Düsseldorfer Bar Cherie Die geheimnisvollen Briefe aus der Schublade

Düsseldorf · Seit Jahren schreiben die Gäste der Bar Cherie kleine Briefe, die sie in die Schubladen der Tische legen – oft mit besonderen Botschaften.

 André Eigenbrod, Besitzer der Bar Cherie in der Altstadt, mit einer Auswahl an Briefen, die seine Gäste in den Schubladen der Tische hinterlassen haben.

André Eigenbrod, Besitzer der Bar Cherie in der Altstadt, mit einer Auswahl an Briefen, die seine Gäste in den Schubladen der Tische hinterlassen haben.

Foto: Anne Orthen (ort)

Eigentlich gehört es sich ja nicht, in den Schubladen anderer Leute zu kramen. In der Bar Cherie in der Altstadt ist das aber sogar erwünscht. Was sich in ihnen befindet ist nicht der übliche Krimskrams, wie leere Feuerzeuge oder Stifte, die kaum noch schreiben, sondern viele kleine Briefchen, die dort von den Besuchern der Bar hinterlassen wurden. Die Nachrichten der Gäste sind auf Servietten, Bierdeckeln, Zeitungsseiten, Kassenzetteln oder auch Tickets geschrieben, einige sehr kurz, es gibt aber auch richtige Briefe. Manche Botschaften starten mit den Worten „Liebe Schublade“ oder auch „Liebe Lulu“, was der Spitzname der Bar ist. Andere wenden sich an ganz bestimmte Menschen. Und auch Kinder, die mit ihren Eltern zum Flammkuchenessen in der Bar sind, haben Spaß daran, etwas in die Schublade zu legen. Von ihnen findet man Zeichnungen.

Die Inhalte der Briefchen sind sehr unterschiedlich erzählt André Eigenbrod, Inhaber der Bar Cherie: „Es gibt intime Geständnisse, Philosophisches, Politisches, Witze oder auch einfach Beschreibungen des Augenblicks.“ Anders als erwartet sind kaum Telefonnummern oder plumpe Partnergesuche in dem Schubfach und das freut den Besitzer. „Unsere Briefchen sind zwecklos. Sie werden auch nicht kommentiert. Es sind ja keine Kettenbriefe. Die Nachrichten sind einfach kleine Geheimnisse, die der Schublade anvertraut werden. Manche Schreiber kommen auch wieder und schauen, ob sie noch da sind.“

Der Kulturpädagoge liebt seine Schubladen. Gerne schaut er hinein, neugierig darauf, was seine Gäste zu erzählen haben. Besonders gut gefallen ihm die Zettel, die eine positive Nachricht haben. „Es ist schön, wenn die Leute schreiben, wie glücklich sie hier sind“, sagt er. Einen Lieblingsbrief hat er nicht. „Das sind alles Einzelstücke.“ Aber Aussagen wie „Eine Begegnung wie diese ist nicht alle Tage. Liebt – teilt – genießt – das wunderbare Leben. Liebe ist...“ berühren ihn.

„Das ist eine Art romantisches Facebook, nur, dass man in Schubladen postet.“ Das Schöne sei, dass die Worte aus dem Moment kämen. „Das ist eine ganz andere Art des Schreibens. Man improvisiert, schreibt mit der Hand und muss schauen, was überhaupt auf den Zettel draufpasst.“ Das Analoge passt auch gut zu den Gästen der Bar. „Man sieht hier kaum Menschen, die mit ihrem Handy beschäftigt sind. Die Leute sitzen lieber zusammen, reden und haben Spaß. Die gemütliche Stimmung ist uns auch sehr wichtig.“

Die Schubladenidee kommt gut an. Die Schubfächer an den beiden Tischen quellen fast über. Ab und zu müssen die Mitarbeiter auch mal ein wenig aussortieren. Manche Briefe sind aber auch schon alt, so wie dieser vom 19. Dezember 2008: „Hallo ihr da, die genauso neugierig sind wie ich. Mein Mann meint, ich könne doch hier nicht diese Post lesen, Briefgeheimnis. So ein Quatsch! Also dieser Laden ist wirklich wunderschön. Übrigens haben wir hier geheiratet und sind immer noch glücklich. Carpe Diem.“

Geplant war die Schubladengeschichte nicht. Irgendwann hätten die Gäste die Schubfächer entdeckt und angefangen, ihre Zettelchen darin zu verstecken, berichtet Eigenbrod. „Auch jetzt kommunizieren wir nicht, dass es die Schubladen gibt, die finden die Gäste von alleine.“ Und häufig bieten sie eine Menge Gesprächsstoff. Schon oft haben die Mitarbeiter erleben können, wie frische Datepartner, die sich erst nichts zu sagen hatten, über die Briefchen ins Gespräch kamen. Bei phantasievollen Menschen kann auch das Kopfkino in Gang kommen. Da wird dann eine Geschichte zu den einzelnen Messages ersponnen. Natürlich hat Eigenbrod auch selber schon etwas in der Schublade hinterlassen. „Ich bin auch Musiker und habe mit einem Freund zusammen einen kleinen Songtext geschrieben“, erzählt er.

Nicole Esch

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