Wersten Dorf mit Herz und Tradition

Wersten hat zwei Seiten. Im Osten erstreckt sich der alte, ursprüngliche Teil mit seinen Mehrfamilienhäusern: Alt-Wersten, das einst aus 13 Großbauernhöfen entstand, die Grüne Siedlung und Süd-Ost. Im Westen liegt die jüngere, wohlhabendere Bende mit vielen Einfamilienhäusern. Dazwischen zieht sich die Kölner Landstraße als Treffpunkt wie eine Mittellinie durch den Stadtteil.

 Tierpflegerin Laura Witte zeigt Gianluca ein Schaf vom Südpark-Bauernhof.

Tierpflegerin Laura Witte zeigt Gianluca ein Schaf vom Südpark-Bauernhof.

Foto: Ja

Fernab der geschäftigen Einkaufsstraße wohnen die Bürger beschaulich im Grünen, in der Nähe von Naturräumen wie dem Brückerbach und dem Südpark oder zumindest an vielen mit Bäumen gesäumten Straßen. Besonders die Älteren empfinden eine tiefe Zuneigung zu ihrem "Wäschte", wie sie es auf Platt nennen.

 St. Maria Rosenkranz ist die älteste Kirche im Stadtteil.

St. Maria Rosenkranz ist die älteste Kirche im Stadtteil.

Foto: Ja

Diese Ur-Werstener sind im Stadtteil verwurzelt. Sie sind herzliche, mitunter kernige Zeitgenossen, die Traditionen und Freundschaften pflegen und Neuigkeiten beim Einkauf oder beim Bier in der Stammkneipe austauschen. "Ich schätze ihre Natürlichkeit", sagt Frank Heidkamp, Pfarrer in der Gemeinde St. Maria Rosenkranz und gebürtiger Holthausener. "Sie sagen, was sie denken, und kennen auch keinen Dünkel, wenn der Pfarrer mal blöd gepredigt hat."

Wersten: Dorf mit Herz und Tradition
Foto: Jenny Möllmann

Auf zwei Gespräche bringt es Heidkamp pro Einkauf mindestens. Man kennt sich wie in einem Dorf. Der Heimatverein Werstener Jonges bemüht sich, die zugezogenen jungen Familien in der Bende in Alt-Wersten zu integrieren, sagt Thomas Esser, mit 35 Jahren jüngster Vorsitzender eines Düsseldorfer Heimatvereins.

Das ist manchmal nicht einfach. Denn die Zugezogenen schätzen am Stadtteil Wersten oft weniger die Tradition, sondern finden ihn vor allem praktisch: Ruckzuck gelangen sie von ihrem Heim in die Innenstadt - mit Bahn oder Auto in zehn Minuten - oder zur Arbeit. Für Wersten spricht auch das große Angebot an Kitas, Grundschulen und Lebensmittelgeschäften.

Mehr Verbundenheit mit dem Stadtteil könnte ein Dorfplatz mit Läden und Markt schaffen. Da sind sich Einwohner, Vereine und Politik einig. Aber ein Platz ist trotz jahrelanger mal mehr, mal weniger intensiver Suche nicht in Sicht. Mit den Dingen des täglichen Bedarfs versorgen sich die Bürger stattdessen an der Kölner Landstraße.

Etwas abseits an der Werstener Dorfstraße liegt das Geschäft des bekanntesten Metzgers im Stadtteil, Peter Inhoven. Dort verkauft er Wurstvarianten wie "Shanghai Tiger" mit Wasabi oder "Politbüro" mit Roter Beete und Gurken. Der 42-Jährige kreierte außerdem die Würste für das "Curry" im Hafen und Killepitsch.

Einen Katzensprung entfernt liegt der inoffizielle Mittelpunkt des Stadtteils: die Burscheider Straße in Höhe von St. Maria Rosenkranz. Viele Werstener wurden in dieser katholischen Kirche getauft, so auch Heinz-Leo Schuth (65). Dort war der Vorsteher (CDU) des Stadtbezirks 9 außerdem einst Messdiener und Pfarrjugendleiter. "Wenn ich Stille brauche oder genießen möchte, gehe ich immer noch in diese Kirche - und danach zum Klönen in die umliegenden Pinten", bekennt der gebürtige Werstener augenzwinkernd.

An der Burscheider Straße hält der St. Sebastianus Schützenverein jeweils im Juni seine Parade ab, bevor es zur Kirmes an der Opladener Straße geht. "Ein Rundgang dort gehört zum Pflichtprogramm", sagt Schützenchef Michael Schulz. Seine Mitglieder feiern nicht nur, sie sammeln mit ihrem "Schützelohf" Geld für Werstener Kitas und Jugendclubs. Mit 15 anderen Vereinen, darunter die Jonges, die KG Knaasköpp, der Angelsportverein "Petri Heil" und die DJK Rheinland 05 - organisieren sie jedes Jahr ein Stadtteil- oder ein Oktoberfest.

Ebenfalls für Kinder und Jugendliche setzt sich die Don-Bosco-Stiftung "Mit Herz und Hand" um Presbyter Klaus Lorenz ein. In der, wie der Vorsitzende sagt, ersten stadtteilbezogenen Bürgerstiftung Düsseldorfs sind nahezu alle sozial engagierten Gruppen Werstens vereint und bemüht, mit Spenden und Nachbarschaftshilfe Benachteiligung zu bekämpfen: durch Hausaufgabenhilfen, Projekte für Gewaltprävention, gesundes Essen für Schulen.

"Denn die Werstener Sozialstruktur ist ein Abbild von Düsseldorf - mit einer großen Schere zwischen Arm und Wohlhabend", sagt Lorenz. Einsatz für Werstens Grün zeigt die Werkstatt für angepasste Arbeit im Südpark. Die Mitarbeiter pflegen den Nachfolger der Bundesgartenschau. Sie betreiben dort einen Bauernhof sowie ein Café und sorgen so dafür, dass besonders Werstener Familien eine grüne Oase haben.

Ein weiteres wichtiges Naherholungsgebiet für Spaziergänger, Jogger und Radfahrer ist der Deich des Brückerbachs, der nahe des Werstener Kreuzes von der Düssel abzweigt und zwischen Bende und dem Botanischen Garten zum Rhein fließt. Überhaupt das Werstener Kreuz. Darüber haben Autofahrer eine direkte Verbindung zur A 46. Genau das ist Fluch und Segen zugleich. "Wenn es auf der Autobahn in Eller knallt, fahren die meisten nach dem Unitunnel in Wersten raus", sagt Jonges-Baas Esser.

Im Berufsverkehr staut es sich schnell. Dann wird die vermeintliche, nur 200 Meter lange Abkürzung von der Abfahrt bis zum Kreuz zur dreiviertelstündigen Geduldsprobe. Gleichzeitig ist Esser, wie wohl alle Werstener, glücklich über den Tunnel, der seit 1986 den Verkehr zwischen Innenstadt und Wuppertal unter Wersten hindurchführt. "Wegen der Lautstärke der trichterförmigen Autobahn wurde ein Deckel draufgemacht", erklärt Bezirksvorsteher Schuth. Genau so heißt seitdem die Grünanlage, die die "Grüne Siedlung" mit Alt-Wersten verbindet, auf dem Tunnel: "Deckel". Nächste Folge und Schluss Wittlaer

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