Düsseldorfer Unternehmerin Nicola Baumgartner ist eine ungewöhnliche Chefin

Düsseldorf · Inklusion im Alltag: Das ist bei der Düsseldorfer Teemanufaktur Shuyao nicht bloß so dahingesagt. In dem Unternehmen haben rund 50 Prozent der Belegschaft eine Behinderung. Der Multichannelsender QVC möchte ebenfalls zur gelebten Inklusion beitragen und setzt bei seinen Shuyao-Liveshows nun Gebärdensprachdolmetscher ein.

Inklusions-Preisträgerin Nicola Baumgartner (Teemanufaktur) mit Mitarbeiterin Kathlyn Flormann (v.l.)

Inklusions-Preisträgerin Nicola Baumgartner (Teemanufaktur) mit Mitarbeiterin Kathlyn Flormann (v.l.)

Foto: Bretz, Andreas (abr)

In Balance zu bleiben, darum geht es, wie Nicola Baumgartner in ihrem kleinen Büro sagt. Auf ihrem Stehschreibtisch steht eine kleine Porzellantasse mit dampfendem Tee. Im einzigen Regal im Raum liegen Bücher über chinesische Symbole, Weisheitslehre und Gärten des Orients. „Von allem in Maßen ist am besten“, wiederholt sie. „Deshalb mag ich die fernöstliche Teekultur so sehr.“ In Asien sei Tee ein Genussmittel und zugleich Teil der traditionellen Medizin. Mit ihrer Teemanufaktur Shuyao macht die Unternehmerin Nicola Baumgartner die fernöstliche Teekultur in Deutschland bekannt und leistet dabei Besonderes: Die Hälfte ihre Angestellten hat eine Behinderung, sie schuf Teleshopping mit Gebärdendolmetschern und wurde zum Vorbild für inklusive Unternehmen.

„Geschmack gibt’s hier nicht. Das sind alles Naturzutaten“, sagt Baumgartner in der Produktionshalle neben ihrem Büro. Im Regal stehen Dosen für Kunden mit handgeschriebenen Etiketten wie „Mein Ausgleich“, „Du bist schön“ oder „Entspann dich, Sandra“.  Seit 2006 bedient sich Shuyao aus der Naturapotheke, wie sie den Ursprungsort der Teezutaten nennt. „Genieße das Jetzt, um das Morgen zu meistern“, sagt die 49-Jährige über den Firmennamen, der gut zu ihr passt.

„Ich habe von klein auf einen verantwortungsvollen Umgang mit Lebensmitteln gelernt“, sagt Baumgartner, die in einem kleinen Dorf im bayrischen Wald aufwuchs. Nach einem Studium der Betriebswirtschaftslehre arbeitet sie in Düsseldorf für einige große Firmen. 2004 nimmt sie sich eine einjährige Auszeit und reist nach Asien, wo sie die Teekultur entdeckt. „Die Taxifahrer haben mich immer wieder sitzengelassen, um ihre Teegläser mit heißem Wasser aufzufüllen.“ Dabei kommt ihr die Idee: Tee zum Mitnehmen. 2006 eröffnet sie an der Königsallee eine Tee-Lounge. „Wir hatten viele internationale Kunden, aber kaum Düsseldorfer.“ Das Geschäft schließt 2014. Kontrastprogramm: Die Teemanufaktur und der Webshop aber laufen immer besser.

Ein Unternehmen wie jedes andere ist Shuyao aber nicht. Jeder Zweite der 25 Beschäftigten hat eine Behinderung. Die meisten von ihnen sind gehörlos. Den Anfang macht 2011 eine gehörlose Frau, die sich selbstbewusst und auch irgendwie witzig mit den Worten „Ich quatsche nicht viel während der Arbeit“ bewarb. Baumgartner sucht eine zweite Gehörlose und stellt beide Frauen ein. „Ich weiß als Frau von meinen vorherigen Führungsposten, dass es schöner ist, wenn man wenigstens zu zweit in der Minderheit ist.“

Auch hier gehe es um die Balance. Das tägliche Miteinander bereichere sehr, weil man viel klarer kommunizieren müsse. „Letztlich ist es nur eine andere Sprache“, sagt Baumgartner.

Im vergangenen Jahr entscheidet sie sich zum Welttag der Menschen mit Behinderung, zum Multichannelsender QVC in Düsseldorf zu gehen. Ihr Vorschlag: eine Verkaufssendung mit Gebärdendolmetscherin. „Für unsere Mitarbeiter ist es schön, die Produkte in der Sendung erleben zu können“, sagt Baumgartner. Am heutigen Freitag (13. März) strahlt der Sender bereits die vierte Folge aus. Einmal im Monat packt die Belegschaft seitdem Paletten mit Tee für QVC-Kunden.

Als Belohnung für die erfolgreiche Inklusion der kleinen Manufaktur steht im April eine besondere Reise an: Das gesamte Unternehmen fährt nach Berlin, um dort den Inklusions-Preis des Bundeswirtschaftsministeriums entgegenzunehmen. „Es ist ein Preis für die Belegschaft und ein Zeichen, dass wir nicht bloß Quoten erfüllen wollen.“

Eine andere Reise muss hingegen aufgeschoben werden. „Eigentlich will ich alle zwei Jahre nach Asien reisen“, sagt Baumgartner. Zuletzt habe das nicht funktioniert. Zu viel gibt es im Unternehmen zu tun, spätestens, wenn am Montag die neuen Paletten gepackt werden. Dann werden der süßliche Geruch in der kleinen Produktionshalle und ihre Tasse mit Tee auf dem Schreibtisch zum Heilmittel gegen das Fernweh.

Robin Hetzel

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