Interview "Sparkassen-Chef braucht Charisma"

Düsseldorf · Manfred Siebenlist ist seit 20 Jahren Personalberater. Er hat in dieser Zeit Bankenvorstände gesucht, vielen Sparkassen neue Vorstände vermittelt. Angesichts der Bedeutung der Position hält er gründliche Tests auch jenseits fachlicher Kompetenz für unabdingbar.

Die Sparkasse Düsseldorf sucht einen neuen Vorstandsvorsitzenden und weitere Vorstandsmitglieder. Wie müsste ein solcher Auswahlprozess nach ihrer Kenntnis ablaufen?

Siebenlist Vorab möchte ich betonen, dass ich nicht damit beauftragt bin, also nicht für die Düsseldorfer Stadtsparkasse arbeite. Vorstände habe ich bisher nur für andere Sparkassen in anderen Städten gesucht. Daher kenne ich die Auswahlverfahren.

Wie läuft das also ab?

Siebenlist Es gibt bestimmte Kriterien, die sind in Deutschland gesetzlich festgelegt und werden von der Bankenaufsicht, der BaFin, geprüft.

Die da wären? Muss der Bewerber beispielsweise Jurist oder Betriebswirtschaftler sein?

Siebenlist Nein, muss er nicht. Heutzutage wird zwar meist eine universitäre Ausbildung verlangt, aber es gibt immer noch Sparkassen-Chefs, die sich vom Lehrling ganz nach oben gearbeitet haben. Verlangt wird aber eine klare, zu der Sparkasse passende Ausbildung im Finanzgeschäft.

Und sonst?

Siebenlist Die BaFin schaut sich ganz genau an, welche Verantwortung der Kandidat hatte, wie viele Leute er geführt hat, welchen Kreditbereich er selbst verantwortlich führen durfte.

Sie meinen, in welcher Höhe er Kredite bewilligen durfte?

Siebenlist Ja, denn er muss die Erfahrung mitbringen, mit sehr hohen Summen — und da sprechen wir durchaus von zig Millionen — korrekt umzugehen.

Sie sagen immer "er".

Siebenlist Damit meine ich allgemein eine Person — ob Frau oder Mann ist völlig egal.

Auf was achtet die BaFin noch?

Siebenlist Beispielsweise ist die Anzahl der Jahre wichtig, die der Kandidat in einer bestimmten Position verbracht hat. Und die Größe der Bank.

Macht es einen Unterschied, ob die Bewerber von einer privaten Bank oder einer Sparkasse kommen?

Siebenlist Im Prinzip ist das nicht wichtig. Aber die meisten Sparkassen haben es lieber, wenn Vorstände aus den eigenen Reihen kommen, sozusagen das rote "S" auf der Stirn tragen. Aber ich persönlich bin der Meinung, mancher Sparkasse tut es gut, auch mal Führungspersonal aus dem Privatbanken-Bereich zu übernehmen. Dafür gibt es einige gute Beispiele, die ich kenne und wo das gut funktioniert.

Und wenn die BaFin erkennt, dass bestimmte Voraussetzungen nicht erfüllt sind?

Siebenlist Dann sagt sie nein. Und ohne grünes Licht der BaFin geht die Person nicht durch. Keine Sparkasse in Deutschland kann einen Vorstand haben, der nicht den Vorgaben der Kontrolleure entspricht.

Worauf achten Sie als Fachmann noch?

Siebenlist Auf die Persönlichkeit, die so genannten weichen Faktoren. Ein Sparkassen-Chef muss nämlich Charisma und hohe soziale Kompetenz haben. Und das nach innen wie nach außen. Das war früher bei Sparkassen anders, aber das hat sich verändert.

Warum?

Siebenlist Weil er in einer Stadt auch gesellschaftlich unterwegs ist. Er tritt an gegen die Vorstände der anderen Banken, muss dort sicher und souverän auftreten, Kontakte pflegen und herstellen können. Auf jeden Fall parkettsicher sein. Das ist absolut wichtig.

Und wie stellt man das fest? Das kann die BaFin doch nicht nach irgendwelchen Regeln abfragen?

Siebenlist Nein, das müssen Fachleute wie wir machen.

Wie machen Sie das?

Siebenlist Durch sehr persönliche Gespräche, und das kann insgesamt zwei oder drei Tage dauern.

Etwas genauer.

Siebenlist Wir gehen zum Beispiel mit den Kandidaten essen, und ich nehme dann eine Mitarbeiterin mit. Vor dem Restaurant sage ich dann zu ihm, dass er nun der Gastgeber ist und sich entsprechend verhalten soll. Daran erkenne ich sehr schnell, ob er das im Griff hat.

Aber essen gehen allein reicht ja wohl nicht?

Siebenlist Nein, ich empfehle immer in solchen Situationen ein Assessment-Center. Da wird der Kandidat gründlich unter die Lupe genommen. Wir spielen mit ihm bestimmte Abläufe durch, auf die er reagieren muss und in denen er entscheiden muss. Wir testen unter anderem seinen Umgang mit schwierigen Mitarbeitern. Dafür haben wir Leute, die solche Rollen perfekt spielen. Und oft mitten im Gespräch darauf bestehen, dass der Betriebsrat teilnimmt oder Ähnliches. Da muss der künftige Vorstand angemessen und korrekt reagieren.

Welche Frage stellen Sie?

Siebenlist Wir haben eine Liste mit knapp 500 Fragen im Rechner, die durchaus auch ins Persönliche gehen und mit Hilfe eines Computer-Programms ausgewertet werden.

Beispiele?

Siebenlist Wir wollen beispielsweise von der Schulzeit hören und dem, was da gelaufen ist. Eine denkbare Frage: "Warum sind Sie nicht Klassensprecher geworden?" Wie war das mit den Eltern. Sie müssen doch bedenken, dass ein Mensch 20 Jahre zu Hause lebt und von den Eltern geprägt wurde. Da ist es absolut wichtig, über das Zuhause viel zu erfahren. Aus solchen Fragen erfährt man sehr viel und kann mit so genannten Tiefen-Interviews sich ein Bild machen über die Führungspersönlichkeit.

Das alles ist aber ein hoher Aufwand.

Siebenlist Ja, das stimmt — aber angesichts der Bedeutung der Position, über die wir hier reden, ist das doch mehr als angemessen. Die Person soll ein paar Tausend Leute führen, verantwortet einen Jahresumsatz von 12 oder 14 Milliarden Euro — es ist absolut unverantwortlich, mögliche Vorstände nicht so gründlich unter die Lupe zu nehmen.

Machen es denn die meisten Sparkassen oder Banken?

Siebenlist Wir haben auf unserer Kundenliste mehrere Sparkassen und die unterschiedlichsten Firmen. Ich weiß, dass Auswahlverfahren wie das von mir Beschriebene in den meisten Unternehmen heutzutage üblich sind. Aber viele Sparkassen scheuen davor zurück.

Wieso?

Siebenlist Sie meinen zum Beispiel, man könne das Kandidaten in einer solchen Liga nicht zumuten. Oder sie argumentieren, dass einer, der bereits in einer entsprechenden Position ist und als Bewerber infrage kommt, ja bereits bewiesen hat, dass er den Anforderungen entspricht.

Wie endet eigentlich Ihre Arbeit?

Siebenlist Am Ende legen wir ein Gutachten vor, in dem wir sagen, es könnte passen — oder abraten. Entscheiden muss der Kunde natürlich selbst.

Spielen eigentlich die jeweiligen Partner eine Rolle?

Siebenlist Aber sicher. Ich rate meinen Kunden häufig, am Ende ein Gespräch zu suchen, bei dem der Partner dabei ist, gut ist das bei einem gemeinsamen Abendessen. Denn der Mann oder die Frau muss ja mittragen, was sich da beruflich abspielt. Und er oder sie muss ja auch mit umziehen. Wenn es da schon Meinungsverschiedenheiten gibt, kann man das Ganze gleich vergessen.

Was raten Sie noch?

Siebenlist Den Sparkassen, die ich betreue, habe ich zu einer Findungskommission geraten. Maximal drei Personen, die vertrauenswürdig sind und im Verwaltungsrat sitzen, sollten sich mit der Frage "neuer Vorstand" beschäftigen und erst dann einen präsentieren, wenn sie sich festgelegt haben. Diese Kommission, zu der der OB gehören sollte, aber auch ein Vertreter der Belegschaft, nimmt den Kandidaten nochmals unter die Lupe, spricht lange und ausführlich mit ihm und wird dann erkennen können, ob es passt oder nicht. Auch dieser Aufwand ist absolut gerechtfertigt, denn das Risiko ist viel zu groß, dass etwas schief geht.

Wie teuer ist es eigentlich, Sie zu fragen?

Siebenlist Üblich ist ein Drittel des Jahresgehalts der zu besetzenden Position plus Spesen und Kosten.

(RP)
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