Hamm Viel mehr als nur Kappes

Immer näher rückt der Medienhafen an das beschauliche Hamm heran. Die Dorfbewohner betrachten alles Neue jedoch mit einer gewissen Zurückhaltung. So hat der Ort bislang seinen Charme bewahren können.

"Kappes-Hamm" dürfte bald Geschichte sein. Zwar ist das "größte Düsseldorfer Gartenbauer-Dorf", wie die Hammer sich gerne selbst betiteln, nicht vom Untergang bedroht. "Aber richtige Gemüsebauern gibt es nur noch wenige im Ort", berichtet Willi Andree. Dem 50-Jährigen gehört selbst einer jener traditionsreichen Gartenbaubetriebe in Hamm, die seit Generationen in Familienbesitz sind. Und auch er hat sich, wie die meisten anderen, auf Balkon- und Gartenpflanzen spezialisiert. "Für den klassischen Gemüseanbau sind die Flächen hier im Ort einfach zu klein, als dass wir auf dem Markt konkurrenzfähig sein könnten", sagt Andree. "Flower-City" sollte man sich künftig vielleicht nennen, hat deswegen ein Hammer vorgeschlagen.

Davon abgesehen setzen die Hammer aber fest auf Tradition. "Hier schreitet die Entwicklung schon etwas langsamer voran als in anderen Stadtteilen. Neuerungen werden nicht so schnell angenommen", umschreibt Andree diesen Umstand. So ist nach wie vor der St.-Sebastianus-Schützenverein die dominierende Gruppierung im Ort. "Wer hier geboren wurde, ist einfach dabei", so Andree, selbst seit Jahren Schützenchef. Rund 550 Mitglieder (alles Männer, versteht sich) zählen die Hammer Schützen, die 1458 erstmals urkundlich erwähnt wurden.

Zum 550-jährigen Bestehen vor zwei Jahren reiste Erzbischof Joachim Kardinal Meisner aus Köln höchstpersönlich an, um mit den Hammern die Festmesse zu feiern. "Sonst macht das eigentlich nur der Weihbischof." Das Schützenfest wird traditionell am ersten Sonntag im September auf dem idyllischen Nikolaus-Faber-Platz nahe des Rheins gefeiert. "Es ist eines der letzten Düsseldorfer Schützenfeste im Jahr, aber bekanntermaßen auch eines der schönsten", so Andree.

Erst seit fünf Jahren ist es übrigens üblich, dass die Ehefrau des Schützenkönigs mit in der Kutsche fahren darf. "Früher ist die Gattin beim Umzug überhaupt nicht aufgetreten", berichtet Andree schmunzelnd. "Wie gesagt, bei uns dauert alles eben etwas länger."

Das schließt aber nicht aus, dass die Hammer nicht aktiv werden, wenn es um die Bewahrung des dörflichen Charakters ihres Ortes geht. "Es gab immer wieder Versuche, große Bauprojekte durchzusetzen", sagt Andree. So hätten sich die Hammer in den 70er-Jahren erfolgreich zur Wehr gesetzt, als das Dorf im "großen Stile überbaut werden sollte". Anfang der 90er-Jahre wurde ein "Förderverein Hamm" gegründet, der seitdem über die Belange des Dorfes wacht. "Da machen auch etliche Neu-Hammer Bürger mit."

Inzwischen, so schätzt Andree, habe der Rat "wohl begriffen", dass bauliche Großprojekte in Hamm nicht ohne weiteres durchsetzbar seien. "Sicherlich könnte man hier mit dem Verkauf von Grundstücken viel Geld machen", räumt er ein. Aber seiner Einschätzung nach zählt für viele Hammer die Lebensqualität mindestens genau so viel wie der schnelle Euro.

Ob das in Zukunft immer so bleiben wird, steht allerdings auf einem anderen Blatt. So ist die Glas- und Stahl-Architektur des Medienhafens bedenklich nahe herangerückt an die für die Rheinuferregionen typische dörfliche Kleinbebauung Hamms. Aufgehalten werden die modernen Prestigebauten bislang noch durch die Bahntrasse — "unser Schutzwall im Norden", so Andree.

Im Osten wird Hamm von der Völklinger Straße begrenzt, im Westen bildet der Rhein eine natürliche Grenze. Der Fluss prägt seit jeher den Ort, gab ihm auch seinen Namen. Hamm leitet sich vom lateinischen "hamus" her, was Haken bedeutet und womit die Lage des Ortes im Rheinbogen gemeint ist. Dieser veränderte seinen Verlauf in den zurückliegenden Jahrhunderten mehrfach, weswegen das Hammfeld, das einst zum Ort gehörte, heute auf Neusser Gebiet liegt.

Wer Gartenanbau im großen Stil erleben möchte, muss sich auf die riesigen Felder jenseits des Südrings begeben. Die große, an den Südfriedhof angrenzende Freifläche dort teilen sich die Gartenbauer aus Hamm (ein Teil des Areals gehört noch zur Hammer Gemarkung) mit denen aus Volmerswerth und Flehe. "Die Flächen direkt am Rhein sind einerseits wegen der Fluss-Ablagerungen besonders fruchtbar, andererseits ist es hier immer zwei bis drei Grad wärmer als landeinwärts", erläutert Gartenbauer Andree.

Heute ist der "Blääk" ("Bleiche"), der Dorfplatz an der Pfarrkirche St. Blasius, das Zentrum des Geschehens. 2009 wurde dort beispielsweise ein Wochenende lang gefeiert. Im Zentrum standen aber nicht die Schützen, sondern die "Hammoniker". Das ist ein Gesangsensemble aus Hammern, das im Stil der Comedian Harmonists vor allem die Schlager der Goldenen Zwanziger professionell intoniert. So etwas gibt es eben auch in "Kappes-Hamm".

Nächste Folge: Düsseltal

(RP)
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