Crowdfunding-Aktion fürs Nationalteam Wie die Düsseldorfer Rollhockey-Spielerin Maya Tolk die WM-Teilnahme finanziert

Düsseldorf · Für Maya Tolk steht demnächst in Argentinien die Rollhockey-WM an. Um den Trip zu finanzieren, startete der Verband eine Crowdfunding-Aktion.

 Maya Tolk (r.) vom TuS Nord, hier beim Nations Cup 2022 im Spiel der deutschen U23 gegen die deutsche Damen-Nationalmannschaft.

Maya Tolk (r.) vom TuS Nord, hier beim Nations Cup 2022 im Spiel der deutschen U23 gegen die deutsche Damen-Nationalmannschaft.

Foto: Maya Tolk/Michael Simon

Man stelle sich vor: Thomas Müller sitzt zu Hause in der Küche und öffnet ein Schreiben des Deutschen Fußball-Bundes. Darin steht, der Nationalspieler müsse sich an den Flug- und Hotelkosten zur Fußball-WM nach Katar beteiligen. Auch die Sportkleidung sei für den Profi des FC Bayern München nicht kostenlos. Abgesehen davon, dass der finanzielle Aufwand den zig-fachen Millionär nicht in den Ruin treiben würde, ist die Szene völlig absurd.

Wäre Müller Rollhockeyspieler, käme das Schreiben weniger überraschend. Siehe Maya Tolk. Die einzige Nationalspielerin, die die Farben des TuS Nord bei der Rollhockey-WM in Argentinien (7. bis 12. November) vertritt, muss einen Eigenanteil beisteuern, um sich mit den Weltbesten messen zu können. „Die Weltmeisterschaft in Argentinien ist meine erste WM und damit ein absolutes Highlight für mich“, sagt die 19-Jährige. „Der Austragungsort San Juan ist das Mekka des argentinischen Rollhockeys. Dort stand die Wiege unseres Sports. Das macht das Turnier zu etwas ganz Besonderem.“

Die Vorfreude könnte kaum größer sein. Getrübt wird sie durch die Tatsache, dass die Finanzierung des Abenteuers auf tönernen Füßen steht. Dabei ist Maya Tolk noch eine der wenigen Glücklichen, deren Obolus durch den TuS Nord gedeckt wird. Unter den übrigen zehn Nationalspielerinnen sowie den vier Trainern und Betreuern sind einige, die in die eigene Tasche greifen müssen. Ein Crowdfunding-Projekt, für das auch die Düsseldorferin die Werbetrommel rührt, soll den Eigenanteil minimieren. Hier finden Sie das Projekt: toyota-crowd.de/rollhockey-wm2022

Ein Trikotsponsor steht auch auf der Wunschliste. Um die Kosten nicht in die Höhe zu treiben, ist die Vorbereitungs- und Akklimatisierungsphase in Argentinien mit vier Tagen kurz gehalten.

Aber wer sollte für ein Ereignis, das zwar hohen sportlichen Stellenwert genießt, aber keine medialen Wellen schlägt, seine Brieftasche öffnen? „Wir haben viel auf den Social-Media-Kanälen gepostet. Da werden vor allem die Rollhockeyinteressierten angesprochen. Und im privaten Umkreis haben wir uns auch umgetan. Womöglich kommt ja noch der eine oder die andere hinzu, deren Herz für den Amateursport schlägt“, hofft die Lehramtsstudentin.

Die genauen Kosten für die gesamte Reise sind derzeit noch nicht vorhersehbar, aber der Deutsche Rollsport- und Inline-Verband (DRIV) rechnet mit rund 40.000 Euro pro Team, für Herren wie Damen, für Flüge und Unterkunft. Dazu kommen Materialkosten in Höhe von etwa 5000 Euro sowie Trikots und Trainingsanzüge (rund 4000 Euro). „Da Rollhockey zu den nicht-olympischen Sportarten gehört und deswegen kaum Förderung erhält, müssen die Spieler und Spielerinnen einen Eigenanteil bezahlen“, erläutert Caro Reinert, Co-Trainerin der Damen-Nationalmannschaft und Initiatorin des Projektes. „Von den insgesamt über die Crowdfunding-Kampagne angepeilten 11.100 Euro haben wir bisher 4370 Euro generiert.“ Die spendenbasierte „Schwarmfinanzierung“ sei für die Nationalmannschaft ein Novum, obwohl schon früher durch ähnliche Aktionen Geld gesammelt worden sei. „Bisher sind wir mit dem Ergebnis super zufrieden. Es ist toll zu sehen, wie die Rollhockey-Familie zusammenhält.“

Thomas Ullrich, Vorsitzender der Sportkommission im DRIV, schildert unserer Redaktion das Dilemma, in dem nicht allein der deutsche Rollhockeysport auf internationaler Bühne steckt: „Nachdem wir es leider nicht geschafft hatten, als olympische Sportart anerkannt zu werden, sorgten fehlende Finanzierungsmöglichkeiten in diversen nationalen Verbänden für zahlreiche Absagen bei den World Games, dem Treffen nicht-olympischer, aber populärer Sportarten.“

2001 im japanischen Akita musste der DRIV kurzfristig mit einer Mannschaft einspringen, um das Turnier zu retten, da sich andere Verbände das finanzielle Großprojekt nicht leisten konnten. Rollhockey wurde in der Folge aus dem World Games Programm gestrichen. Damit blieb nur noch die „theoretische Möglichkeit“, so Ullrich, über eine Medaille bei einer Weltmeisterschaft staatlich gefördert zu werden – wenn auch nur in geringem Umfang. „Für uns ist das ob der übermächtigen professionellen Konkurrenz aber nahezu unmöglich.“ Um weit oben zu landen, müssten Frauen wie Männer an ihre Leistungsgrenzen gehen. „Mit den Damen hatten wir 2017 in China das Glück, den dritten Platz zu belegen.“ Für ein ähnliches Kunststück brauche es allerdings „den Papst in der Tasche“.

Die Geldtruhe des DRIV sei auch nicht so reichhaltig gefüllt, dass damit allein eine WM zu stemmen wäre. Der Verband und alle anderen Beteiligten müssen auf jeden Cent achten. „Die Kosten der Teilnahme versuchen wir durch eine möglichst günstige Reiseplanung sowie Unterbringung in Selbstversorgerhäusern statt Hotels zu reduzieren“, sagt Ullrich. „So sind wir nicht auf die Öffnungs- oder Küchenzeiten im Hotel oder in Restaurants angewiesen und können auch spontan mal eine Mahlzeit zwischenschieben.“

Maya Tolk konzentriert sich trotz aller Holprigkeiten auf das Wesentliche, auf das Abenteuer Südamerika, vor allem auf den Sport. „Am meisten freue ich mich auf die Spiele gegen Weltklassemannschaften, besonders auf die Partie gegen Vize-Weltmeister Argentinien, in einer ausverkauften Halle vor 7000 Rollhockey-Fans.“

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