Grafenberg Kleiner Stadtteil, großer Name

Die Rennbahn, der Wald, der Ostpark, der Staufenplatz – mit Grafenberg verbinden die meisten Düsseldorfer viele schöne Orte. Schon seit vielen Jahrzehnten ist das Viertel für Ausflüge ein beliebtes Ziel.

 Die Wege rund um den Weiher mitten im Ostpark sind vor allem für Hundefreunde ideal. Nach dem Park wurde auch die benachbarte Ostpark-Siedlung benannt.

Die Wege rund um den Weiher mitten im Ostpark sind vor allem für Hundefreunde ideal. Nach dem Park wurde auch die benachbarte Ostpark-Siedlung benannt.

Foto: RP, Werner Gabriel

Die Rennbahn, der Wald, der Ostpark, der Staufenplatz — mit Grafenberg verbinden die meisten Düsseldorfer viele schöne Orte. Schon seit vielen Jahrzehnten ist das Viertel für Ausflüge ein beliebtes Ziel.

Dieser Stadtteil gehört zu denen, die bei den meisten Düsseldorfer am bekanntesten sind. Vor allen Dingen wegen des Grafenberger Waldes — jedes Kind kennt ihn, nicht zuletzt wegen des Wildparks mit possierlichen Wildschweinen, Waschbären und Damwild. Und die Älteren erinnern sich mit Wonne an die Jahre, als es im Winter noch ausreichend schneite und man dort mit dem Schlitten viel Spaß haben konnte. Das ist so tief im kollektiven Gedächtnis Düsseldorfs verankert, dass ein berühmtes Karnevalslied heute noch nicht weg zudenkender Bestandteil der meisten Karnevalsfeste ist: "Schlittenfahren, Schlittenfahren im Grafenberger Wald". Aber: Dieser Wald liegt keineswegs auf dem Gebiet des Stadtteils, sondern gehört zu Ludenberg. Egal, sagen die Grafenberger — aber jeder meint, er gehört uns.

Überhaupt: die Größe. Die Straßen dieses Stadtteils lassen sich fast problemlos aufzählen. Versuchen Sie das mal mit Bilk, Friedrichstadt oder Derendorf. Er ist also einer der kleinsten der Landeshaupstadt — ihn zu Fuß zu durchqueren ist ziemlich problemlos. Tatsächlich gibt es nur zwei Viertel, die kleiner sind: Altstadt und Carlstadt.

Aber das ist nur das bürokratische Grafenberg, sagt Karl-Ludwig Resch. Der 80-Jährige muss es wissen. Er hat fast sein gesamtes Leben in dem Stadtteil verbracht und wohnt seit seinem dritten Lebensjahr in dem von den Eltern gebauten Haus an der Wittelsbachstraße. Resch ist Grafenberger aus Leidenschaft und tiefster Überzeugung. Kurz: Der Mann liebt den Stadtteil, in dem er lebt. Lange war er im Bürgerverein als Schriftführer aktiv, heute ist er immer noch Ehrenvorsitzender.

Dieser Bürgerverein hat sich immer als Anwalt der Grafenberger und des Stadtteils gesehen. Zu tun gab es vieles in den Jahrzehnten: Die Bahnschranke, die bis in die frühen 80er Jahre den Staufenplatz zum Alptraum für Autofahrer machte, verschwand nicht zuletzt deshalb, weil die Anwohner und der Bürgerverein nicht nachließen mit ihrem Protest — und die Bahn guckte buchstäblich in die Röhre, denn heute rattert sie durch einen Tunnel.

Immer noch sieht man es als eine Hauptaufgabe, den starken Verkehr, der quer durch Grafenberg geht — Ludenberger Straße, B7 Richtung Mettmann — einzudämmen. Aber davon ist man weiter entfernt denn je: Ideen, den Verkehr ab Ende Grafenberger Allee unter der Erde verschwinden und hinterm Berg in Gerresheim wieder auftauchen zu lassen, sind schöne Wünsche geblieben und heute wohl kaum noch bezahlbar.

Man kämpfte aber auch für eine Renovierung des Ostparks — und wer dieses idyllische Schmuckstück nun sieht, kann sich nur wundern über diese grüne Oase mitten im dicht besiedelten Düsseldorfer Osten. Enten dümpeln auf dem Teich, Schwäne flanieren über die Wege, in den Bäumen zwitschern die Vögel — die Ostparksiedlung ist eine der besten Wohnlagen Düsseldorfs, aber viele wissen nichts davon. Den Bewohnern kann es nur recht sein.

Woher der Name Grafenberg kam? Historiker glauben, dass es vom Begriff des Holzgrafen kommt. Adel gab's jedenfalls schon vor vielen hundert Jahren auf diesem Berg: Das Haus Roland ist im Mittelalter entstanden — und es liegt auf dem Grafenberg. Der jedoch — siehe oben — gehört heute streng genommen nicht zum Ortsteil. Heimatkundler Resch spricht daher augenzwinkernd vom "gefühlten Grafenberg" — der Fläche also, die nach Ansicht der Bewohner dazu gehört. Auch die Kliniken (eigentlich in Gerresheim gelegen) tragen den Namen Grafenberg, wurden in der flapsigen Sprechweise der Düsseldorfer in früheren Zeiten zum Synonym für "Irrenanstalt", weil man die Krankenhäuser für psychisch Kranke so nannte.

Oder die Rennbahn: Ebenfalls "auf dem Grafenberg", aber halt "nur gefühlt" — und eines der besonderen Standortmerkmale des Viertels mit Strahlkraft über die Stadtgrenzen hinaus.

Heute ist Grafenberg in großen Teilen begehrte Wohngegend, nicht zuletzt wegen der verkehrsgünstigen Lage: Mit der Straßenbahn ist man in wenigen Minuten in der City, mit dem Auto in wenigen Minuten raus aus der Stadt und auf der Autobahn. Und das Viertel schreibt Sportgeschichte: Das Leistungszentrum für Tischtennis am Staufenplatz hat mit Borussia Düsseldorf viele Stars an die Platte gebracht, der Rochus-Club am Rolander Weg ist ein berühmter Tennis-Club und richtet einmal im Jahr den World-Team-Cup aus.

Im Bewusstsein der Düsseldorfer verankert ist der Ortsteil jedoch vor allem verbunden mit dem Begriff "Ausflug". In Zeiten vor Soap-operas war der Sonntagsnachmittag-Tripp in den Grafenberger Wald Familientradition, Generationen von Pänz haben dort zum ersten Mal Wildschweine oder Hirsche live gesehen. Nachher ging man in einem der zahlreichen Lokale Kaffee trinken — Rolandsburg, Trotzkopf oder der Jägerhof am Staufenplatz (das schlossähnliche Gebäude mit Turm!) zeugen davon.

Und es ist noch gar nicht so lange her, dass es in diesem Wald freilebendes Wild gab: Vor rund 200 Jahren, so Heimatforscher Resch, gab es eine Eingabe der Grafenberger an die damaligen Machthaber, man möge ihnen doch gestatten, 600 Hirsche erlegen zu dürfe. Offenbar waren die Tiere den Menschen zur Plage geworden.

(RP)
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