Pro und Contra Soll Karfreitag ein stiller Feiertag bleiben?

Düsseldorf · Streit um lustige Theaterstücke, Unterschriftenlisten, in denen Bürger fordern, Altstadt-Discos in der Nacht zu Karsamstag ab 0 Uhr zu öffnen: Stille Feiertage sorgen für kontroverse Debatten.

 Christ vs. Humanistin: Wir haben Pfarrer Heinrich Fucks und Ricarda Hinz, Leiterin des "Düsseldorfer Aufklärungsdienstes", um ihre Meinungen gebeten.

Christ vs. Humanistin: Wir haben Pfarrer Heinrich Fucks und Ricarda Hinz, Leiterin des "Düsseldorfer Aufklärungsdienstes", um ihre Meinungen gebeten.

Foto: Andreas Bretz

"Es ist eine groteske Zumutung und Realsatire, welche Verbote sich in den Gesetzen zu den 'stillen Feiertagen' finden, sagt Ricarda Hinz.

Der Streit um die sogenannten "stillen Feiertage" ist für mich als religionsfreie Humanistin der Lackmustest schlechthin: Hier lässt sich bestens erkennen, wie es um die Toleranz der Weltanschauungen in unserer Gesellschaft bestellt ist.

 Sie leitet den "Düsseldorfer Aufklärungsdienst, der die religionskritische Giordano-Bruno-Stiftung ideell und materiell unterstützt.

Sie leitet den "Düsseldorfer Aufklärungsdienst, der die religionskritische Giordano-Bruno-Stiftung ideell und materiell unterstützt.

Foto: Bretz, Andreas

Das menschliche und freie Klima unserer modernen, demokratischen Gesellschaft wird vor allem durch unser Grundrecht auf Meinungsfreiheit gesichert. Die daraus abgeleiteten Grundrechte auf Weltanschauungs-, Glaubens- und Versammlungsfreiheit tragen ganz wesentlich dazu bei, dass hierzulande Vielfalt überhaupt erst gelebt werden kann. "Jeder Jeck is anders!" heißt es ja im Rheinland so schön.

Die Feiertags-Gesetzgebung stammt dagegen aus vormoderner Zeit, in der den Menschen noch autoritär vorgeschrieben werden musste, woran sie zu glauben und was sie wann zu tun und zu lassen haben. Zum Glück liegt die Verantwortung inzwischen bei jedem einzelnen Individuum selbst, welche Weltanschauung es sich aus einer Vielfalt von Angeboten zulegen möchte.

Wir haben sogar die Freiheit, unsere Ansichten im Laufe unseres Lebens zu wechseln, und das ist auch gut so! Denn keine Weltanschauung kann für sich allein das Recht beanspruchen, im Besitz der absoluten Wahrheit zu sein. Darum wird es immer erst dann bedenklich, wenn man seinen Nächsten zu einer bestimmten Weltanschauung zwingen möchte.

Wer will sich denn heute noch ernsthaft vorschreiben lassen, wie er sich an einem bestimmten Tag zu fühlen hat? So etwas lässt sich nicht per Gesetz regeln. Darum ist es doch eine groteske Zumutung und Realsatire, welche Verbote sich in den Gesetzen zu den "stillen Feiertagen" finden: Da wird den Menschen eine traurige Grundstimmung verordnet und das Tanzen und Lachen unter Strafe gestellt. Das ist die Gesetzgebung eines Gottesstaates und nicht die einer offenen Gesellschaft.

Sie widerspricht der gebotenen staatlichen Neutralität in Weltanschauungsfragen. Sind Kirche und Staat in Deutschland getrennt, oder sind sie es nicht? Die Kirchen sollten hier ihre Chance nicht verpassen, sich selbst hinter die Toleranz-Standards der offenen Gesellschaft zu stellen, indem sie von ihrem Monopol auf Feiertagsgestaltung Abstand nehmen. Leben und leben lassen, das nenne ich als Atheistin: "wahre Nächstenliebe".

Stille Feiertage sind eine Zumutung, sagt Pfarrer Heinrich Fucks - "Aber sie kommen dem Zusammenleben in Deutschland zu Gute."

Feiertage bieten Anlass zu Rechthaberei. Klärung tut Not - zumal wenn Feiertage nicht nur Arbeitsbefreiung, sondern auch persönliche Beschränkungen bedeuten. Für Christen dürfte der Fall klar sein. Jesus hat die Sache geklärt: "Der Sabbat ist um des Menschen willen gemacht und nicht der Mensch um des Sabbats willen." (Markus 2, 27)

 Er ist Leiter der Abteilung Verkündigung und Stellvertreter der Superintendentin der evangelischen Kirche in Düsseldorf.

Er ist Leiter der Abteilung Verkündigung und Stellvertreter der Superintendentin der evangelischen Kirche in Düsseldorf.

Foto: Bretz, Andreas

Also: Was hat der Mensch vom Feiertag - gerade, wenn er still ist? Feiertage unterbrechen den Alltag. Sie setzen Akzente, die im Alltag untergehen. Der arbeitsfreie Sonntag steht gegen den arbeitsreichen Alltag. Der Akzent ist die Freiheit von der Arbeit, der Nutzen besteht in Muße und zwischenmenschlichem Kontakt. Arbeit ist eben nicht alles. Aber das ist auch Zumutung - schon beim Sonntag. Alle Jahre wieder der Streit um verkaufsoffene Sonntage; Woche für Woche die Frage, was fange ich mit dem freien Tag an. In der Zumutung liegen Chancen, Chancen auf neue Erfahrungen.

Stille Feiertage setzen Akzente, denen man sonst lieber aus dem Weg geht. Allerheiligen und Totensonntag sind still, weil sie Tage des Gedenkens der Verstorbenen sind - nicht nur für Christen. Sie machen Aspekte öffentlich, die sonst im Alltagslärm untergehen: Tod, Trauer, Sterblichkeit. An solchen Tagen ist kaum Party angesagt. Freilich eine Zumutung, eine Zumutung mit der Chance auf Besinnung.

"Gott ist tot, weil wir Menschen einander an Kreuze nageln", schreibt Antje Schrupp am 23. März 2016 in der Wochenzeitung "Die Zeit" zum Karfreitag. Sie setzt sich der Zumutung des Karfreitags aus. Das Kreuz ist ein Skandal, eine skandalöse Welt voll von Gewalt und Elend. Die Geschichte der Christenheit kann auch als menschliche, allzu menschliche Geschichte erzählt werden, diesen Skandal zu verdrängen.

Für Antje Schrupp ist der Karfreitag ein einzigartiger Tag: "Ein Tag, an dem wir nicht behaupten, schnelle Lösungen zu haben, wenn uns nur mal jemand machen ließe. Sondern ein Tag, an dem wir es aushalten, keine Lösung zu haben." Ein solcher Tag kann allein in Stille begangen werden. Stille Feiertage kommen dem Zusammenleben in Deutschland zu Gute. Ob und wie weit man sich ihren Zumutungen und Chancen aussetzt, muss demokratisch ausgehandelt werden.

(RP)
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