Hotelmord in Düsseldorf Staatsanwaltschaft hält Brief für echt

Düsseldorf · Der Mann, von dem die Polizei glaubt, dass er eine 25-Jährige im Radisson-Hotel erstochen hat, schrieb an verschiedene Medien, darunter an die RP, er werde zu Unrecht verdächtigt, gibt eine eigene Version der Tat. Die Staatsanwaltschaft hält den Brief für echt, glaubt aber nicht an ihren Inhalt.

 Das Radisson Blu im Medienhafen. Hier hatte der mutmaßliche Täter mit seiner Begleiterin am Mittwoch eingecheckt. Er flüchtete in der Nacht zu Freitag.

Das Radisson Blu im Medienhafen. Hier hatte der mutmaßliche Täter mit seiner Begleiterin am Mittwoch eingecheckt. Er flüchtete in der Nacht zu Freitag.

Foto: Hans-Jürgen Bauer

Er hat eine e-Mail-Adresse genutzt, die auf den Namen der ermordeten Cristine lautet. Und er behauptet, die Justiz suche ihn als Sündenbock für das Verbrechen an der Frau, die er geliebt haben will — und von der die Polizei glaubt, dass er sie erstochen hat. So wolle er erreichen, dass "der wahre Mörder gejagt wird".

Und er hofft, "dass die Polizei einlenkt." In der fünfseitigen Mail schildert der Absender, der sich A.D. nennt, die letzten gemeinsamen Stunden mit der 25-Jährigen, die am Freitagmorgen vom Zimmermädchen tot in einer Suite des Radisson Blu gefunden wurde. A.D. will ihrem Mörder schon am Vorabend begegnet sein

Cristina B. hatte nur mit Socken bekleidet, in einer Blutlache in Suite 610 gelegen, als das Personal sie entdeckte. Blutspuren waren im Bad, im Wohn- und Schlafbereich gesichert worden. Die Leiche, so erklärte der Leiter der umgehend eingerichteten Mordkommission "MK Hafen", Steffen Franke, habe mehrere Stichverletzungen aufgewiesen. Und sie konnte zunächst nicht identifiziert werden. Erst, als eine Freundin am Freitagabend in Mörsenbroich Cristina B. bei der Polizei vermisst meldete, habe der Datenabgleich auf die Tote im Hafenhotel hingewiesen. So sei auch klargeworden, aus welchem Umfeld sie stammte: Cristina B. arbeitete für einen Escort-Service.

"Er sollte sich stellen"

Zeugen für die Tat gab es nicht. "Niemand hat etwas bemerkt", erklärte Staatsanwalt Christoph Kumpa. Deshalb könne auch nicht beantwortet werden, ob der Tat ein Streit vorausgegangen sei. Allerdings stehe fest, so Kumpa weiter, dass es sich nicht um ein Sexualdelikt gehandelt habe. "Das Opfer und sein Begleiter kannten sich seit einigen Monaten."

Bereits am Freitagvormittag hatte die Polizei die Fahndungsmaßnahmen nach dem mutmaßlichen Täter eingeleitet — nach dem Mann, der am Mittwoch zusammen mit Christina B. im Hotel im Hafen eingecheckt hatte und seit der Tat spurlos verschwunden war. "Wir sind ihm ziemlich dicht auf den Fersen", hieß es am Samstag bei einer Pressekonferenz von den ermittelnden Behörden. Weil der Tatverdächtige sich unter seinem eigenen Namen im Hotel angemeldet hatte, und weil es Videoaufnahmen aus dem Foyer des Hotels gab, war den Behörden seine Identität bekannt. Die Ermittler waren zuversichtlich, dass sie ihn schnell fassen würden.

Dass er sich per Mail melden würde — damit hat niemand gerechnet. Ein ausgesprochen "ungewöhnlicher Vorgang", so der Staatsanwalt, der an der Echtheit der E-Mail keinen Zweifel hat. "Aber ich glaube nicht an ihren Inhalt." Der Mann, der sich A.D. nennt, hatte seine Version, nach der ein Unbekannter Cristina erstochen und ihn selbst verletzt habe, gestern auch seinem Rechtsanwalt geschildert. Der habe ihm geraten, sich zu stellen. Doch er schickte die fünfseitige E-Mail an die Medien.

Staatsanwaltschaft und Mordkommission wollten sich zu den zahlreichen Details dieser Mail nicht äußern. Zum einen, weil sie nicht alles preisgeben wollen, was sie bereits wissen. Zum anderen, weil die Fakten über die Tatwaffe, die Auffindesituation und die Art der Verletzungen außer den Spurenexperten eigentlich nur der Täter kennen kann. Der ist nach derzeitigem Ermittlungsstand der Mann, der seine Mail nach Informationen unserer Zeitung über einen türkischen Server gesendet hat. Staatsanwalt Kumpa: "Ich würde gern mit ihm über seine Darstellung reden. Aber nicht per E-Mail. Er muss sich stellen."

Tut er das nicht, wird der Fahndungsdruck in den nächsten Tagen sicher erhöht werden. Bislang hatten die Ermittler andere Wege gesucht, um den Verdächtigen zu finden, und keine Details zu seiner Person bekannt gegeben. Für eine öffentliche Fahndung mit Foto fehlten bislang auch die rechtlichen Voraussetzungen. Denn Staatsanwalt Kumpa geht von einer spontanen Tat aus, nicht von einem kaltblütigen Mord. Und weil der Mann, der sich A.D. nennt, zwar bei der Polizei kein Unbekannter ist, aber noch nie gewalttätig war, stelle er keine Gefahr für die Allgemeinheit dar.

(RP/jco/top)
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