Fälle von Selbstzensur Wenn das Pferd nicht "Mohammed" heißen darf

Karlsruhe (RP). Die Absetzung der Berliner Mozart-Oper "Idomeneo" wegen möglicher islamistischer Bedrohungen löste bundesweit Kritik aus. Doch solche Akte der Selbstzensur gab es auch früher: Schon 1998 nahm etwa der TV-Sender VOX den muslimkritischen Film "Nicht ohne meine Tochter" aus dem Programm, weil nach Drohungen aus dem Iran "eine Gefährdung der Mitarbeiter nicht ausgeschlossen werden" konnte. Manche Fälle wirken geradezu grotesk: So empfahlen Staatsschützer in Hagen 2003 einer Frau nach Drohungen, ihr Pferd "Mohammed" umzubenennen. Das tat die eingeschüchterte Frau dann und taufte das Tier "Momi". Ohne "h", um dem Namen des Propheten möglichst fern zu bleiben.

Ob Oper, Film oder Karikatur: Dass Kunst längst nicht mehr alles darf, musste auch der deutsche Künstler Gregor Schneider erleben. Der Biennale-Gewinner wollte auf dem Markusplatz in Venedig einen schwarz umhüllten Würfel von 14 Metern Kantenlänge stellen, um Assoziationen an die Kaaba in Mekka zu wecken, das zentrale Heiligtum des Islam. Doch sein Projekt "Cube Venice 2005" wurde wegen einer möglichen Terrorgefahr von der Stadtverwaltung abgelehnt.

Eine eher befremdliche Form der Selbstzensur forderte der stellvertretende Bürgermeister von Köln, Josef Müller (CDU), im Februar diesen Jahres, nachdem bei der alternativen Karnevalsitzung "Stunksitzung" ein Sketch über einen Selbstmordattentäter gezeigt wurde. So was solle man doch lassen, weil der Dschihad und die Hamas damit in "ein schlechtes Licht" gerückt werde.

Der Düsseldorfer Islamwissenschaftler Michael Kiefer bezeichnet solche Angsthaltungen als gefährlich. Zwar würden Organisationen wie etwa die Muslimbruderschaft und andere islamistische Gruppierungen nur auf Gelegenheiten warten, "um sich als selbsternannte Opfer zu inszenieren" und zu klagen, wie verderbt der Westen und seine Werte seien, warnt Kiefer. Doch grundlos die Freiheit der Kunst aufzugeben, bestätige Islamisten nur in ihrem Tun. "Diese radikalen Islamisten suchen inzwischen den Kulturkampf", sagt Kiefer. Dem Experten zufolge sind sie aber eine kleine Minderheit. Islamische Organisationen bemühten sich dagegen, "die Flamme klein zu halten".

Der Präsident des Stuttgarter Landesamtes für Verfassungsschutz, Johannes Schmalzl, teilt Kiefers Ansicht. Das Nachgeben der Berliner Intendantin sei geradezu eine Einladung an Islamisten, "weiter zu machen, bis sie ihre Vorstellungen durchgesetzt haben". Dass auf Drohungen auch mit Zivilcourage reagiert werden kann, bewiesen im Februar 2000 die Theatermacher von Heilbronn bei der Aufführung des Stücks "Corpus Christi". Sowohl fundamentalistische Christen als auch radikale Muslime hatten gegen die Inszenierung protestiert, weil in ihr der Leidensweg Jesu Christi als schwule Tragödie aufgeführt wird. Jesus gilt den Muslimen als einer der Propheten vor Mohammed.

Doch selbst eine Bombenattrappe im Haus und anonyme Drohanrufe hielten die Schauspieler nicht von der Aufführung ab. "Ich lasse mir von Faschisten, ob sie sich christlich nennen oder anders, nicht den Spielplan vorschreiben", begründete der Intendant Klaus Wagner damals seine Zivilcourage und führte das Stück unter Polizeischutz auf. Das empfiehlt der 76-Jährige heute auch Intendantin Harms: "Sie soll sich nicht ins Bockshorn jagen lassen und die Oper aufführen, alles andere ist lächerlich!"

jo/kg/ul

AFP

(afp)
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