SOS Kinderdorf in Düsseldorf-Garath Ein Treffpunkt für Ukrainerinnen

Düsseldorf · Jeden Dienstag treffen sich aus ihrer Heimat geflüchtete Frauen und Kinder zum Ukraine-Stammtisch im SOS Kinderdorf in Düsseldorf-Garath. Während der Nachwuchs spielt, sprechen die Frauen auch über Probleme.

 Inga Stoliarenko und ihre Tochter Anja möchten gerne dauerhaft in Düsseldorf bleiben.

Inga Stoliarenko und ihre Tochter Anja möchten gerne dauerhaft in Düsseldorf bleiben.

Foto: Bretz, Andreas (abr)

Sie sitzen an dem langen Tisch, haben Smartphones in der Hand, schauen auf den Laptop und blicken hin und wieder raus in den Garten, wo die Kinder spielen. Es herrscht ein buntes Sprachengemisch aus Ukrainisch, Deutsch, Russisch und Englisch. Manchmal verständigen sich die Frauen auch mit Händen und Füßen oder sprechen in ihr Smartphone und lassen das Gesagte von der App übersetzen.

Jeden Dienstag treffen sich die Frauen im Café HellGa des SOS-Zentrums an der Matthias-Erzberger-Straße in Garath. Und das schon seit Anfang März, als die ersten Flüchtlinge aus der Ukraine angekommen sind. Eine von ihnen ist Inga Stoliarenko. Die 50-Jährige floh am 4. März von Charkiw mit ihrer neunjährigen Tochter Anja nach Deutschland. Zunächst mit dem Evakuierungszug nach Polen, dann mit dem Bus durch Polen bis nach Berlin. Von dort aus ging es nach Düsseldorf. Drei Tage war sie unterwegs, ihre beiden Söhne (14 und 20) blieben bei ihrem Vater.

Seit März geht Anja in Hellerhof in die Grundschule, jetzt in die vierte Klasse. Inga lernt Deutsch und möchte möglichst schnell arbeiten. Doch noch schneller möchte sie endlich eine Wohnung haben, denn die Computer-Fachfrau wohnt mit ihrer Tochter immer noch im Hotel.

Ein neues Zuhause haben derweil Lilia Halchuk, Iana Kurusenko und Viktoiya Bayrak gefunden. Sie teilen sich mit ihren drei Kindern ein Haus in Hellerhof, das ihnen SOS besorgt hat. In ihrer Wohngemeinschaft füllen sich die drei Frauen wohl und sind dankbar für die materielle und freundschaftliche Unterstützung. Die Frauen kommen aus Slavyansk, wo schon nach der Stürmung durch russische Separatisten 2014 vieles zerstört war. Jetzt sind sie froh, in Düsseldorf zu sein.

„Ich bin erstaunt, wie sich die Leute für uns einsetzen; sie sind so hilfsbereit, das kann man kaum mit Worten beschreiben“, sagt Ianas Kurusenko. Für die studierte Juristin ist der Dienstagnachmittag bei SOS der Höhepunkt der Woche. Dem stimmt auch ihre Freundin Viktoroya, die sie seit dem Studium kennt, zu. „Hier kann man Probleme besprechen, hier kann man sich austauschen.“

Strahlend kommt in diesem Moment Ianas Tochter Stefania auf sie zugelaufen und hält einen kleinen Rucksack in der Hand, den sie vor den Augen der Mutter öffnet. Er ist bestückt mit Schulsachen. Stefania ist überglücklich, herzt ihre Mutter, schon ist sie wieder verschwunden. Den Kindern eine Freude zu machen, das liegt SOS am Herzen, denn sie haben so viel durchgemacht. Mehr als ein gutes Dutzend Mitarbeiter organisiert den Dienstagnachmittag. „Aber es sind nicht immer alle auf einmal da“, sagt Sabine Kopka, Bereichsleiterin bei SOS Kinderdorf. Auch die Anzahl der ukrainischen Frauen wechsele, es sind inzwischen um die 30, und alle haben mindestens ein Kind.

Mindestens eine Erzieherin ist immer dabei, zwei Werksstudentinnen, die beide Russisch sprechen, ebenso wie die Mutter eines Mitarbeiters, die Ukrainisch spricht. Während sich Erzieherin Daniela Flesch um die Kinder kümmert, können die Mütter sich austauschen und über ihre Sorgen und Probleme sprechen.

Anfangs waren es vor allem Anträge und Formulare, die ausgefüllt werden mussten. Die Kinder und Jugendlichen haben inzwischen alle einen Platz in der Kita oder Schule. Vor Kurzem gab es sogar einen gemeinsamen Ausflug in den Südpark. „Da hatten wir alle viel Spaß“, sagt Sabine Kopka. Doch auch mehr als fünf Monate nach der Flucht sind immer noch viele Fragen offen, und sie müssen geklärt werden. Manchmal sind nur Kleinigkeiten, manchmal ist das Problem auch etwas gravierender.

So gibt es beispielsweise eine kleine Gruppe, die zunächst in ein anderes Bundesland gereist war, jetzt bei Freunden lebt und nun kein Anrecht auf eine Wohnung in Düsseldorf hat, beklagt Lidia Morante-Maldonado, eine der beiden Studentinnen. „Ich habe für sie den Antrag gestellt, der wurde abgelehnt. Aber ich kämpfe weiter“, sagt sie. Außerdem habe sie sich im Namen einer Mutter mit Kind für eine Wohnung interessiert und ihre Eckdaten angegeben. Als der Vermieter hörte, dass die Wohnung nicht für sie sei, sondern für die Ukrainerin, habe er sofort abgelehnt.

So engagieren sich viele der Mitarbeiter und Ehrenamtler, helfen, wo es nur geht und sind froh, dass alle krankenversichert sind. Das sei unbürokratisch gegangen, sagt Lidia Morante-Maldonado, die perfekt Russisch spricht. Dienstags ist also der Treffpunkt im Café HellGa zum Plaudern, um über Sorgen zu sprechen und froh zu sein, dass es Hilfe gibt. Die Frauen lachen zusammen und sind froh, nicht alleine zu sein. „Wir teilen das gleiche Schicksal“, sagt Inga Stoliarenko. Mittwochs steht abends ein weiterer Termin auf dem Plan: Deutsch lernen.

Denn die Frauen wollen so schnell wie möglich einen geregelten Alltag haben, auch wenn sie immer wieder abwägen: Bleibe ich hier oder gehe ich zurück. Und auch dies wird bei den Treffen diskutiert. Für Inga Stoliarenko steht fest: Sie will hier bleiben. Die drei Frauen aus der Wohngemeinschaft sind sich indessen nicht sicher.

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