Stadtteil-Serie Ein Stadtteil in ständiger Bewegung

Sind wir jetzt in deren Dorf – oder doch schon in unserem? Nirgendwo sonst in der Landeshauptstadt sind die Stadtteilgrenzen im Empfinden der Bürger so schwammig wie in und um Derendorf.

 Vor den liebevoll modernisierten Gebäuden der ehemaligen Ulanenkaserne, die heute Wohnungen enthalten, gehen nicht nur die Kreativen von Grey gerne spazieren.

Vor den liebevoll modernisierten Gebäuden der ehemaligen Ulanenkaserne, die heute Wohnungen enthalten, gehen nicht nur die Kreativen von Grey gerne spazieren.

Foto: Busskamp

Sind wir jetzt in deren Dorf — oder doch schon in unserem? Nirgendwo sonst in der Landeshauptstadt sind die Stadtteilgrenzen im Empfinden der Bürger so schwammig wie in und um Derendorf.

 Wird Derendorf auch weiterhin überragen: die Herz-Jesu-Kirche.

Wird Derendorf auch weiterhin überragen: die Herz-Jesu-Kirche.

Foto: Busskamp

Und nirgendwo sonst vertun sich selbst alteingesessene Düsseldorfer so sehr mit der Geographie. Die belebte Nordstraße mit der Münstertherme sowie die Kneipenszene an der Tußmann- und der Moltkestraße? Gehören in Wirklichkeit zu Pempelfort. Der "Derendorfer" Sportverein BV 04? Liegt in Golzheim, ebenso die Zietenstraße mit der Synagoge. Die Derendorfer Sankt-Sebastianus-Schützen? Feiern Schützenfest und Kirmes auf dem vereinseigenen Gelände in Mörsenbroich. Selbst der alte Derendorfer Güterbahnhof mit den Bauprojekten der "Neuen Stadtquartiere Derendorf" ragt nur mit einem winzigen Zipfel von Pempelfort nach Derendorf hinein.

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Dafür wird das Mercedes-Sprinter-Werk, das auf Derendorfer Gebiet liegt, gerne nach Mörsenbroich oder gar Rath verortet. Dabei sind die Stadtteilgrenzen eigentlich einfach zu fassen: Roßstraße, Danziger Straße, Nordende von Nordfriedhof und Großmarkt, Bahnlinie, im Süden die Jülicher Straße.

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Doch auch abzüglich all dieser weit verbreiteten Irrtümer präsentiert sich Derendorf als eines der spannendsten Düsseldorfer Viertel. Das liegt in erster Linie daran, dass sich das 3,34 Quadratkilometer große Areal wie kein zweiter Stadtteil im Umbruch befindet — von einem industriell geprägten zu einem dienstleistungsorientierten. Der stetige Wandel ist allgegenwärtig, fast noch mehr als in den von Baustellen geprägten Straßen der City.

Auf der 90.000 Quadratmeter großen Brache des früheren Rheinmetall-Geländes etwa entstand in nur 15 Jahren die "Unternehmerstadt". Wo jahrzehntelang Maschinengewehre und Panzer produziert wurden, wird mittlerweile gelebt und kreativ gearbeitet — wie es das gelbe "Ortsschild" an der Rheinmetall-Allee bereits ankündigt. Der Modeproduzent Gerry Weber hat sich angesiedelt, ein Vier-Sterne-Hotel, die Neubauten "Living Office" (fertig) und "Lighthouse" (im Bau) setzen architektonische Maßstäbe. Nur wenige hundert Meter weiter wird derzeit kräftig abgerissen, gebuddelt und gegraben: Auf dem früheren Gelände des Schlachthofs und der Schlösser-Brauerei entsteht der neue Campus der Fachhochschule mit Mensa, Studentenwohnungen und einem Event-Bereich. Im Nordteil des Schlachthof-Areals existiert seit einigen Jahren der Büro- und Einkaufskomplex Forum Derendorf.

Auch im Bereich der Tannenstraße wird nach Kräften um- und neu gebaut. Das Gelände der ehemaligen Ulanenkaserne wird nach und nach einer neuen, moderneren Bestimmung zugeführt. Wo einst Soldaten exerzierten, verbringen bereits seit zwei Jahren die Mitarbeiter der Werbeagentur Grey ihre Mittagspausen — auf dem "Platz der Ideen" neben der "Ideenbotschaft". Weitere Kreative folgen im Schlepptau: Künftig beherbergen die wuchtigen Backsteinbauten unter anderem auch die private Akademie für Mode und Design (AMD). Das 15 Hektar große Gelände beinhaltet zudem bereits rund 500 hochwertige Eigentums- und Mietwohnungen. Die zum Teil unter Denkmalschutz stehenden früheren Soldatenbauten wurden dafür optisch aufgepeppt, unter anderem mit schmucken Balkonen versehen. Das ehemalige Offizierskasino (siehe Foto unten) wurde in den 90er Jahren ins "Haus der Stiftungen in NRW" umgewandelt.

Und auch in den kommenden Jahren werden Derendorf, das seit 626 Jahren zu Düsseldorf gehört, und seine Ausläufer in steter Bewegung bleiben. Dafür wird nicht zuletzt die Entlastungsstraße sorgen, die unter dem Arbeitstitel "Umgehung Derendorf" schon 2002 beschlossen wurde, deren Spatenstich allerdings erst im vergangenen August stattfand. Die vierspurige Straße wird parallel zur Bahnlinie verlaufen und die Adlerstraße im Süden mit der Münsterstraße im Norden verbinden. Dadurch sollen nicht nur die Neuen Stadtquartiere Derendorf angebunden, sondern auch die Durchgangsstraßen Brehmstraße, Kettwiger Straße und Prinz-Georg-Straße entlastet werden. Und: Sobald die neue Justizvollzugsanstalt auf Ratinger Stadtgebiet Mitte 2011 fertiggestellt ist, ist nach mehr als 120 Jahren das Ende des Gefängnisses Ulmer Höh' besiegelt. Auf dem 35 000 Quadratmeter großen Gelände sollen nach derzeitigem Stand reihenweise Wohnungen entstehen — ein weiterer Baustein in der ständig voranschreitenden Verjüngung und Modernisierung des Stadtteils.

Denn zumindest gefühlt ist Derendorf schon jetzt ein junges, hippes Viertel — auch wenn die nackten Zahlen es noch nicht ausweisen mögen. So spricht das Amt für Statistik und Wahlen von einem Altersdurchschnitt, der praktisch identisch ist mit dem der Gesamtstadt (43 Jahre und drei Monate), von einem unterdurchschnittlichen Ausstattungsstandard der Wohnungen und von einem hohen Anteil an Ein-Personen-Haushalten.

Ebenfalls hoch ist der Anteil türkischer Mitbürger — in der Tat liegt die Ausländerquote in Derendorf mit 19,7 Prozent 2,5 Prozentpunkte über dem der Gesamtstadt. Am östlichen Ende des Stadtteils, im Derendorfer S-Bahnhof, befindet sich seit 2002 eine Moschee der Türkisch-Islamischen Union der Anstalt für Religion (Ditib). Das Miteinander der Kulturen funktioniert aber ohnehin gut. Und in die Nachbar-Stadtteile eingemeindet ist Derendorf jenseits aller geographischen Grenzen ja sozusagen sowieso — zumindest die Golzheimer und Pempelforter betrachten es nicht als "deren", sondern als "ihr" Dorf.

Nächste Folge: Vennhausen

(RP)
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