Aktion Das Gesicht hinter der Tanzhaus-Kampagne

Düsseldorf · Plötzlich war da diese Werbetafel. Metergroß, mitten in der Stadt. "Ich war schon ein bisschen überrascht, als ich mich zum ersten Mal so gesehen habe", sagt Anys Reimann. Die 51-Jährige ist eine von sechs Frauen und Männern, die sich für die Reihe "Real Bodies" des Tanzhauses in Unterwäsche haben fotografieren lassen. Detailaufnahmen ihrer Körper sind in der Stadt plakatiert. Die Teilnehmer eint, dass sie alle nicht gängigen Schönheitsidealen entsprechen. Einer von ihnen trägt eine Prothese, ein anderer hat einen sehr deutlichen Bauch.

 Anys Reimann auf der Ratinger Straße in der Altstadt. Mit Ende 40 hat sie angefangen, an der Kunstakademie zu studieren.

Anys Reimann auf der Ratinger Straße in der Altstadt. Mit Ende 40 hat sie angefangen, an der Kunstakademie zu studieren.

Foto: Andreas Endermann

Plötzlich war da diese Werbetafel. Metergroß, mitten in der Stadt. "Ich war schon ein bisschen überrascht, als ich mich zum ersten Mal so gesehen habe", sagt Anys Reimann. Die 51-Jährige ist eine von sechs Frauen und Männern, die sich für die Reihe "Real Bodies" des Tanzhauses in Unterwäsche haben fotografieren lassen. Detailaufnahmen ihrer Körper sind in der Stadt plakatiert. Die Teilnehmer eint, dass sie alle nicht gängigen Schönheitsidealen entsprechen. Einer von ihnen trägt eine Prothese, ein anderer hat einen sehr deutlichen Bauch.

Auch Anys Reimann hat keine Modelmaße, ebenso wenig entsprechen ihre Tattoos der Norm. Sie habe nur kurz gezögert, bei der Aktion mitzumachen. "Der Name ,Real Bodies' sagt alles aus, was ich befürworte", sagt die Düsseldorferin. Sie lehnt die in der Werbung vorherrschende Körper-Ästhetik ab. Zudem schätzt sie das Tanzhaus, bei dem sie als Laie bei Aufführungen der Choreografen Jérôme Bel und Jan Martens mitgemacht hat.

 Aufnahmen wie diese von Anys Reimann sind derzeit an vielen Orten in der Stadt zu sehen.

Aufnahmen wie diese von Anys Reimann sind derzeit an vielen Orten in der Stadt zu sehen.

Foto: Moxie.de

Zwei Arten von Reaktionen hat Anys Reimann auf die Aufnahmen bekommen, erzählt sie. Einige Leute haben sehr deutlich Kritik geäußert. "Manche haben gesagt: ,Das ist ekelhaft'", sagt Reimann. Diese Ablehnung kann sie nicht nachvollziehen. "Anscheinend ist Menschlichkeit provokanter als der Ersatzteil-Körperwahn." Aber es gab auch Personen, die sie für den Mut gelobt haben, bei der Aktion mitzumachen. Ihr elfjähriger Sohn, der auch im Tanzhaus tanzt, fand die Aktion sogar richtig toll. Nahezu niemanden lassen die Bilder kalt, fast jeder hat eine Meinung zu den Fotos. Auch beim Tanzhaus ist man mit der Resonanz sehr zufrieden. Die Fotos hat das Moxie Collective, ein Zusammenschluss von Kreativen mit Sitz an der Volmerswerther Straße in Unterbilk, gemacht.

Genau wie die Aufnahmen nicht den Konventionen entsprechen, ist auch die Biografie von Anys Reimann alles andere als gewöhnlich. Sie wuchs in Kaiserswerth auf, besuchte dort die Grundschule und das Gymnasium. Schon als Teenager war sie in der Altstadt unterwegs, als es noch das Creamcheese und die Mata-Hari-Passage gab. Nach einer Friseurlehre mit Anfang 20, hatte sie dann genug von Düsseldorf. Sie ging beim Zirkus Roncalli vorbei, der damals im Rheinpark gastierte, fragte nach einem Job - und bekam ihn.

 Mit den Bildern wirbt das Tanzhaus für eine Veranstaltungsreihe.

Mit den Bildern wirbt das Tanzhaus für eine Veranstaltungsreihe.

Foto: Moxie.de

So zog sie mit dem Zirkus weiter, kehrte ihm dann später wieder den Rücken, studierte Innenarchitektur und lebte längere Zeit in Rheinland-Pfalz. Vor 19 Jahren kam sie schließlich zurück nach Düsseldorf und zog nach Unterbilk, wo sie auch heute noch wohnt. Mit Ende 40 orientierte sie sich abermals neu. Sie fing als Studentin an der Kunstakademie an. Seit drei Jahren studiert sie Bildhauerei bei Thomas Grünfeld. Das sei genau das, was sie schon immer habe machen wollen, sagt sie. Ohne ihren Partner, der sie unterstützt, sei das Studium aber nicht möglich.

Auch wenn Anys Reimann keinesfalls alles an ihrer Heimatstadt mag, schätzt sie Düsseldorf. "Ich könnte nie in einer Stadt ohne Büdchen leben", sagt sie. Auch die Kampagne sei letztendlich nicht nur Werbung für das Tanzhaus, sondern auch für Düsseldorf. Die Einrichtung an der Erkrather Straße zähle genau wie das Zakk zu dem kulturellen Reichtum der Stadt.

Mit der Kampagne weist das Tanzhaus auf eine Reihe hin, die noch bis Mitte Dezember läuft. Ein Höhepunkt ist die deutsche Erstaufführung von "Aurora" von Alessandro Sciarroni am Donnerstag, 10. November, 20 Uhr.

Jan Wiefels

(RP)
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