Umstrittenes Buch SPD diskutiert über Sarrazin

Düsseldorf · Das Buch, in dem der Sozialdemokrat und Bundesbankvorstand Thilo Sarrazin provokant fehlgeschlagene Integration von in Deutschland lebenden Migranten kritisiert, stößt bei seinen Düsseldorfer Genossen auf geteilte Meinung. Auch ein möglicher Parteiausschluss wird kontrovers debattiert.

Sarrazin bei der Buchvorstellung "Deutschland schafft sich ab"
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Ist es Rassismus oder die — unangenehme — Wahrheit? Fest steht nur, dass Thilo Sarrazin, Vorstand der Bundesbank mit SPD-Parteibuch, es seinen Parteifreunden mit seinen provokanten Thesen nicht leicht macht. Bereits vor zwei Jahren sorgte der frühere Berliner Innensenator für Aufregung, als er Pullover für Hartz IV-Empfänger empfahl, um die Heizkosten zu senken. In seinem Buch "Deutschland schafft sich ab" rechnet der SPD-Politiker knallhart mit integrationsunwilligen Migranten ab. Die Spitze seiner Partei möchte ihn dafür am liebsten ausschließen, über seine Zukunft bei der Bundesbank wird Bundespräsident Christian Wulff (CDU) entscheiden.

Auch in der Düsseldorfer SPD wird der "Fall Sarrazin" diskutiert — mit unterschiedlichen Nuancen. Geht es nach Karin Kortmann, der Vorsitzenden des SPD-Unterbezirks, soll Sarrazin seinen Posten als Bankvorstand und sein Parteibuch abgeben. "Die Art und Weise, wie er Menschen stigmatisiert und als wertlos bezeichnet, ist inakzeptabel", sagt Kortmann. Ihrer Ansicht nach sind seine Aussagen nicht vereinbar mit dem Grundgesetz, das besage, dass niemand wegen seiner Herkunft oder Religion diskriminiert werden dürfe.

Die Düsseldorfer SPD-Chefin räumt zwar ein, dass ihr 65-jähriger Parteifreund in seinem Buch auch richtige Anmerkungen gemacht habe ("man darf nicht mit Scheuklappen durch die Gegend laufen"), doch wer dermaßen öffentlich diffamiere, dürfe nicht im Namen der Sozialdemokraten sprechen. Dass Sarrazin in Umfragen große Zustimmung für seine Thesen erhält und knapp 20 Prozent ihn sogar wählen würden, wenn er mit einer eigenen Partei antreten würde, registriert Kortmann sehr wohl. "Daraus lernt man, dass die Alltagserfahrungen in der Nachbarschaft anders sind als Politik das manchmal wahrnimmt." Aus ihrem Bundestagswahlkreis im Düsseldorfer Süden kenne sie Klagen deutscher Bürger, die sich mit ihren Nachbarn nicht mehr verständigen könnten. "Es sind tatsächlich parallelisierende Strukturen entstanden", sagt sie.

Auch Markus Raub, Chef der SPD-Fraktion im Rathaus, gibt Sarrazin in dessen Diagnose recht, dass bei der Integration einiges im Argen liege. "Das ist vor allem auf viele Versäumnisse über Jahrzehnte hinweg zurückzuführen", sagt Raub. Er kritisiert jedoch, Sarrazin argumentiere mit Pseudo-Statistiken, seine Ausdrucksweise erinnert Raub "fast schon an Nazi-Sprech". Damit habe der 65-Jährige der Diskussion, aber auch seiner Partei "einen Bärendienst" erwiesen. Dass Sarrazin von seinem Amt als Bundesbankvorstand abberufen werden soll, findet Raub nachvollziehbar. Einen Ausschluss aus der Partei sieht er allerdings skeptisch und nur als äußerstes Mittel.

Ähnlich argumentiert auch der frühere SPD-Fraktionschef Günter Wurm. Er findet, dass Sarrazin zumindest eine wichtige Diskussion angestoßen hat. "Sicherlich sind einige seiner Thesen sehr überspitzt, aber ich glaube nicht, dass er rassistisch ist." Wurm hält es für unumgänglich, dass Migranten sich verpflichten, die deutsche Sprache zu sprechen. "Wenn jemand seit 30 Jahren in Deutschland einen Laden führt und kein Wort Deutsch spricht, dann stimmt etwas nicht", sagt Wurm. Einen Parteiausschluss sieht er deshalb skeptisch, auf jeden Fall müsse Sarrazin zunächst vom Parteivorstand angehört werden.

Das wird nach Informationen von Gudrun Hock in Form eines Parteiordnungsverfahrens auch geschehen. Für die SPD-Bürgermeisterin und frühere Essener Sozialdezernentin steht fest: "Sarrazin handelt offenbar nur aus Profilsucht und ist sehr, sehr rassistisch in seinen Äußerungen." Dagegen müsse die Partei klar Stellung beziehen. Querschläger habe es in der SPD zwar immer schon gegeben, doch Sarrazin sei ein Wiederholungstäter. "Mit seinen provokanten Thesen macht er wichtige Themen kaputt."

(RP)
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