Düsseldorf Stadt sucht Pflegefamilien

Düsseldorf · Wenn Kinder nicht bei ihren Eltern leben, sollen sie in einem familiären Umfeld wohnen können. Die Stadt und freie Träger wie die Diakonie brauchen geeignete Familien für kurze Aufenthalte oder langfristige Lösungen.

 Das Paar Ben und Michael hat einen Jungen in Pflege genommen, den die Diakonie vermittelte.

Das Paar Ben und Michael hat einen Jungen in Pflege genommen, den die Diakonie vermittelte.

Foto: Andreas Bretz

Das Jugendamt sucht Pflegeeltern, die übergangsweise oder langfristig ein Kind aufnehmen wollen. Im vergangenen Jahr wurden insgesamt 67 Kinder im Alter bis zu fünf Jahren in sogenannten Bereitschaftspflegefamilien untergebracht, wenn sie nicht bei ihren Eltern leben konnten. Diese Aufenthalte dauern wenige Wochen oder Monate, bis das familiäre Umfeld untersucht ist oder familiengerichtliche Verfahren abgeschlossen sind. "Danach wird entschieden, ob das Kind zurück kann", sagt der Leiter des städtischen Kinderpflegedienstes, Andreas Sahnen. Etwa 15 solcher Familien würden noch benötigt.

Das Ziel sei es, die Kinder in ihre Familien zurückzuführen, so Sahnen. Ungefähr 16 Kinder im Jahr würden aber langfristig untergebracht - auch dafür werden noch Familien gebraucht. "Um ein Kind in ein passendes Umfeld vermitteln zu können, brauchen wir drei Bewerber." Die werden nach Möglichkeit im Umfeld gesucht, Großeltern oder Tanten und Onkels kommen in Betracht. "Wenn es um ein Kind aus der Verwandtschaft geht, erklären sich viele bereit", sagt Sahnen. Inzwischen sind 70 Prozent der aktuell 345 Pflegeverhältnisse sogenannte Verwandten- oder Netzwerkpflegen.

Die Anforderungen an die Pflegefamilien sind unterschiedlich. "Bei der Bereitschaftspflege geht es darum, einem Kind in Not zu helfen, es eventuell zu enttraumatisieren", sagt Sahnen. Hier muss mindestens ein Pflegeelternteil rund um die Uhr Zeit haben. Da das Kind nicht über Jahre in der Familie bleibt, dürfen die Eltern auch 60 Jahre oder älter sein. Die Stadt setzt auf eine engmaschige Begleitung, ein Betreuer kümmert sich um sieben Bereitschaftspflegen (oder 35 Dauerpflegen). "Natürlich ist immer ein Schmerz dabei, wenn man ein Kind nach kurzer Zeit wieder gehenlassen muss", sagt Sahnen. Viele tröste aber das Wissen, in akuter Not geholfen zu haben.

Für die dauerhafte Pflege in Frage kommen Alleinstehende und verheiratete wie unverheiratete Paare. Die Altersobergrenze ist so gewählt, dass der voraussichtliche Eintritt ins Rentenalter mit der Volljährigkeit des Pflegekindes zusammenfällt. Das Einkommen sollte so hoch sein, dass das Pflegegeld komplett für das Kind verwendet werden kann. Es beträgt monatlich 531 Euro für Kinder bis sieben Jahre, 606 Euro für Kinder von acht bis 14 Jahren. Dazu kommen 252 Euro als Anerkennung der "pflegerischen Leistung". Für Jugendliche gibt es 738 Euro.

Gesucht werden Pflegefamilien auch in Kooperation mit freien Trägern wie der Diakonie, die gerade eine Kampagne gestartet hat. "Der Bedarf an Pflegeeltern ist immer größer als die Zahl derer, die diese Aufgabe übernehmen wollen", sagt Boris Wellssow, der die Abteilung für Pflegekinder leitet. Viele Kinder hätten belastende Erfahrungen bis hin zu Vernachlässigung und Misshandlung gemacht. Damit müssen Pflegeeltern umgehen.

"Familie ist nicht nur dort, wo Vater, Mutter und Kinder sind, sondern kann sehr vielfältig aussehen", betont Diakonie-Vorstand Rudolf Brune. Auf den Plakaten der Kampagne sind deshalb auch Alleinstehende, Menschen um die 50 und das gleichgeschlechtliche Paar Ben (35) und Michael (39) abgebildet. Der Heilerziehungspfleger und der Geschäftsführer leben in einem anderen Bundesland. Dennoch hat die Düsseldorfer Diakonie ihnen einen Pflegesohn vermittelt, weil sie ihre Suche nach geeigneten Eltern nicht auf die Region beschränkt. "Wir suchen nicht das passende Kind für ein Paar, sondern stets die passenden Eltern für ein Kind", sagt Wellssow. Bei Ben und Michael hat es gepasst. "Die Eltern waren komplett überfordert, der Junge hatte Schlimmes erlebt, aber er hat sehr rasch Vertrauen zu uns gefasst", sagt Ben.

(RP)
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