit Freude beobachtet, dass nach so einem Abend "alle mit guter Laune nach Hause gehen."
Mit ihren sprechenden Trommeln tritt die Truppe oft bei Straßen- und Stadtfesten auf, schlägt für die Läufer des Düsseldorfer Marathons den Takt und sorgte neulich auf dem Betriebsfest der Rheinbahn für den guten Ton. Das hat übrigens etwas mit Edit Grafs Traum, Teil eins, zu tun. Denn sie wurde nach einigen Umwegen doch noch das, was sie schon als 18-Jährige unbedingt wollte: Straßenbahnfahrerin. Nun verbindet sie ihre Leidenschaften. "Ich kann morgens um vier Uhr aufstehen, eine Schicht Straßenbahn fahren, und wenn ich dann abends vom Trommeln komme, bin ich wieder quicklebendig." Eigentlich würde sie auch in ihrem Alltag ständig trommeln, zuhause mit Kochlöffeln.
Und wenn gerade gar kein Gerät zur Hand ist, "trommele ich auf meinen Oberschenkeln."
Ute Rasch