Düsseldorf Eine Nacht im Hotel mit den Weltmeistern

Düsseldorf · Wenn man im Aufzug einen Weltmeister trifft, muss man sich vorbereiten. Sonst steht da plötzlich Jérôme Boateng, und man starrt ihn beim Einstieg eine Millisekunde zu lang an, weil man das Gesicht aus dem Fernseher erst einem Hotelaufzug in Düsseldorf zuordnen muss, und er merkt das, und schon ist die Situation unangenehm.

Eine Nacht im Hotel mit den Weltmeistern
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Oder man trifft Andreas Köpke, der mit Urs Siegenthaler fachsimpelt. Also: Einfach vornehmen, in jedem Fall sofort freundlich "Hallo" zu sagen, dann sagen sie "Hallo" zurück. Der Rest der Fahrt ist bedeutend weniger spektakulär, als es hinterher klingt, wenn man erzählt, dass man im Lift mit Fußballstars war. Die meisten Spieler starren auf ihr Handy und schreiben SMS. Vielleicht auch, um zu vermeiden, dass sie schon wieder angequatscht werden.

Die Nationalmannschaft wohnt bis Freitag im Hyatt im Medienhafen. Ich habe mich für eine Nacht auch in das Hotel eingemietet. Der Kontakt mit der DFB-Auswahl beschränkt sich aber, das muss man ehrlich sagen, größtenteils auf den Aufzug. Die DFB-Delegation wohnt auf den Etagen 14 bis 16. Zumindest erzählt man sich das, das Hotel gibt keine Auskunft. Auf diese Etagen gelangt man nur mit der richtigen Zimmerkarte. Ich wohne auf Etage 13. Partylärm jedenfalls ist von oben nicht zu hören.

Düsseldorf begrüßt die Weltmeister 2014
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Treffpunkt der DFB-Delegation ist der Tagungsbereich im Erdgeschoss. Dort essen die Spieler zu Abend und frühstücken. An der Tür steht: "Geschlossene Gesellschaft", zwei Sicherheitsleute sorgen dafür, dass das so bleibt. Die Mannschaft versteckt sich aber nicht. Kevin Großkreutz läuft mit Badeschlappen in der Hand durch die Lobby, Roman Weidenfeller schaut kurz in der Bar vorbei. Sie müssen für etliche Fotos posieren. Wer zum DFB gehört, ist leicht zu erkennen. Die Kleiderordnung verlangt blauen Trainingsanzug.

Mehr als 45 000 Menschen waren gekommen, nur um sich ein Training anzuschauen - die Nationalmannschaft ist die größte Attraktion des Landes. Was das bedeutet, spürt man am besten dort, wo sie nicht ist. Zum Beispiel vor der Tür. Jeder Hundespaziergang und jede Fahrradtour scheinen heute zum Hyatt zu führen. Dann stehen die Menschen da und warten, alte und junge, manche in Arbeitskleidung, andere im Trikot. Manchmal fasst sich einer ein Herz und geht ins Hotel, die Hände in den Hosentaschen. Als würde das unsichtbar machen. Die Hotelbar ist voller Jugendlicher, die Ausschau nach blauen Trainingsanzügen halten. So viele Besucher mit Kapuzenpulli und Baseball-Kappe gab es hier noch nie.

Öffentliches Training der Nationalmannschaft in Düsseldorf
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Öffentliches Training der Nationalmannschaft in Düsseldorf

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Draußen treffe ich viele Fans, die um das Gebäude streifen. An einem Fenster kleben Ina, Lena und Nicole. Sie haben Mario Götze entdeckt, der in einer Lounge sitzt, mit dem Rücken zur Scheibe. "Der ist voll süß", findet Ina, die 15 ist, und knipst mit dem Handy ein Bild nach dem anderen. "Ihr seid voll peinlich", meint Nicole. Lena findet das nicht. "Lass deinem Herz freien Lauf! Die sehen einen nie wieder." Inzwischen starren vier weitere Mädchen durch die Scheibe. Zwei versuchen, Räuberleiter zu machen, für einen besseren Blick. Dann stellt sich ein Kerl um die 40 dazu. "Der Götze ist genauso arrogant wie Thomas Müller", sagt er, mehr zu sich selbst. "Der kommt nicht raus." Er beginnt, an die Scheibe zu hämmern. Jetzt wird es Ina, Lena und Nicole wirklich peinlich. Götze dreht sich nicht um.

Der irrste Moment des Abends: Ein Stück weiter steht eine Tür auf - und dahinter ein Mann mit dem WM-Pokal. Es laufen Vorbereitungen für ein Foto-Shooting. Zwei Jungs, die das auch mitbekommen, fällt beim Anblick des Pokals die Kinnlade hinunter. Einer fragt: "Ist das der Echte?" "Ja", sagt einer von drinnen. Dann geht die Tür wieder zu. Das glaubt einem doch kein Mensch.

WM 2014: Joachim Löw jubelt nach WM-Titel mit Pokal
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Löw jubelt nach WM-Titel mit Pokal

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Foto: dpa, nic

Auf der Terrasse an der Hinterseite des Hotels erkennt man einmal aus der Entfernung Joachim Löw, der telefoniert und in den Rhein starrt. Sogar er trägt blauen Trainingsanzug. Später sitzt er mit Köpke und Siegenthaler zusammen, man sieht sie durchs Fenster, wie sie auf eine Tafel schreiben. Die Aufstellung? Nicht zu entziffern.

Gegen 22 Uhr ist die Nationalmannschaft weg. Das Hyatt wird wieder ein normales Hotel. Die Jugendlichen, die noch Geld für ein Getränk haben, vergleichen ihre Schnappschüsse. Ein Mann spricht auf der Terrasse zwei Fans an. "Habt ihr Spieler gesehen?" "Nein", antworten sie. Sie waren zu spät. "Aber immerhin sind die Spieler hier", sagt der Mann. "Sie könnten auch woanders sein." Die Jungs schauen sehnsüchtig nach oben. Wo die DFB-Elf wohnt, brennt noch Licht.

(RP)
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